Reform der Arbeitslosenversicherung in Frankreich : Was Sie wissen müssen
Veröffentlicht am 18.10.23
Es gelten seit dem 1. Februar 2023 neue Regeln für den Schutz mit der Arbeitslosenversicherung in Frankreich, und zwar für Arbeitsuchende, die ihrer Arbeit ab diesem Datum verloren haben. Wenn Sie Arbeitgeber oder Arbeitnehmer in Frankreich sind, ist es unerlässlich, diese Bestimmungen in den groben Zügen zu kennen. Im französischen Sozialversicherungsrecht beratende deutsch-französische Anwälte verschaffen Ihnen hiermit einen Überblick.
Überblick über die Reform der Arbeitslosenversicherung 2023
Hintergrund und Notwendigkeit der Reform
Die Reform der Arbeitslosenversicherung geht auf ein Wahlkampfversprechen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zurück. Dies erfolgt im Rahmen der großen Arbeitslosenversicherungsreform, deren erste Maßnahmen im November 2019 eingeführt wurden. Diese traten bereits 2021 in Kraft. So wurde am 1. Februar 2023 in demselben eine zweite Reform mitsamt ihren neuen Bestimmungen umgesetzt.
Hauptziele der Reform
Der Wille zur Reform des Arbeitsmarktes wird durch zwei Faktoren angetrieben:
- Trotz einer deutlichen Verbesserung in den letzten fünf Jahren ist die Arbeitslosenquote in Frankreich immer noch doppelt so hoch wie in Deutschland, den Niederlanden oder dem Vereinigten Königreich.
- Es ist festzustellen, dass es in Frankreich ein echtes Einstellungsproblem in mehreren angespannten Sektoren gibt, insbesondere im Hoch- und Tiefbau, im Transportwesen, in der Logistik, im Hotelgewerbe und im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen. Hinter diesen Zahlen verbergen sich jedoch auch andere Schwierigkeiten bei der Einstellung, die mit den angebotenen Arbeitsbedingungen zusammenhängen, wie z. B. der Bezahlung, den Arbeitszeiten oder der Schwere der Arbeit.
Die neuen Regeln der Arbeitslosenversicherung im französischen Sozialversicherungsrecht zielen darauf ab, die Arbeitssuchenden dazu zu bringen, schneller wieder eine Arbeit zu finden. Außerdem geht die Unédic (ein Verband, der im Auftrag des öffentlichen Dienstes die Arbeitslosenversicherung in Frankreich verwaltet) davon aus, dass die neue Berechnungsmethode zu erheblichen Einsparungen führen wird.
Das Hauptziel dieser Reform ist es demnach, auf die Rekrutierungsschwierigkeiten zu reagieren, mit denen die Unternehmen seit der Coronavirus-Pandemie konfrontiert sind, und so die Vollbeschäftigung zu fördern.
Zur Erinnerung: Das Arbeitslosenversicherungssystem ist von jeher und von Natur aus antizyklisch. Bei ungünstiger Wirtschaftslage steigen die Ausgaben für Arbeitslosengeld und die Einnahmen sinken, was zu einem Haushaltsdefizit führt. Umgekehrt sinken bei günstiger Wirtschaftslage die Ausgaben für Arbeitslosengeld und die Einnahmen steigen, was zu einem Haushaltsüberschuss führt. Die neue Reform geht noch viel weiter, indem sie die Kontrazyklizität in die eigentlichen Regeln zur Bestimmung des Anspruchs auf Versicherungsleistungen einfließen lässt.
Wesentliche Änderungen und ihre Auswirkungen
Die Auswirkungen der Reform der Arbeitslosenversicherung in Frankreich auf Arbeitslose liegen vor allem in der Senkung der Dauer der Auszahlung des Arbeitslosengeldes. Die Höhe des Arbeitslosenversicherungsgeldes oder die Anspruchsvoraussetzungen haben sich nicht geändert.
Dauer des Arbeitslosenschutzes
Die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld hängt nun von der aktuellen Wirtschaftslage und insbesondere von der Lage auf dem Arbeitsmarkt ab. Mit anderen Worten: Wenn es der französischen Wirtschaft gut geht, wird die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes kürzer sein als in Krisenzeiten, in denen die Arbeitssuche schwieriger und die Arbeitslosenquote höher ist. Die Idee ist also, die Vorschriften für das Arbeitslosengeld zu verschärfen, wenn die Arbeitsmarktlage gut ist und Stellen zu besetzen sind, und sie zu lockern, wenn die Lage schwieriger ist.
