Die Versetzung des Arbeitnehmers ins Ausland
Veröffentlicht am 23.05.24
Zur Versetzung vom ursprünglichen Arbeitsort im Inland an einen neuen Arbeitsort im Ausland kommt es oft in internationalen Konzernen. Der Zweck ist oft der Aufbau neuer Standorte im Ausland, um neue Absatzmärkte zu erreichen und dabei das Fachwissen der Arbeitnehmer über Ländergrenzen hinweg weiterzugeben und darauf aufzubauen. Die juristische Gestaltung der Versetzung, das anwendbare Recht, das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Rückkehr ins Inland sind dabei wichtige Themen, die sowohl Arbeitgeber als Arbeitnehmer beschäftigen. Hier ist ein Überblick zur Versetzung ins Ausland.
Da diese Thematik hoch komplex ist und Personalabteilungen sich schnell in Strickfallen befinden können, ist der Rat eines im internationalen Arbeitsrecht tätigen Anwalt unerlässlich.
Inhaltsverzeichnis
Was ist die Versetzung ins Ausland?
Versetzung ins Ausland ist üblicherweise der Begriff für die Anordnung an den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber, dauerhaft in einem anderen Unternehmen im Ausland zu arbeiten, also außerhalb einer Dienstreise. Bei einer Versetzung ins Ausland wird der Arbeitsplatz von Deutschland ins Ausland verändert und der Arbeitgeber ausgewechselt.
- Die Versetzung ins Ausland darf daher nicht mit der Situation des Expatriates, der allein die Initiative ergreift, zu einem ausländischen Arbeitgeber zu wechseln, der keine Verbindung zu seinem ersten Arbeitgeber hat;
- Die Versetzung an ein anderes Unternehmen ist auch nicht zu verwechseln mit einer bloßen Änderung des Arbeitsorts ohne Änderung des Arbeitgebers;
- Die Versetzung kann endgültig oder vorübergehend mit Rückkehr zum ursprünglichen Arbeitgeber sein.
Wie wird die Versetzung in der Regel juristisch gestaltet?
Juristische Gestaltung mit dem Zweivertragsmodell:
- Das sog. Stammarbeitsverhältnis zum Stammarbeitgeber ruht ganz oder teilweise. Das bedeutet, die Hauptleistungspflichten werden ausgesetzt. Gegebenenfalls bestehen Nebenpflichten wie die Fortführung der betrieblichen Altersversorgung fort;
- zusätzlich wird für die Arbeit im Ausland ein lokaler Arbeitsvertrag geschlossen mit einem zweiten Arbeitgeber, der sog. Einsatzgesellschaft in einem Konzern. Man spricht deshalb auch vom Zweivertragsmodell;
- Oftmals wird auch noch eine Dreiervereinbarung zwischen dem bisherigen, dem neuen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossen.
Alternativ zum Zweivertragsmodell:
Der Stammarbeitsvertrag kann ganz beendet werden. In der Praxis wird sich der Arbeitnehmer oft darauf jedoch nur einlassen, wenn ihm ein Rückkehrrecht eingeräumt wird, also der Stammarbeitgeber ein Wiedereinstellungsversprechen abgibt. Es kommt aber auch häufig vor, dass der Arbeitnehmer ohne Garantie auf Rückkehr zustimmt, um seine Karriere innerhalb der Unternehmensgruppe voranzutreiben. Er muss dann für sich selbst entscheiden, ob die Versetzung wirklich eine Chance darstellt oder ob er „vergessen“ wird.
Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Inland „versetzen“?
Versetzung beim gleichen Arbeitgeber
In der Regel wird ein Arbeitnehmer innerhalb Deutschlands nicht versetzt an ein anderes Unternehmen, sondern es ändert sich nur der Arbeitsort, z.B. München statt Hamburg. Denn meistens gibt es für Deutschland eine einzige Arbeitgebergesellschaft mit Betrieben in verschiedenen Städten. Es wird kein zweites Arbeitsverhältnis begründet. In den meisten Fällen handelt es sich also nicht um eine wie eingangs definierte Versetzung mit einem zweiten Arbeitgeber, auch wenn man ebenfalls von einer Versetzung spricht.
