Arbeitsrecht in Frankreich

09.03.23
Französisches Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch: Code du Travail
Französisches Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch: Code du Travail
Französisches Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch: Code du Travail

Das französische Arbeitsrecht gewährt dem Arbeitnehmer einen noch höheren Schutz als das deutsche Recht. Der Sozialgedanke der Richter wird weniger als in Deutschland durch sonstige Belange des Wirtschaftslebens ausgeglichen. Wir bieten hiernach einen Überblick der wesentlichen Unterschieden zum deutschen Recht.

Der Arbeitsvertrag

Beim Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem in Frankreich tätigen Mitarbeiter, sei er Franzose oder nicht, sind die Besonderheiten des französischen Rechts zu beachten:

  1. grundsätzlich muss der Typ des Arbeitsvertrages bestimmt werden: unbefristet/befristet, mit Vollzeit oder nicht usw. Daraus ergibt sich die Pflicht oder nicht, einen schriftlichen Vertrag zu haben oder nicht.
  2. es gelten zwingend die französischen unabdingbaren Schutzvorschriften (ordre public), wie z.B. die Vorschriften über die Arbeitszeit oder den Kündigungsschutz zugunsten des französischen Arbeitnehmers.
franzoesischer tarifvertrag arbeitsvertrag

Der Inhalt des französischen Arbeitsvertrages wird stark durch die jeweiligen, auf die Branche des Arbeitgebers anwendbaren, Tarifverträge beeinflusst. Es ist daher unmöglich, einen Arbeitsvertrag aus einer anderen Branche zu übernehmen, wie ma es in Deutschland tun kann.

Die Probezeit wird z.B. in der Regel vom Tarifvertrag bestimmt. Entgegen der Möglichkeit, die das deutsche Recht vorsieht ist eine zwischen den Vertragsparteien frei vereinbarte Frist zur Kündigung nicht zulässig.

Die Tarifverträge befassen sich auch mit der Wettbewerbsverbotsklausel, so dass der Arbeitsvertrag diese Bestimmungen berücksichtigen muss.

Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in Frankreich ergibt sich in vielen Fallen aus dem Gesetz (30 Werktage), teilweise jedoch auch aus dem Tarifvertrag.

Die Regelung der Arbeitszeit im französischen Arbeitsvertrag muss auch immer sehr sorgfältig ausgearbeitet werden. Im Zweifel gilt immer die gesetzliche Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche.

Es ist daher für die Sicherheit des Arbeitgebers notwendig, einen deutsch-französischen Rechtsanwalt mit der Verfassung des Arbeitsvertrages zu beauftragen, der über die Besonderheiten des französischen Rechts beraten kann.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Beendigung des Arbeitsvertrages ist nach französischem Recht im Wesentlichen wie folgt möglich:

  1. Kündigung durch den Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der tariflichen Kündigungsfristen. Der Arbeitgeber muss die Kündigung durch den Arbeitnehmer sorgfältig prüfen, weil diese unter Umständen als arbeitgeberseitige, unbegründete Kündigung umqualifiziert werden könnte. Die Entscheidung einer Kündigung wegen Renteneintritt wird in Frankreich in der Regel vom Arbeitnehmer getroffen, wenn er das gesetzliche Mindestalter erreicht hat bzw. genügend eingezahlt hat;
  2. Kündigung durch den Arbeitgeber ausbetriebsbedingtem, personen- bzw. verhaltensbedingtem Grund sowie wegen Renteneintritts mit der Zustimmung des Arbeitnehmers, wobei die Anforderungen an den Arbeitgeber generell viel höher als im deutschen Recht sind und im Regelfall eine Kündigungsentschädigung vorgeschrieben ist. Das Kündigungsverfahren ist in Frankreich sehr formell und kompliziert. Es fängt schon mit dem Kündigungsschreiben an. Es besteht unter Anderem die Möglichkeit der Beendigung von mehreren Arbeitsverträgen zur gleichen Zeit: Die Massenentlassung, die unten näher beschrieben wird;
  3. Abschluss eines Aufhebungsvertrages (rupture conventionnelle). Die Angabe von Gründen ist nicht notwendig. Da der Abschluss eines solchen Vertrages strengen Formerfordernissen unterliegt und außerdem im Regelfall eine Abfindung zu zahlen ist, ist er keinesfalls wie im deutschen Arbeitsrecht zu verfassen.