Wenn die Arbeitslosenquote unter 9 % liegt und in einem Quartal nicht um mehr als 0,8 Prozentpunkte steigt, gilt die Wirtschaftslage als gut. Die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld wird dann um 25 % gekürzt, wobei die Mindestdauer sechs Monate beträgt. Ein Arbeitsuchender, der 24 Monate lang Beiträge gezahlt hat, hat also nur noch 18 Monate lang Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Wenn die Arbeitslosenquote 9 % oder mehr beträgt oder innerhalb eines Quartals um mindestens 0,8 Prozentpunkte steigt, wird davon ausgegangen, dass sich die Wirtschaftslage verschlechtert hat. Arbeitsuchende, die ihren Anspruch ausgeschöpft haben, haben dann Anspruch auf eine zusätzliche Zahlung von 25 % (maximal sechs Monate für Personen unter 53 Jahren). Die Bezugsdauer kann somit auf bis zu 24 Monate verlängert werden.
Ein Beispiel: Im zweiten Quartal 2023 (Stand: 11. August 2023) lag die Arbeitslosenquote (französisches Mutterland ohne Mayotte) bei 7,2 %, verglichen mit 7,1 % im ersten Quartal. Folglich kann die aktuelle Wirtschaftslage als gut bezeichnet werden.
Ein Zusatzbetrag ist möglich, wenn eine mindestens sechsmonatige berufsqualifizierende Ausbildung absolviert wird.
Es ist daher nur folgerichtig, dass dieses Prinzip durch das Gesetz im frz. Arbeitsgesetzbuch verankert wurde. Im Sinne des Gesetzes wird dieses wie folgt definiert: „Die Bedingungen der früheren Beschäftigung für die Eröffnung oder Wiederaufstockung der Ansprüche und die Dauer der Ansprüche auf Versicherungsleistungen können unter Berücksichtigung von Konjunkturindikatoren für die Beschäftigung und die Funktionsweise des Arbeitsmarktes angepasst werden“ (Artikel L. 5422-2-2 des frz. Arbeitsgesetzbuches).
Wegfall der Arbeitslosenunterstützung in zwei neuen Fällen
Darüber hinaus sieht das Gesetz vom 21. Dezember 2022 vor, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld in zwei neuen Fällen entfällt.
- Das unerlaubte Entfernen vom Arbeitsplatz. Legitime Gründe sind unter anderem medizinische Gründe und das Streikrecht.
- Die Ablehnung eines unbefristeten Arbeitsvertrags (CDI) bei Arbeitnehmern mit einem befristeten Arbeitsvertrag (CDD). Ein Arbeitnehmer, dessen Vertrag ausläuft und der innerhalb eines Jahres zweimal einen unbefristeten Arbeitsvertrag für eine Stelle mit denselben Merkmalen ablehnt, hat keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld. Diese neue Regel der Arbeitslosenversicherung gilt jedoch nicht ab dem 1. Februar 2023. Sie treten erst in Kraft, wenn ein entsprechender Erlass verkündet wird.
Sonderfälle und Ausnahmeregelungen
Diese Bestimmungen gelten nicht für die französischen Überseegebiete. Dies liegt daran, dass ihre wirtschaftliche Situation zu spezifisch ist, als dass die gewählten nationalen Kriterien in diesen Gebieten wirksam angewendet werden könnten.
Außerdem sind bestimmte Berufsgruppen von der Reform nicht betroffen, wie Seeleute, Hafenarbeiter, freischaffende Künstler und Arbeitsuchende, die einen Vertrag zur beruflichen Absicherung abgeschlossen haben.
Vorteile der Reform für Arbeitslose und Arbeitgeber
Vorteile für Arbeitslose?
Eigentlich sind die neuen Regeln eher von Nachteil für Arbeitnehmer im Vergleich mit früher.
Vorteile für Arbeitgeber
Es wurde oft von der „großen Kündigung“ gesprochen, was ursprünglich in den USA entstanden ist. Es handelt sich um das Phänomen, das Arbeitnehmer dazu bringt, ihre Unternehmen zu verlassen, um von besseren Arbeitsbedingungen zu profitieren, und wieder einen Sinn in ihrer Arbeit zu sehen.
