Ubernahme der Verbindlichkeiten aus den Arbeitsverträgen bei Erwerb eines insolventen Betriebes
22.08.16

Grundsatz der Nichtübertragung der Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern im Rahmen des Insolvenzverfahrens
Beim Betriebsübergang hat der neue Arbeitgeber für alle arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten einschließlich diejenigen, die vor der Übertragung entstanden sind, einzustehen (Artikel L. 1224-2 des franz. Arbeitsgesetzbuches). Der neue Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, die Rückerstattung der beglichenen Beträge vom ehemaligen Arbeitgeber zu verlangen. Dieser Grundsatz aus dem französischen Recht existiert auch im deutschen Recht.
Dieser Grundsatz kennt allerdings Ausnahmen, insbesondere im Fall vom Kauf eines Unternehmens aus der Insolvenz. In dieser Fallkonstellation trägt der ehemalige Arbeitgeber weiterhin die Verantwortung für die arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten.
Der neue Arbeitgeber kann sich im Rahmen vom Unternehmensverkauf aus der Insolvenz zur Übernahme der arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten verpflichten
Durch ein kürzlich ausgesprochenes Urteil vom 30.6.2016 hat der französische Kassationshof den Anwendungsbereich dieser Ausnahme begrenzt, indem er geurteilt hat, dass der neue Arbeitgeber sich im Rahmen eines Unternehmensverkaufs aus der Insolvenz rechtmäßig dazu verpflichten konnte, die Schulden des ehemaligen Arbeitgebers zu begleichen.
In dieser Angelegenheit war eine von einem Insolvenzverfahren betroffene Privatklinik im Rahmen eines gerichtlich beschlossenen Übernahmeplans an eine andere Gesellschaft übertragen worden. Einer der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag übertragen worden war, hatte dem Arbeitsgericht einen Antrag zur Anmeldung seines Gehaltes in die Tabelle der ersten Gesellschaft vorgelegt.
Die Richter haben die Erwerberin und somit den neuen Arbeitgeber dazu verurteilt, dem ehemaligen vom Insolvenzverfahren betroffenen Arbeitgeber die Begleichung der dem Arbeitnehmer geschuldeten Summen zu gewährleisten.
Der neue Arbeitgeber hat diese Entscheidung angefochten. Seiner Ansicht nach ergibt sich aus dem Artikel L. 1224-2 des Arbeitsgesetzbuches, dass der neue Arbeitgeber bei einem im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vorgenommenem Übernahmeplan in keinem Fall zur Begleichung der Schulden des ehemaligen Arbeitgebers verurteilt werden und sich auch nicht dazu per Vereinbarung verpflichten kann.
Die Verpflichtung zur Übernahme der arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten ist im Arbeitsrecht gültig
Der Kassationshof hat die Argumentationslinie der Richter bestätigt und den Einspruch des neuen Arbeitgebers abgewiesen. Er gibt erstmal an, dass der neue Arbeitgeber sich im Rahmen eines Übernahmeplans sehr wohl zur Übernahme der gesamten, mit den Arbeitsverträgen verbundenen Rechte, somit einschließlich der arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten, verpflichten kann.
Der Gerichtshof stellt in dieser Angelegenheit fest, dass der neue Arbeitgeber sich im Rahmen des Übernahmeplans dazu verpflichtet hatte, 89 Arbeitsverträge sowie die Gesamtheit der an diese Verträge gebundenen Ansprüche zu übernehmen, ganz gleich aus welchem Anspruchsbegründendem Tatbestand diese entsprungen waren und welche Beträge betroffen waren. Somit war der neue Arbeitgeber aufgrund dieser Verpflichtung dazu gehalten, dem ehemaligen Arbeitgeber die Begleichung all dieser arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten, d.h. insbesondere die den Arbeitnehmern aufgrund von Überstunden, Bereitschaftsdienst und dem Arbeitszeitkonto geschuldeten Beträge, zu gewährleisten.
Im Falle eines im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vollzogenem Übernahmeplans zum Unternehmenskauf sollten die Aufkäufer somit darauf achten, dass der Umfang ihrer Verpflichtung bezüglich der an den übernommenen Arbeitsverträgen gebundenen Rechte nicht zu groß ist, wenn sie die arbeitsrechtlichen Verbindlichkeiten des ehemaligen Arbeitgebers nicht übernehmen möchten. Man kann davon ausgehen, dass die Aufkäufer im den Richtern vorgelegten Sachverhalt die Verpflichtungen der vom Insolvenzverfahren betroffenen Klinik freiwillig übernommen hatten, um sich im Vergleich zu den anderen potentiellen Aufkäufern von der Masse abzuheben.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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