Arbeitsrecht in Frankreich

Veröffentlicht am 08.02.24
Französisches Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch: Code du Travail
Französisches Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch: Code du Travail
Französisches Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch: Code du Travail

Das französische Arbeitsrecht gewährt dem Arbeitnehmer einen noch höheren Schutz als das deutsche Recht. Der Sozialgedanke der Richter wird weniger als in Deutschland durch sonstige Belange des Wirtschaftslebens ausgeglichen. Wir bieten hiernach einen Überblick der wesentlichen Unterschieden zum deutschen Recht.

Der Arbeitsvertrag

Beim Abschluss eines Arbeitsvertrages in Frankreich, sind die Besonderheiten des französischen Rechts zu beachten, unabhängig davon, ob der in Frankreich tätige Arbeitnehmer Franzose ist:

  1. grundsätzlich muss der Typ des Arbeitsvertrages bestimmt werden: unbefristet/befristet, Vollzeit/Teilzeit oder nicht usw. Vom Typ des Arbeitsvertrages hängt ab, ob der Arbeitsvertrags schriftlich geschlossen werden muss.
  2. es gelten zwingend die französischen unabdingbaren Schutzvorschriften (ordre public), wie z.B. die Vorschriften über die Arbeitszeit oder den Kündigungsschutz zugunsten des französischen Arbeitnehmers.
franzoesischer tarifvertrag arbeitsvertrag

Grundsätzlich liegt ein Arbeitsvertrag vor, wenn ein rechtliches Unterordnungsverhältnis besteht. Damit der Arbeitnehmer den gesetzlichen Schutz, den er genießt, in Anspruch nehmen kann, hat der Richter die Befugnis, einen Vertrag in einen Arbeitsvertrag umzudeuten, wenn er ein Unterordnungsverhältnis feststellt (Cour de Cassation, Assemblée plénière, 4. März 1996).

Der Inhalt des französischen Arbeitsvertrages wird stark durch die jeweiligen, auf die Branche des Arbeitgebers anwendbaren, Tarifverträge beeinflusst. Es ist daher unmöglich, einen Arbeitsvertrag aus einer anderen Branche zu übernehmen, wie man es in Deutschland tun kann.

Die Probezeit wird z.B. in der Regel vom Tarifvertrag bestimmt. Entgegen der Möglichkeit, die das deutsche Recht vorsieht ist eine zwischen den Vertragsparteien frei vereinbarte Frist zur Kündigung nicht zulässig.

Die Tarifverträge befassen sich auch mit der Wettbewerbsverbotsklausel, so dass der Arbeitsvertrag diese Bestimmungen berücksichtigen muss.

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in Frankreich ergibt sich in vielen Fällen aus dem Gesetz (30 Werktage), teilweise jedoch auch aus dem Tarifvertrag.

Die Regelung der Arbeitszeit im französischen Arbeitsvertrag muss auch immer sehr sorgfältig ausgearbeitet werden. Im Zweifel gilt immer die gesetzliche Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche.

Es ist daher für die Sicherheit des Arbeitgebers notwendig, einen deutsch-französischen Rechtsanwalt mit der Erstellung des Arbeitsvertrages zu beauftragen, der über die Besonderheiten des französischen Rechts beraten kann.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Veschiedene Arten der Beendigung

  1. Kündigung durch den Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der tariflichen Kündigungsfristen. Der Arbeitgeber muss die Kündigung durch den Arbeitnehmer sorgfältig prüfen, weil diese unter Umständen in eine arbeitgeberseitige, unbegründete Kündigung umgedeutet werden könnte. Die Entscheidung einer Kündigung wegen Renteneintritts wird in Frankreich in der Regel vom Arbeitnehmer getroffen, wenn er das gesetzliche Mindestalter erreicht bzw. genügend eingezahlt hat;
  2. Kündigung durch den Arbeitgeber ausbetriebsbedingtem, personen- bzw. verhaltensbedingtem Grund sowie wegen Renteneintritts mit der Zustimmung des Arbeitnehmers, wobei die Anforderungen an den Arbeitgeber generell viel höher als im deutschen Recht sind und im Regelfall eine Kündigungsentschädigung vorgeschrieben ist.
    • Was die möglichen Gründe für eine Kündigung betrifft, so gibt es die Entlassung aus persönlichen Gründen und die Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen. Sie muss immer dem Erfordernis eines tatsächlichen und ernsthaften Grundes entsprechen.
    • Die Kündigung aus persönlichen Gründen umfasst rein persönliche Gründe (Krankheit, Inkompetenz, Privatleben …) und disziplinarische Gründe (bei Fehlverhalten des Arbeitnehmers).
    • Die betriebsbedingte Kündigung ist auch schwieriger zu begründen als in Deutschland. Die Entlassung muss aufgrund eines Arbeitsplatzabbaus erfolgen. Dieser Arbeitsplatzabbau muss auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen sein (erhebliche und dauerhafte wirtschaftliche Schwierigkeiten, technologischer Wandel, für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit notwendige Reorganisation, Betriebsbeendigung).
    • Das Kündigungsverfahren ist in Frankreich sehr formell und kompliziert. Es fängt schon mit dem Kündigungsschreiben an.
  3. Abschluss eines Aufhebungsvertrages (rupture conventionnelle). Die Angabe von Gründen ist nicht notwendig. Da der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung in Frankreich strengen Formerfordernissen unterliegt und außerdem im Regelfall eine Abfindung zu zahlen ist, ist er keinesfalls wie im deutschen Arbeitsrecht zu verfassen.