Das französische Recht stellt generell wesentlich höhere Anforderungen an Form und Grund der Kündigung als das deutsche Recht. Wird z.B. kein Vorgespräch (entretien préalable) mit normierter Ladung geführt, ist die Kündigung formell irregulär (jedoch rechtswirksam). Dem Arbeitnehmer steht allerdings eine Entschädigung zu. Die betriebsbedingte Kündigung ist auch schwerer zu begründen als in Deutschland. Der Gesetzgeber hat sich allerdings seit dem Jahre 2016 bemüht, eine genauere Definition des Grundes mit der Reform des El-Khomri-Gesetzes festzulegen und den Geltungsbereich der wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit den Verordnungen Macron vom 23.09.2017 im Rahmen der großen Arbeitsmarktform von 2017 auf Frankreich zu beschränken (und nicht mehr auf die gesamte Unternehmensgruppe auszudehnen). Es gilt dabei im französischen Recht ein Kündigungsschutz zugunsten aller Arbeitnehmer, der nicht wie im deutschen Kündigungsschutzgesetz ab einer gewissen Mitarbeiteranzahl im Betrieb gilt.

Der Vorteil des französischen Arbeitsrechts liegt in vielen Kündigungsfällen darin, dass die Kündigung wirksam bleibt und der Arbeitsvertrag nicht als fortgeführt gilt. Dies löst allerdings eine erhöhte Entschädigung aus. Als Ausnahme zu dieser Grundregel kann z.B. die Kündigung eines Arbeitnehmervertreters genannt werden. Die unzulässige Kündigung löst allerdings eine erhöhte Entschädigung (nach der sog. Macron-Tabelle) aus. Die Verordnung Macron vom 23.09.2017 sieht verbindliche Ober- und Untergrenzen für Entschädigungen vor, welche je nach Arbeitnehmeranzahl im Unternehmen und Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers gestaffelt sind.

Massenentlassung

Betriebsbedingte Kündigungen von 2 bis 9 Arbeitnehmern über einen Zeitraum von maximal 30 Tagen sind als Massenentlassungen anzusehen, und zwar unabhängig von der Größe des Unternehmens. Wie im deutschen Recht bestehen in Frankreich besondere Bestimmungen für bestimmte Entlassungen, und zwar:

  • Beachtung der Sozialauswahl,
  • Erstellen eines Sozialplans mit Interessenausgleich,
  • Anhörung der Arbeitnehmervertreter,
  • Information der Behörde unter Beachtung bestimmter Fristen,
  • usw.
  • Kollektive Aufhebungsvereinbarungen (rupture conventionelle collective):

Es handelt sich um ein Verfahren, wonach das freiwillige Ausscheiden von mehreren Mitarbeitern nach Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gemäß gemeinsamer Aufhebungsvereinbarung vereinbart werden kann. Unternehmen dürfen, unabhängig von ihrer Mitarbeiterzahl und ihrer wirtschaftlichen Situation, mehrere Arbeitsstellen ohne Kündigungen streichen.

Arbeitnehmervertretung

Je nach Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb, bestehen Verpflichtungen für den Arbeitgeber bezüglich der Vertretung der Arbeitnehmer.

Ab elf Arbeitnehmer ist eine Personalvertretung im französischen Betriebsrat (Comité social et économique) gesetzlich vorgeschrieben. Die Personalvertretung kann je nach Größe der Belegschaft verschiedene Formen annehmen:

  1. Bei 11 bis zu 49 Arbeitnehmern: Bearbeitung der individuellen oder kollektiven Beschwerden;
  2. Ab 50 Arbeitnehmer sind die Aufgaben des Betriebsrates umfangreicher. Z.B. wird er vor wichtigen Entscheidungen, die auf einen Einfluss auf die Belegschaft haben, angehört.

Ab fünfzig Arbeitnehmern im Unternehmen ist aussderdem eine Betriebsordnung (règlement intérieur) gesetzlich vorgeschrieben. Der Arbeitgeber hat in dieser Betriebsordnung Regeln zur Hygiene, Sicherheit und Disziplin im Unternehmen aufzusetzen. Dabei gelten Schranken und Kontrollmöglichkeiten für den französischen Staat.

