Der Urlaubsanspruch in Frankreich
01.07.16

Der Urlaubsanspruch in Frankreich: Bezugszeitraum
Nach französischem Arbeitsrecht hat jeder Arbeitnehmer im Einklang mit dem Europarecht einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Arbeitgeber hat dementsprechend die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitnehmer für die Zeit des Urlaubs von der Arbeit freizustellen.
Die französische Urlaubsregelung unterscheidet sich sehr von den deutschen Regeln. Die Berechnung des Urlaubs erfolgt nicht innerhalb eines Kalenderjahres, sondern eines Bezugszeitraums. Dieser Bezugszeitraum bildet der Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer gearbeitet hat, um seinen Anspruch auf Urlaub zu erwerben. Er fällt zeitlich nicht mit dem Kalenderjahr zusammen. Die französische Regelung hat diesen Bezugszeitraum im französischen Arbeitsgesetzbuch vorgesehen. Er liegt zwischen dem 1.06 des vergangenen Kalenderjahres und dem 31.05 des laufenden Kalenderjahres und wird zur Berechnung des Urlaubs genutzt. Tarifverträge können allerdings eine andere Bezugsperiode bestimmen.
Der Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer konkret seinen Urlaub nehmen darf, ist ein anderer als der Bezugszeitraum, in dem er diesen Urlaub erworben hat. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, den Zeitrahmen des Urlaubs festzulegen. Dieser Zeitrahmen muss jedoch die Zeitperiode vom 1.05. bis zum 31.10. enthalten.
Wie viele Tage Urlaub stehen dem französischen Arbeitnehmer zu?
Jeder Arbeitnehmer in Frankreich hat einen Anspruch auf 2,5 bezahlte Urlaubstage pro Monat. Die gesetzliche Mindestdauer des Urlaubs beträgt 30 Werktage. Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Die Berechnung der Urlaubstage darf allerdings auch unter Einbeziehung der Samstage erfolgen, so dass der monatliche Urlaubsanspruch auf 3 Tage festzulegen ist. Der gesetzliche Mindesturlaub von 30 Werktagen entspricht daher in Wochen umgerechnet einem Urlaub von fünf Wochen.
Für Arbeitnehmer, die weniger als sechs Tage in der Woche arbeiten, ist die Berechnung im Verhältnis zu der Anzahl der Arbeitstage in der Woche, d.h. im Rahmen einer 5-Tage-Woche, durchzuführen. Es entsteht somit ein Urlaubsanspruch von 25 Tagen im Jahr .
Berechnung des Anspruchs auf Urlaubstage
Ist der Arbeitnehmer z.B. abwesend, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, den Urlaubsanspruch wie folgt auszurechnen: Die Berechnung erfolgt nach Wahl des Arbeitgebers im Verhältnis zum Arbeitsmonat, zur Arbeitswoche oder auch zu den Arbeitstagen. Insgesamt werden dem Arbeitnehmer 2,5 Tage Urlaub pro Monat gewährt.
Die französische Regelung sieht vor, dass die Arbeitnehmer bei einem neuen Arbeitgeber den „vollen“ Urlaubsanspruch unverzüglich erwerben, d.h. ohne Wartezeit.
Der Arbeitgeber hat einen Vergleich dieser Methoden durchzuführen, damit die für den Arbeitnehmer vorteilhaftere Berechnungsart angewendet werden kann.
Wann steht dem Arbeitnehmer in Frankreich Urlaub zu?
Die Festlegung bzw. Gewährung des Urlaubs erfolgt ausschließlich durch den Arbeitgeber im Rahmen der Ausübung seines Direktionsrechts und nicht etwa durch den Arbeitnehmer, wobei die Personalvertreter in gewissen Fällen anzuhören sind.
Obwohl meistens der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen Antrag auf Urlaub aus eigener Initiative stellt, hat der Arbeitgeber das letzte Wort. Die französische arbeitsrechtliche Regelung unterscheidet sich insofern vom deutschen Arbeitsrecht, wonach der Arbeitgeber die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers vorrangig gegenüber den betrieblichen Interessen zu berücksichtigen hat.