Hohe Anforderungen an Form und Grund der Kündigung

Das französische Recht stellt generell wesentlich höhere Anforderungen an Form und Grund der Kündigung als das deutsche Recht:

Damit die Kündigung aus persönlichen Gründen ordnungsgemäß ist, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einem Vorgespräch (entretien préalable) einladen und ihn dann ein Kündigungsschreiben zustellen, wobei die genauen Gründe für die Kündigung anzugeben sind (Cour de Cassation, Assemblée plénière, 27. November 1998). Wenn diese Formalitäten nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, ist die Kündigung formell irregulär (jedoch rechtswirksam). Dem Arbeitnehmer steht allerdings eine Entschädigung zu.

Für das Verfahren einer Kündigung aus betrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber zunächst den Sozial- und Wirtschaftsausschuss informieren und konsultieren. Danach muss er die zu streichenden Stellen festlegen und alle Anstrengungen zur Ausbildung und Anpassung unternehmen, um den Arbeitnehmer neu einzustellen. Nach Erfüllung dieser Anforderungen kann der Arbeitnehmer über seine Entlassung informiert werden.

Der Kündigungsschutz

Es gilt im französischen Recht ein Kündigungsschutz zugunsten aller Arbeitnehmer, der nicht wie im deutschen Kündigungsschutzgesetz ab einer gewissen Arbeitnehmeranzahl im Betrieb gilt.

Der Vorteil des französischen Arbeitsrechts liegt in vielen Kündigungsfällen darin, dass die Kündigung wirksam bleibt und der Arbeitsvertrag nicht als fortgeführt gilt. Dies löst allerdings eine erhöhte Entschädigung aus. Als Ausnahme zu dieser Grundregel kann z.B. die Kündigung eines Arbeitnehmervertreters genannt werden. Die unzulässige Kündigung löst allerdings eine erhöhte Entschädigung (nach der sog. Macron-Tabelle) aus. Die Macron-Verordnung vom 23.09.2017 sieht verbindliche Ober- und Untergrenzen für Entschädigungen vor, welche je nach Arbeitnehmeranzahl im Unternehmen und Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers gestaffelt sind.

Massenentlassung

Betriebsbedingte Kündigungen von 2 bis 9 Arbeitnehmern über einen Zeitraum von maximal 30 Tagen sind als Massenentlassungen anzusehen, und zwar unabhängig von der Größe des Unternehmens. Wie im deutschen Recht bestehen in Frankreich besondere Bestimmungen für bestimmte Entlassungen, und zwar:

  • Beachtung der Sozialauswahl,
  • Erstellen eines Sozialplans mit Interessenausgleich,
  • Anhörung der Arbeitnehmervertreter,
  • Information der Behörde unter Beachtung bestimmter Fristen,
  • usw.
  • Kollektive Aufhebungsvereinbarungen (rupture conventionelle collective):

Es handelt sich um ein Verfahren, wonach das freiwillige Ausscheiden von mehreren Mitarbeitern nach Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gemäß gemeinsamer Aufhebungsvereinbarung vereinbart werden kann. Unternehmen dürfen, unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl und ihrer wirtschaftlichen Situation, mehrere Arbeitsstellen ohne Kündigungen streichen.

Arbeitnehmervertretung

Je nach Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb, bestehen Verpflichtungen für den Arbeitgeber bezüglich der Vertretung der Arbeitnehmer.

Ab elf Arbeitnehmern ist eine Arbeitnehmervertretung im französischen Betriebsrat (Comité social et économique) gesetzlich vorgeschrieben. Die Arbeitnehmervertretung kann je nach Größe der Belegschaft verschiedene Formen annehmen:

  1. Bei 11 bis zu 49 Arbeitnehmern: Bearbeitung der individuellen oder kollektiven Beschwerden;
  2. Ab 50 Arbeitnehmer sind die Aufgaben des Betriebsrates umfangreicher. Z.B. wird er vor wichtigen Entscheidungen, die aEinfluss auf die Belegschaft haben, angehört.

Ab fünfzig Arbeitnehmern im Unternehmen ist außerdem eine Betriebsordnung (règlement intérieur) gesetzlich vorgeschrieben. Der Arbeitgeber hat in dieser Betriebsordnung Regeln zur Hygiene, Sicherheit und Disziplin im Unternehmen aufzusetzen. Dabei gelten Schranken und Kontrollmöglichkeiten für den französischen Staat.