Die Nichtbeachtung der Bestimmungen des französischen Rechts bezüglich der Arbeitnehmervertretung wird meistens strafrechtlich verfolgt.

Mit der Personalvertretung im Unternehmen können Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden. Diese Vereinbarungen ermöglichen in manchen Bereichen die Individualisierung der Regeln für das Unternehmen.

Im Falle eines Unternehmensverkaufs gilt im französischen Recht eine Besonderheit: Unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter und des Bestehens von Vertretungsorganen im Unternehmen, ist der Arbeitgeber, der den Verkauf seines Unternehmens beabsichtigt, verpflichtet, seine Arbeitnehmer darüber zu informieren. Somit haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, ein Angebot für den Kauf des Unternehmens zu unterbreiten.

Die Arbeitszeit im französischen Arbeitsrecht: die 35-Stunden-Woche

Arbeitszeit in Frankreich: Einführung

In Frankreich darf im Prinzip jeder Arbeitnehmer nur 35 Stunden pro Woche arbeiten. Diese Regelung gilt für alle Arbeitnehmer in Frankreich, außer für Arbeitnehmer mit besonderen Arbeitsbedingungen, bzw. leitende Angestellte oder Arbeitnehmer in besonderen Berufen. Die 35-Stunden-Woche dient nämlich als Referenz zur Berechnung von Überstunden. Im Einklang mit dem Europarecht darf ein Arbeitnehmer in Frankreich nur maximal 10 Stunden pro Tag, bzw. 48 Stunden pro Woche arbeiten. Ein Wochendurchschnitt von 44 Stunden über einen Zeitraum von 12 Wochen darf dabei nicht überschritten werden.

Jeder Arbeitnehmer darf maximal 220 Überstunden arbeiten, wobei abweichenden tarifliche Bestimmungen gelten können. Die Festsetzung und Entlohnung dieser Überstunden kann auch durch tarifliche Verträge oder Betriebsverordnungen geregelt werden. Wenn nichts Anderes vorgesehen ist, gilt die französische Gesetzgebung im Zusammenhang mit Tarifverträgen bezüglich der Überstunden: 25 % Zuschlag für jede der acht ersten Überstunden (von der 36. bis zur 43. Stunde), und 50 % ab der 43. Stunde.

Das El Khomri-Gesetz (oder Auch „Gesetz über de Arbeit“ genannt) vom 08.08.2016 eröffnet neue Möglichkeiten für Arbeitgeber, um auf der Ebene des Unternehmens eine abweichende Arbeitszeitregelung in einer Betriebsvereinbarung einzuführen. Die tägliche Arbeitszeit könnte z.B. auf 12 Stunden erhöht werden. Die maximale wöchentliche Arbeitsdauer kann höchstens auf 46 Stunden über einen Zeitraum von 12 aufeinanderfolgenden Wochen festgelegt werden. Gemäß diesem neuen Gesetz darf der Aufschlag für Überstunden auf Ebene des Unternehmens geringer als im Tarifvertrag sein, aber nie weniger als 10% betragen.

Das französische Arbeitsrecht und die hohen Prozessrisiken

Der französische Arbeitnehmer kann innerhalb von einem Jahr nach Kündigung gegen seinen Arbeitgeber, ungeachtet der Unternehmensgröße, vor dem Arbeitsgericht (Conseil de Prud’Hommes) klagen. Diese Verjährungsfrist gilt nicht für sämtliche Ansprüche des Arbeitnehmers aus der ehemaligen Beschäftigung. Sie ist aber auf alle Fälle wesentlich günstiger für den französischen Arbeitnehmer als nach deutschem Arbeitsrecht.

Bisher wurden im Gütetermin selten gerichctliche Vergleich geschlossen, wie ma sie in Deutschland kennt. Das „Macron-Gesetz“ hat zwar am 06.08.2015 eine Reform des Gerichtsverfahrens vor dem französischen Arbeitsgericht eingeführt, wonach die Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefördert wird. Aber die Prozessparteien sind Nach wie vor geneigt, eine vernehmliche Lösung ausserhalb des Gerichtssals zu suchen.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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