Es gilt allerdings ein gesetzlicher zeitlicher Rahmen für den Urlaub, der sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer zu beachten ist: Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, einen Teil ihres Urlaubs zwischen dem 01.05 und dem 31.10 des Jahres in Anspruch zu nehmen. Dabei müssen mindestens 12 Urlaubstage hintereinander genommen werden, damit der Arbeitnehmer sich effizient erholen kann. Dauert der Urlaub länger als 12 Tage, darf der Arbeitgeber den Urlaub des Arbeitnehmers auf verschiedene Zeiträume verteilen, allerdings mit Zustimmung des Arbeitnehmers bei Urlaubsantrag in der Zeit zwischen dem 01.05 und dem 31.10. Die Höchstdauer des Urlaubs zwischen dem 01.05 und dem 31.10 beträgt 24 Urlaubstage. Der Arbeitgeber darf grundsätzlich immer einen längeren Urlaub als 24 Tage gewähren.
Die Übertragung des Urlaubs auf die Folgejahre („Übertragungszeitraum“) ist nur im Rahmen von strengen gesetzlichen Bestimmungen zulässig. Diese Übertragung des Urlaubs ist nur ausnahmsweise möglich wie z.B. für die leitenden Angestellten, die eine jährliche Tagespauschale abgeschlossen haben.
Zum Beispiel können die Arbeitnehmer in einem Unternehmen für die Bezugsperiode vom 1.06.15 bis zum 31.05.16 Urlaub zwischen dem 1.05.16 und dem 31.12.16 nehmen.
Wird der Urlaub weder in der Bezugsperiode noch im Übertragungszeitraum gewährt oder genommen, verfällt der Urlaubsanspruch.
Wann hat der Arbeitnehmer in Frankreich seinen Urlaub zu nehmen?
Tarifverträge oder Betriebsübungen können Regelungen vorschreiben. In Ermangelung einer solchen Regelung ist der Arbeitgeber nach Anhörung der Arbeitnehmervertretung verpflichtet, die Reihenfolge der Urlaubsantritte zu bestimmen. Der Familienstand der Arbeitnehmer kommt dabei auch in Betracht, z.B. muss berücksichtigt werden, ob ein Arbeitnehmer Kinder hat, oder, wenn Ehepartner im selben Unternehmen arbeiten, dass diese ihren Urlaub gleichzeitig nehmen dürfen.
Es obliegt dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer von der Reihenfolge und dem Datum der Urlaubsantritte durch das Informationsbrett des Unternehmens zu unterrichten.
Wie hoch ist das Urlaubsentgelt in Frankreich?
Die französische Regelung sieht in Bezug auf das Urlaubsentgelt zwei Entgeltsberechnungsmethoden vor. Zum einen existiert die Faustregel des Zehntels. Nach dieser Regel bekommt der Arbeitnehmer eine Vergütung in Höhe von einem Zehntel des im Bezugszeitraum erhaltenen Verdienstes. Die Brutto-Bezugsvergütung enthält das Grundgehalt und die Lohnnebenleistungen. Zum anderen gibt es die Möglichkeit der Lohnfortzahlung.
Der Arbeitgeber hat einen Vergleich dieser zwei Methoden durchzuführen, damit die für den Arbeitnehmer vorteilhaftere Berechnungsart angewendet werden kann.
Welche Ansprüche hat der französische Arbeitnehmer bei Erkrankung während des Urlaubs?
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Der Ansicht des französischen Kassationshofs nach hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auszahlung vom Urlaubsentgelt und vom Krankentagegeld der Krankenkasse.
Die französischen Regelungen des Arbeitsrechts zum Thema Urlaub sind komplexer geregelt als in Deutschland, obwohl beide Rechtsordnungen die gleichen Grundprinzipien des Europarechts zu beachten haben. Eine Reform des französischen Arbeitsrechts in diesem Bereich wurde mehrmals angesprochen. Ob sie aber durchgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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