Abfindung bei Kündigung ohne Grund (Macron-Tabelle)
19.05.22

Bevor Emmanuel Macron Präsident der Französischen Republik wurde, war er Ursprung von mehreren Gesetzen und Verordnungen in seiner Eigenschaft als Minister. Eine dieser Verordnungen vom 22.09.2017 hat das französische Arbeitsrecht in diesem Sinne zum ersten Mal in Frankreich reformiert, dass Schadenersatz infolge einer Kündigung ohne Grund durch eine Tabelle geregelt wird. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Abfindungen nach der Macron-Tabelle berechnet werden.
Die Macron-Tabelle wird regelmäßig von Richtern in Frage gestellt. Am 11.05.2022 ergangenen Urteilen (Nr. 21-15.247 und Nr. 21-14.490) hat die Kammer für Sozialsachen des frz. BGH, dem Kassationshof, einen langen, zwischen mehreren Arbeits- und Berufungsgerichten geführten Kampf gegen die Abfindungsberechnungstabelle – auch bekannt unter dem Namen Macron-Tabelle – beendet. Der Widerstand der Gerichte hat jedoch noch nicht ganz aufgehört. Bei dieser Gelegenheit wird auf die bewegte Geschichte ihrer ersten Anwendungsjahre zurückgeblickt.
Der Grundsatz der Berechnungstabelle Macron für die Abfindung
Die sogenannte Macron-Tabelle ist in Artikel L.1235-3 des frz. Arbeitsgesetzbuches vorgesehen und legt die vom Arbeitgeber für eine Kündigung ohne Grund geschuldeten Abfindungen fest. Dieser Gesetzestext sieht in der Tat vor, dass „der Richter dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zulasten des Arbeitgebers gewährt, deren Betrag zwischen den in der untenstehenden Tabelle festgelegten Mindest- und Höchstbeträgen liegt.“
In Anwendung dieser Tabelle muss die Abfindung für eine Kündigung ohne Grund zwischen einer Ober- und Untergrenze liegen, und zwar je nach:
- Betriebszugehörigkeitsdauer des Arbeitnehmers im Unternehmen und
- Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen.
Diese Entschädigung wird vom Richter festgesetzt und vom Arbeitgeber gezahlt. In außergerichtlichen Vergleichen wird die Macron-Berechnungstabelle auch oft zur Bestimmung der freiwillig festgelegten Abfindung zugrunde gelegt, obwohl sie nicht zwingend gilt.
Die Tabelle harmonisiert die Entschädigung der Arbeitnehmer auf nationalem Gebiet und gibt den Arbeitgebern die Möglichkeit, die mit einer Kündigung verbundenen Kosten im Voraus zu planen.
Es gibt zwei Macron-Tabellen:
- eine für Unternehmen, die 11 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen und
- eine für Unternehmen, die weniger als 11 Arbeitnehmer beschäftigen.
Für Unternehmen mit 11 oder mehr Arbeitnehmern, gilt die folgende Tabelle:
Betriebszugehörigkeit im Unternehmen (in ganzen Jahren) | Mindestentschädigung (in Brutto-Monatsgehältern) | Höchstentschädigung (in Brutto-Monatsgehältern) |
0 | Gegenstandslos | 1 |
1 | 1 | 2 |
2 | 3 | 3,5 |
3 | 3 | 4 |
4 | 3 | 5 |
5 | 3 | 6 |
6 | 3 | 7 |
7 | 3 | 8 |
8 | 3 | 8 |
9 | 3 | 9 |
10 | 3 | 10 |
11 | 3 | 10,5 |
12 | 3 | 11 |
13 | 3 | 11,5 |
14 | 3 | 12 |
15 | 3 | 13 |
16 | 3 | 13,5 |
17 | 3 | 14 |
18 | 3 | 14,5 |
19 | 3 | 15 |
20 | 3 | 15,5 |
21 | 3 | 16 |
22 | 3 | 16,5 |
23 | 3 | 17 |
24 | 3 | 17,5 |
25 | 3 | 18 |
26 | 3 | 18,5 |
27 | 3 | 19 |
28 | 3 | 19,5 |
29 | 3 | 20 |
30 und mehr | 3 | 20 |
Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit sieben Jahren Betriebszugehörigkeit, dem in einem Unternehmen mit elf oder mehr Mitarbeitern ohne Grund gekündigt wird, hat Anspruch auf eine Entschädigung zwischen drei und acht Brutto-Monatsgehältern.
