Französischer Handelsvertreter und Urteile zum Ausgleichsanspruch und Wettbewerb
20.12.13

Die Handelskammer des französischen Kassationshofs (Cour de cassation) hat in zwei Urteilen vom 8.10.2012 die auf Handelsvertreter anwendbaren Bestimmungen verdeutlicht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Berechnung der Entschädigung bei Vertragskündigung sowie der Wettbewerbsverbotsklausel.
Eine erste Entscheidung über den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters im französischen Recht
In dem ersten Urteil hat der Senat für Handelsrecht an den Grundsatz erinnert, nachdem die Entschädigung bei Kündigung des Handelsvertretervertrags einen Ausgleichsanspruch ist, der dem gesamten, dem französischen Handelsvertreter durch die Vertragskündigung entstandenen Schaden entsprechen muss. Im vorliegenden Fall hat das französische Berufungsgericht die Entschädigung des Handelsvertreters ausschließlich in Anbetracht der Höhe der Provisionen, die der Handelsvertreter während der letzten zwei Jahre unter dem Vertrag erhalten hatte, berechnet.
Diese Entscheidung des Berufungsgerichts wurde vom Kassationshof bezüglich der Berechnung der Entschädigung aufgehoben. Der Kassationshof hat dabei daran erinnert, dass die Entschädigung des Handelsvertreters eine Ausgleichsentschädigung darstellt, die dem gesamten Schaden, den der Handelsvertreter durch die Kündigung erlitten hat, entsprechen muss. Nach dem obersten Gericht umfasst dieser Schaden den Verlust sämtlicher Bezahlungen, die der Handelsvertreter im Rahmen der im gemeinsamen Interesse der Parteien entwickelten Tätigkeit erhalten hat.
Der Schaden schließt also auch die monatliche Festvergütung ein, die der Handelsvertreter im Rahmen seines Vertrages erhalten hat.
In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass die Berechnung der Entschädigung bei Vertragskündigung nicht aus dem einschlägigen Artikel L. 134-12 des französischen Handelsgesetzbuchs hervorgeht, sondern aus der Rechtsprechung des französischen Kassationshofs. Der Kassationshof hat im vorliegende Fall seine Rechtsprechung dahingehend verdeutlicht, wonach bei der Berechnung der Entschädigung des Handelsvertreters nicht nur die Kommissionen in Betracht gezogen werden müssen, sondern auch die monatliche Festvergütung des Handelsvertreters.
Eine zweite Entscheidung über die Wettbewerbsverbotsklausel im Handelsvertretervertrag
In seinem zweiten Urteil vom selben Tag hat der der Senat für Handelsrecht des französischen Kassationshofs ebenfalls zur geographischen Beschränkung einer Wettbewerbsverbotsklausel nach französischen Handelsvertreterrecht, die in einem Handelsvertretervertrag zu Gunsten des Unternehmens vereinbart worden ist, Stellung genommen. Nach dieser Klausel war es dem Handelsvertreter in Frankreich verboten, konkurrierende Produkte zu vertreten, außer wenn dies ausdrücklich vom vertretenen Unternehmen gestattet wurde. Dabei gab die Klausel allerdings nicht ausdrücklich das Gebiet an, auf welchem dieses Wettbewerbsverbot galt.
Das Unternehmen hatte festgestellt, dass der Handelsvertreter ebenfalls einen Wettbewerber vertrat, der allerdings außerhalb des vertraglich vorgesehenen Gebiets ansässig war. Daraufhin hatte das Unternehmen den Vertrag wegen schweren Verschuldens des Handelsvertreters gekündigt. Dabei ging das Unternehmen davon aus, dass der Handelsvertreter die Wettbewerbsverbotsklausel verletzt hatte. Der Handelsvertreter hat das Unternehmen daraufhin wegen unrechtmäßiger Kündigung des Vertrags und Zahlung einer Entschädigung in Anspruch genommen.
Das Berufungsgericht hat dieser Klage stattgegeben und angenommen, dass der Wettbewerbsverbot, der sich aus der Treuepflicht ableiten lässt, lediglich auf dem Vertragsgebiet des Handelsvertretervertrags besteht, sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht. Der Kassationshof hat dieses Urteil aufgehoben und entschieden, dass der Handelsvertreter nach französischem Handelsvertreterrecht eine allgemeine Treuepflicht gegenüber dem vertretenen Unternehmen hat, die ihn dazu verpflichtet keine konkurrierenden Unternehmen ohne seine ausdrückliche Genehmigung zu vertreten. Nach dem obersten Gericht war dieses Verbot ebenfalls vertraglich vorgesehen. Selbst wenn der Vertrag den geographischen Anwendungsbereich der Klausel nicht ausdrücklich bestimmt hat, so sei dieser nicht auf das Vertragsgebiet beschränkt, in welchem der Handelsvertreter das Unternehmen ausschließlich vertritt.
Diese Entscheidung entspricht der ständigen französischen Rechtsprechung, nach der der Handelsvertreter, der ein konkurrierendes Unternehmen vertreten will, das Unternehmen informieren muss, dass er ursprünglich vertritt, und dessen Genehmigung einholen muss. Die Verletzung dieser Treuepflicht stellt eine schwere Vertragsverletzung dar, weswegen der Handelsvertreter in diesem Fall keinen Anspruch mehr auf eine Entschädigung wegen Vertragskündigung geltend machen kann.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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