In Frankreich ist dieser Trend schwer einzuschätzen, aber auch heute noch, trotz des wirtschaftlichen und geopolitischen Kontexts, sind die Ambitionen der französischen Arbeitnehmer auf Veränderungen stark ausgeprägt.
Laut einer Umfrage des Institut français d’opinion publique (IFOP) geben 48 % der Arbeitnehmer an, aus Angst vor den Auswirkungen der Reform der Arbeitslosenversicherung auf ihr Leben bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu bleiben. Folglich besteht somit für Arbeitgeber die Chance, dass ihnen ihre Arbeitnehmer erhalten bleiben.
Darüber hinaus könnte die Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld die Arbeitnehmer dazu veranlassen, nach Möglichkeit wieder eine Beschäftigung aufzunehmen, was natürlich für die Unternehmen von Vorteil ist, die manchmal Schwierigkeiten haben, neue Mitarbeiter einzustellen.
Bezug von Arbeitslosengeld und Höhe des Arbeitslosengeldes: Unverändert
Um grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, muss man innerhalb der letzten 24 Monate sechs Monate (d. h. 130 Tage oder 910 Stunden) gearbeitet haben und unfreiwillig arbeitslos geworden sein. Personen über 53 Jahre müssen nachweisen, dass sie in den letzten 36 Monaten sechs Monate lang gearbeitet haben.
Die Bestimmungen zur Berechnung des Arbeitslosengeldes, die im Oktober 2021 eingeführt wurden, bleiben ebenfalls unverändert.
Auswirkungen der Reform auf deutsche Grenzgänger
Deutsche Grenzgänger (d. h. Personen, die in Deutschland wohnen und in Frankreich arbeiten) erhalten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 das Arbeitslosengeld ihres Wohnsitzlandes. Folglich sind sie von der Reform nicht betroffen.
Kritik und Kontroversen rund um die Reform
Die Argumentation, dass die Einführung eines strengeren Sozialleistungssystems mechanisch zu einer Verringerung der Spannungen auf dem Arbeitsmarkt führen würde, mag schlüssig erscheinen. Ihre Grenze liegt darin, dass sie sich auf keine seriöse und detaillierte Studie stützt, die belegt, dass die Zahl der unbesetzten Stellen mit dem Grad der Großzügigkeit des Arbeitslosenunterstützungssystems korreliert.
Die Gründe, warum viele offene Stellen nicht besetzt werden, sind hingegen vielfältig. Sie können darauf zurückzuführen sein, dass die erforderlichen Qualifikationen und das Ausbildungsniveau der Arbeitsuchenden nicht übereinstimmen, dass die Arbeitsbedingungen nicht attraktiv genug sind oder dass die Arbeitsuchenden aus geografischen oder familiären Gründen gezwungen sind, eine Stelle nicht anzunehmen.
Andere Länder, die über Systeme mit kürzeren Bezugszeiten verfügen, haben mit den gleichen Schwierigkeiten bei der Einstellung zu kämpfen.
Die andere Frage ist, ob es gerecht ist, die Bedingungen für den Erhalt von Arbeitslosengeld auf der Grundlage nationaler Arbeitslosenzahlen zu begründen, wenn die Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, stark von der spezifischen Situation in jedem Arbeitssektor und von jedem Arbeitsuchenden abhängt.
Blick in die Zukunft: Langfristige Auswirkungen und Prognosen
Die aktuellen Vorschriften gelten vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2023. Die Sozialpartner müssen die Regeln für die Arbeitslosenversicherung bis Ende 2023 neu verhandeln.
Die französische Premierministerin Élisabeth Borne hat den Sozialpartnern (bezeichnet die Organisationen der Arbeitnehmer (Berufsgewerkschaften) und der Arbeitgeber (Arbeitgeberverbände)) im August 2023 einen Rahmenbrief geschickt, damit sie sich auf die neuen Vorschriften der Unédic einigen. In dem vierseitigen Dokument werden die Anforderungen der Regierung an die Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften festgelegt. Die Gewerkschaften haben bis 15. November Zeit, um sich zu einigen. Sollte bis zum 15. November keine Einigung erzielt werden, wird die Regierung wieder das Heft in die Hand nehmen und die Vorschriften festlegen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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