Die Nichtbeachtung der Bestimmungen des französischen Rechts bezüglich der Arbeitnehmervertretung wird meistens strafrechtlich verfolgt.

Mit der Arbeitnehmervertretung im Unternehmen können Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden. Diese Vereinbarungen ermöglichen in manchen Bereichen die Individualisierung der Regeln für das Unternehmen.

Im Falle eines Unternehmensverkaufs gilt im französischen Recht eine Besonderheit: Unabhängig von der Anzahl der Arbeitnehmer und des Bestehens von Vertretungsorganen im Unternehmen, ist der Arbeitgeber, der den Verkauf seines Unternehmens beabsichtigt, verpflichtet, seine Arbeitnehmer darüber zu informieren. Somit haben die Arbeitnehmer die Möglichkeit, ein Angebot für den Kauf des Unternehmens zu unterbreiten.

Die Arbeitszeit : die 35-Stunden-Woche

Arbeitszeit in Frankreich: Einführung

In Frankreich darf im Prinzip jeder Arbeitnehmer nur 35 Stunden pro Woche arbeiten. Diese Regelung gilt für alle Arbeitnehmer in Frankreich, außer für Arbeitnehmer mit besonderen Arbeitsbedingungen, bzw. leitende Angestellte oder Arbeitnehmer in besonderen Berufen. Die 35-Stunden-Woche dient nämlich als Referenz zur Berechnung von Überstunden. Im Einklang mit dem Europarecht darf ein Arbeitnehmer in Frankreich nur maximal 10 Stunden pro Tag, bzw. 48 Stunden pro Woche arbeiten. Ein Wochendurchschnitt von 44 Stunden über einen Zeitraum von 12 Wochen darf dabei nicht überschritten werden.

Jeder Arbeitnehmer darf maximal 220 Überstunden arbeiten, wobei abweichende tarifliche Bestimmungen gelten können. Die Festsetzung und Entlohnung dieser Überstunden kann auch durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Wenn nichts Anderes vorgesehen ist, gelten die französischen gesetzlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit Tarifverträgen bezüglich der Überstunden: 25 % Zuschlag für jede der acht ersten Überstunden (von der 36. bis zur 43. Stunde), und 50 % ab der 43. Stunde.

Das El Khomri-Gesetz (oder auch „Gesetz über de Arbeit“ genannt) vom 08.08.2016 eröffnet neue Möglichkeiten für Arbeitgeber, um auf der Ebene des Unternehmens eine abweichende Arbeitszeitregelung in einer Betriebsvereinbarung einzuführen. Die tägliche Arbeitszeit könnte z.B. auf 12 Stunden erhöht werden. Die maximale wöchentliche Arbeitsdauer kann höchstens auf 46 Stunden über einen Zeitraum von 12 aufeinanderfolgenden Wochen festgelegt werden. Gemäß diesem neuen Gesetz darf der Zufschlag für Überstunden auf Ebene des Unternehmens geringer als im Tarifvertrag sein, aber nie weniger als 10% betragen.

Die Entsendung nach Frankreich

Während der Entsendung eines deutschen Arbeitnehmers nach Frankreich bleibt sein Arbeitsvertrag zwar weiterhin gültig, doch müssen einige Bestimmungen des französischen Arbeitsrechts beachtet werden. Hierzu zählen beispielsweise Regelungen zur Arbeitszeit, zum Jahresurlaub, zum Mindestlohn und zu vielen weiteren Aspekten. Daher ist eine Beratung im Bereich des französischen Arbeitsrechts nicht nur ratsam, sondern unerlässlich.

Das französische Arbeitsrecht und die hohen Prozessrisiken

Der französische Arbeitnehmer kann innerhalb von einem Jahr nach Kündigung gegen seinen Arbeitgeber, ungeachtet der Unternehmensgröße, vor dem Arbeitsgericht (Conseil de Prud’Hommes) klagen. Diese Verjährungsfrist gilt nicht für sämtliche Ansprüche des Arbeitnehmers aus der ehemaligen Beschäftigung. Sie ist aber auf alle Fälle wesentlich günstiger für den französischen Arbeitnehmer als nach deutschem Arbeitsrecht.

Bisher wurden im Gütetermin selten gerichtliche Vergleiche geschlossen, wie man sie in Deutschland kennt. Das „Macron-Gesetz“ hat zwar am 06.08.2015 eine Reform des Gerichtsverfahrens vor dem französischen Arbeitsgericht eingeführt, wonach die Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefördert wird. Aber die Prozessparteien sind nach wie vor geneigt, eine vernehmliche Lösung außerhalb des Gerichtssaals zu suchen.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

* Pflichtangabe

Sie haben eine rechtliche Frage und brauchen einen Rechtsanwalt ?