Die Abwesenheit des Arbeitnehmers als Urlaubsgewährung?
11.05.21

Jeder Arbeitnehmer hat nach deutschem Arbeitsrecht einen jährlichen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Damit die Urlaubstage als solche betrachtet werden können, muss der Arbeitgeber einige Erfordernisse einhalten. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Gewährung von Urlaub in einem Urteil vom 30.10.2020 (LAG Berlin-Brandenburg, 12. Kammer – 12 Sa 602/20) erläutert.
Abwesenheit von der Arbeit als Urlaub betrachtet
Der konkrete Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt, ist der folgende: Laut seinem Arbeitsvertrag stehen einem Bauleiter 26 Urlaubstage pro Jahr zu. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitnehmer zum 31. Juli 2018 gekündigt und dieser macht vor Gericht eine Zahlung von 5.904,88 EUR geltend, da er nicht vollständig in den Genuss von seinen Urlaubstagen der letzten Jahre gekommen sei.
Sein ehemaliger Arbeitgeber weigert sich, diese Summe zu zahlen, da die Urlaubstage vom Mitarbeiter bereits genommen worden seien. Der Arbeitgeber erklärt, dass der Bauleiter vor seinem Einsatz in München ein Zeitfenster von zwei Wochen bekommen hat, in dem er auf keiner anderen Baustelle eingesetzt werden konnte. Nach seinem Einsatz in München sind wiederum mehrere Wochen vergangen, bevor er auf einer Baustelle in Darmstadt tätig geworden ist. Während dieser Wochen, die als Übergangszeiten zu bezeichnen sind, muss der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit und kann daheimbleiben. Es bestand eine Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitarbeiter, dass diese Übergangszeiten (Abwesenheitszeiten) mit dem Urlaubsanspruch zu verrechnen sind.
Die unwiderrufliche Freistellung vor Urlaubsbeginn
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entscheidet, dass die Kriterien für die Gewährung von Urlaub nur unter bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind:
- Eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers muss abgegeben werden;
- Diese muss einen bestimmten und unwiderruflichen Zeitpunkt festlegen;
- Außerdem muss sie vor Urlaubsbeginn erfolgen.
Hält der Arbeitgeber diese Bedingungen nicht ein, weiß der Arbeitnehmer nicht, ob seine Urlaubzeit frühzeitig beenden wird, da er wieder Aufgaben bekommt. Es handelt sich nicht eine Urlaubsgewährung, wenn der Arbeitnehmer nicht erkennen kann für welchen Zeitraum er freigestellt worden ist oder wenn er unter dem Vorbehalt des Wiederrufs der Befreiung freigestellt wird. Laut dem Gericht ist es im Sachverhalt nicht ersichtlich wann die Freistellungserklärung abgegeben worden ist und ob einen festen und unwiderruflichen Zeitraum von vornherein festgelegt worden ist. Deswegen kann der Zeitraum nicht als Erholungsurlaub erklärt werden.
Die Einigung über die Verrechnung arbeitsfreier Zeiten mit dem Urlaubsanspruch
Außerdem erklärt das Gericht, dass eine Einigung über die Verrechnung arbeitsfreier Zeiten mit dem Urlaubsanspruch nichtig ist, da sie für den Mitarbeiter ungünstig ist. Eine Abweichung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs kann nicht zuungunsten des Mitarbeiters erfolgen. Handelt es sich im Gegenteil um einzelvertraglich vereinbarten Mehrurlaubsansprüche, ist eine solche Vereinbarung möglich.
Im Sachverhalt entscheidet das Gericht, dass eine Einigung für die einzelvertraglichen vereinbarten Mehrurlaubsansprüche nicht bewiesen ist und dass eine solche Vereinbarung für den gesetzlichen Urlaubsanspruch eh nichtig gewesen wäre.
Diese Entscheidung ist begrüßenswert, da der Arbeitnehmer seine freie Zeit planen können muss. Außerdem ist es für ihn wichtig zu wissen, dass die erlaubte Zeit unwiderruflich ist, damit er sich tatsächlich im Urlaub fühlt. Denken Sie daran, ordnungsgemäß Urlaubanspruch zu gewähren und vor allem Beweise dieser Gewährung beizubehalten. Lassen Sie sich unterstützen damit Ihre Mitarbeiter die richtige Anzahl an Erholungsurlaub, die vom Gesetz oder Tarifvertrag vorgesehen ist, eingeräumt wird.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bild: magneticmcc