Eine solche Änderung des Arbeitsorts kann der Arbeitgeber grundsätzlich einseitig anweisen, denn er hat das Weisungsrecht.
Er darf den Arbeitsort jedoch nicht mehr frei bestimmen, wenn ein Arbeitsort im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung, in einem Tarifvertrag oder im Gesetz bereits festgelegt ist. Außerdem muss der Arbeitgeber bei der Bestimmung des Arbeitsortes stets die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen und abwägen mit seinem eigenen Interesse an der Zuweisung an einen anderen Ort.
Meistens sieht der Arbeitsvertrag einen Arbeitsort vor und enthält aber zugleich einen Vorbehalt für eine Änderung des Arbeitsorts, so dass eine der Arbeitnehmer aufgrund der Klausel angewiesen werden kann, woanders zu arbeiten, wenn die Klausel wirksam formuliert ist.
Versetzung bei einem anderen Arbeitgeber z.B. im Konzern
Eine Versetzung im Inland zu einem zweiten Arbeitgeber ist seltener. Bislang gibt es keine Rechtsprechung dazu, ob im Arbeitsvertrag ein Vorbehalt für eine Versetzung innerhalb des Konzerns von einer Gesellschaft zu einer anderen zulässig ist.
Eine solche sogenannte Konzernversetzungsklausel kann von dem Arbeitsgericht wie eine AGB überprüft werden. Eine einseitige Versetzungsmöglichkeit dürfte als unwirksam angesehen werden, weil dadurch der Arbeitnehmer benachteiligt wird, da der Kündigungsschutz umgangen werden könnte. Denkbar ist zwar, den entfallenden Kündigungsschutz dadurch auszugleichen, dass zugleich eine konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht vorgesehen wird. Doch der Stammarbeitgeber kann nur dann verpflichtet sein, den Arbeitnehmer in einer anderen Konzerngesellschaft weiterzubeschäftigen, wenn er darauf Einfluss nehmen kann, d.h. wenn es sich bei ihm um die Konzernmutter handelt und auch keine Weisungsfreiheit bei der Tochtergesellschaft entgegensteht wie diejenige des Vorstands einer Aktiengesellschaft.
Auch dürfte eine im Voraus erteilte Zustimmung des Arbeitnehmers zur Versetzung nicht wirksam sein. Man braucht also im Ergebnis stets die Zustimmung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Versetzung, um sicher zu sein, dass die Versetzung wirksam ist.
Darf der Arbeitgeber den Mitarbeiter ins Ausland versetzen?
Für eine bloße Änderung des Arbeitsorts in Form einer Verlagerung des Arbeitsorts von Deutschland ins Ausland gelten dieselben Grundsätze wie für eine Änderung des Arbeitsorts innerhalb Deutschlands:
- Eine Versetzungsklausel ist in den meisten Fällen unwirksam. Die Zustimmung des Arbeitnehmers bei Versetzung ist erforderlich;
- Ist kein Arbeitsort abschließend (insb. vertraglich) festgelegt, gilt das Weisungsrecht.
Es tellt sich bei der Verseztung ins Ausland die Frage, ob das Weisungsrecht eingeschränkter ist.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Interessenabwägung die Interessen des Arbeitnehmers gegen einen einseitig vom Arbeitgeber angeordneten Wechsel sprechen, ist nicht unbedingt höher als bei einem Wechsel des Arbeitsortes im Inland. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch hier eine Verlegung des Lebensmittelpunktes in einen anderen Staat und die Anwendbarkeit ausländischen Rechts eintreten kann.
Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 30.11.2022 (5 AZR 336/21)) zeigt, wie Richter in Ermangelung eines vertraglich festgelegten Arbeitsorts im Arbeitsvertrag die Versetzung ins Ausland trotz Nachteilen für den Mitarbeiter als begründet ansehen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Versetzung ins Ausland zulässig ist, wenn dies nicht anders vertraglich vereinbart wurde und sie nach billigem Ermessen erfolgt. Im vorliegenden Fall wurde ein Pilot nach der Schließung seines Stationierungsortes in Nürnberg nach Bologna versetzt. Der Arbeitnehmer klagte gegen diese Versetzung, da er am neuen Standort im Ausland weniger verdiente. Sowohl das Arbeitsgericht Nürnberg als auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg wiesen seine Klage ab. Das BAG bestätigte diese Urteile und betonte, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht auf Deutschland beschränkt ist, sofern kein fester Arbeitsort im Vertrag festgelegt wurde. Der Arbeitgeber muss jedoch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Die Entscheidung zeigt, dass Arbeitnehmer in einer immer internationaler werdenden Arbeitswelt flexibel sein müssen, sofern ihr Arbeitsvertrag keinen festen Arbeitsort vorsieht.
Was muss das Unternehmen bei einer Versetzung ins Ausland beachten?
Der Stammarbeitgeber muss darauf achten, dass der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist und die Vertragsbeziehungen zum Arbeitnehmer sowie die Umsetzung klar geregelt sind.
Liegt keine Zustimmung des Arbeitnehmers vor, kann es passieren, dass:
- dessen Hauptleistungspflichten wie insbesondere die Lohnzahlungspflicht fortbesteht, wie dies der Fall ist bei einer Arbeitnehmerüberlassung, die darüber hinaus erlaubnispflichtig ist;
- der Stammarbeitsvertrag und der zweite Arbeitsvertrag als ein einheitliches Arbeitsverhältnis angesehen werden. Dann haften sowohl der Stammarbeitgeber als auch der zweite Arbeitgeber gesamtschuldnerisch für insbesondere Lohnforderungen;
- nur eine gemeinsam erklärte Kündigung einen der Arbeitsverträge beenden.
Allgemein gilt, dass Kündigungsgründe nicht durchschlagen. Verletzt der Arbeitnehmer Pflichten gegenüber dem zweiten Arbeitgeber im Ausland kann damit nicht automatisch auch die Kündigung des Stammarbeitsverhältnisses begründet werden.
Außerdem muss das anwendbare Recht beachtet werden. Der zweite Arbeitsvertrag mit der anderen Konzerngesellschaft für die Arbeit im Ausland unterliegt dem ausländischen Recht.
Schließlich sind auch andere als rein arbeitsrechtliche Aspekte relevant:
- Praktische Aspekte: Neben den rechtlichen Aspekten sind auch praktische Fragen zu klären, z.B. Umzugskosten, Unterstützung bei der Wohnungssuche, Sprachkurse und Anpassung des Gehalts an die Lebenshaltungskosten im Ausland;
- Sozialversicherungsrecht: Bei einer Entsendung ins Ausland sind auch sozialversicherungsrechtliche Fragen zu klären, z.B. welche Sozialversicherungssysteme gelten und wie die Absicherung des Arbeitnehmers gewährleistet wird. Häufig, aber nicht immer, befindet sich ein Arbeitnehmer in einer Situation der Entsendung ins Ausland und bleibt daher im Sozialversicherungssystem seines Heimatlandes. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn er dauerhaft versetzt wird, ohne Aussicht auf Rückkehr;
- Erlaubnis, in Deutschland zu wohnen und arbeiten: Eine Aufenthalts- und Arbeitseruabnis ist für EU-Ansländer einzuholen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vereinfacht die Einstellung von Ausländern mit Erfahrung bzw. mit Hochschulabschluß.
Wie läuft die Rückkehr nach Deutschland?
Die Rückkehr nach Deutschland kann durch eine Vereinbarung geregelt werden, in der die Modalitäten der Versetzung und der Rückkehr festgelegt werden (sog. „Zweivertragsmodell“). Das bedeutet, dass es den grundlegenden Arbeitsvertrag, den zweiten Arbeitsvertrag und eine Versetzungsvereinbarung gibt. Dennoch ist eine solche Vereinbarung nicht zwingend erforderlich und der Arbeitnehmer kann versetzt werden, ohne dass die Möglichkeit einer Rückkehr zum ursprünglichen Arbeitgeber diskutiert wird.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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