Hat der Handelsvertreter, der eine Vertragsverlängerung ablehnt, einen Ausgleichsanspruch?
11.09.17

Kommt die Weigerung, einen neuen Vertrag abzuschließen, einer Kündigung des Handelsvertretervertrages gleich?
In einer Entscheidung vom 21.06.2017 hat der französische Kassationshof entschieden, dass der Handelsvertreter, der eine Vertragsverlängerung ablehnt, nicht aus eigener Initiative die Kündigung des Vertrages herbeigeführt hat. In diesem Fall verliert der Handelsvertreter seinen Ausgleichsanspruch nicht.
Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Das französische Handelsgesetzbuch sieht vor, dass mit der Beendigung des Vertrages ein Ausgleichsanspruch zugunsten des Handelsvertreters entsteht. Der Ausgleich dient dem Handelsvertreter als Ersatz für den entstandenen Schaden, da ein Handelsvertreter oft in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Mandanten steht. Es besteht jedoch kein Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Vertrages, wenn die Vertragsbeendigung auf einen gravierenden Fehler des Handelsvertreters hin erfolgt, wenn der Handelsvertreter seinen Vertrag mit dem Einverständnis des Mandanten an einen Dritten abtritt, oder wenn die Kündigung des Vertrages auf Initiative des Handelsvertreters erfolgt ist.
Das kommentierte Urteil stellt klar, ob ein Ausgleichsanspruch zu zahlen ist, wenn der Handelsvertreter den Abschluss eines neuen Vertrages nach Ablauf des vorherigen ablehnt.
Die traditionelle Antwort: keine Entschädigung für den Handelsvertreter bei Verweigerung der Vertragsverlängerung
Im vorliegenden Fall hatte eine Gesellschaft mehrere aufeinanderfolgende befristete Handelsvertreterverträge mit einer anderen Gesellschaft abgeschlossen. Nach Ablauf der zwei letzten Verträge hat die Mandantin dem Handelsvertreter mitgeteilt, dass die Verträge nicht verlängert werden und hat Verhandlungen zum Abschluss eines neuen Vertrages geführt. Die Verhandlungen sind gescheitert und der Mandant hat Schadenersatz verlangt mit der Begründung, die Weigerung des Handelsvertreters den neuen Vertrag abzuschließen sei ungerechtfertigt. Gleichzeitig verlangt der Handelsvertreter einen Ausgleich für die Beendigung des Vertrages.
Das Berufungsgericht hat beide Anträge zurückgewiesen, die Schadenersatzforderung der Mandantin sowie der Antrag auf Ausgleichszahlung des Handelsvertreters. Die Zurückweisung des Antrags auf Ausgleichszahlung beruht auf der Tatsache, dass der Handelsvertreter den Abschluss eines neuen Vertrages mit der Mandantin abgelehnt hat. Durch diese Weigerung ist der Handelsvertreter der Initiator für die Beendigung der vertraglichen Verhältnisse mit der Mandantin. Aus diesem Grund hat der Handelsvertreter keinen Ausgleichsanspruch.
Diese Entscheidung stimmt mit der Auffassung des Berufungsgerichts von Rennes in einer Entscheidung von 09.04.2013 überein, die wir in einem anderen Artikel kommentiert haben.
Die Ablehnung der Vertragsverlängerung beraubt den Handelsvertreter nicht mehr seines Ausgleichsanspruches
Der französische Kassationshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Schadenersatzforderung der Mandantin bestätigt, hebt aber die Entscheidung bezüglich der Ablehnung des Ausgleichanspruchs von Seiten des Handelsvertreters auf.
In der Tat stellt die Weigerung, den Handelsvertretervertrag zu verlängern, keine Vertragsbeendigung auf Initiative des Handelsvertreters dar. Die Vertragsverlängerung wird vom Mandanten beabsichtigt, der neue Vertragsbedingungen bei Ablauf des alten Vertrages vorschlägt. Der Mandant kann bei dieser Gelegenheit seinem Handelsvertreter neue Bedingungen vorschlagen, die weniger vorteilhaft für ihn sind, was in im vorliegenden Fall wohl geschehen ist. Wenn die Vertragsverlängerung abgelehnt wird, verliert der Handelsvertreter gemäß der zuvor erwähnten Entscheidung des Berufungsgerichts von Rennes seinen Ausgleichsanspruch. Somit wird der Handelsvertreter praktisch seiner Entscheidungsfreiheit über die Verlängerung des Handelsvertretervertrages beraubt.
Die Entscheidung des Kassationshofes ist im Sinne des eigentlichen Zweckes des Ausgleichsanspruchs: der Ersatz des vom Handelsvertreter erlittenen Schadens, wenn der Vertragspartner den Handelsvertretervertrag kündigt. Der Handelsvertreter verliert wie gehabt seinen Ausgleichsanspruch, wenn die Beendigung des Handelsvertretervertrages auf seine Initiative hin erfolgt, jedoch nur, wenn er tatsächlich die Beendigung des Vertrages initiiert hat.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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