Eine zweite Tabelle ist für Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern vorgesehen. Diese sieht eine niedrigere Untergrenze (aber dieselbe Obergrenze) vor, um kleine Unternehmen nicht so streng zu verurteilen:
Betriebszugehörigkeit im Unternehmen (in ganzen Jahren) | Mindestentschädigung (in Brutto-Monatsgehältern) | Höchstentschädigung (in Brutto-Monatsgehältern) |
0 | Gegenstandslos | 1 |
1 | 0,5 | 2 |
2 | 0,5 | 3,5 |
3 | 1 | 4 |
4 | 1 | 5 |
5 | 1,5 | 6 |
6 | 1,5 | 7 |
7 | 2 | 8 |
8 | 2 | 8 |
9 | 2,5 | 9 |
10 | 2,5 | 10 |
11 | 3 | 10,5 |
12 | 3 | 11 |
13 | 3 | 11,5 |
14 | 3 | 12 |
15 | 3 | 13 |
16 | 3 | 13,5 |
17 | 3 | 14 |
18 | 3 | 14,5 |
19 | 3 | 15 |
20 | 3 | 15,5 |
21 | 3 | 16 |
22 | 3 | 16,5 |
23 | 3 | 17 |
24 | 3 | 17,5 |
25 | 3 | 18 |
26 | 3 | 18,5 |
27 | 3 | 19 |
28 | 3 | 19,5 |
29 | 3 | 20 |
30 und mehr | 3 | 20 |
Der frz. BGH hatte bereits zwei Mal zur Rechtmäßigkeit der Macron-Tabelle Stellung genommen
Der frz. BGH hatte bereits am 17.07.2019 in zwei Entscheidungen Stellung genommen und war darin der Ansicht, dass die Macron-Tabelle bei einer unbegründeten Kündigung „eine angemessene Entschädigung oder einen anderen zweckmäßigen Ausgleich“ vorsieht.
Trotz dieser beiden Stellungnahmen hatten mehrere Berufungsgerichte die Möglichkeit, diese Macron-Tabelle je nach Fall zu umgehen, nicht ausgeschlossen. Das Berufungsgericht von Paris hatte diese Tabelle zum Beispiel in einer Entscheidung vom 16.03.2021 (Nr. 19/08721) verworfen, indem es sich auf die Notwendigkeit einer angemessenen Entschädigung oder eines anderen zweckmäßigen Ausgleichs für einen erlittenen Schaden berief, gemäß den Anforderungen von Artikel 10 des Übereinkommens Nr. 158 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) der direkten Anwendung im frz. Recht. Auch das Berufungsgericht von Grenoble widersetzt sich der Position des Kassationshofs, trotz der weiter unten erwähnten Grundsatzurteile von 2012, und beschloss, die Anwendung der Macron-Tabelle in einem Urteil vom 16. März 2023 schlichtweg abzulehnen. Es war der Ansicht, dass die französische Regierung seit der Verabschiedung der Verordnungen, die die Tabelle vorsehen, keine regelmäßige Überprüfung der Tabelle durchgeführt hat, obwohl dies von der IAO empfohlen wurde. Das Berufungsgericht beurteilte daher im freien Ermessen das Ausmaß des Schadens, den die Arbeitnehmerin durch den ungerechtfertigten Verlust ihres Arbeitsplatzes erlitten hatte. Im Allgemeinen folgen die meisten Berufungsgerichte jedoch der Position des Kassationsgerichts.
Der frz. BGH bestätigt die Gültigkeit der Macron-Tabelle in zwei Urteilen
Von nun an sind die Debatten theoretisch abgeschlossen: Der frz. BGH bestätigt, dass die Macron-Tabelle dem internationalen Recht entspricht, insbesondere unter Berücksichtigung des Anwendungsspielraums, der den Staaten gelassen wird.
Sie entspricht dem Übereinkommen Nr. 158 der IAO. Die Berufungsgerichte in Frankreich stützten sich auf Artikel 10 dieses Übereinkommens, das im Falle einer unberechtigten Kündigung vorsieht, dass der Richter die Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Arbeitnehmer verordnen können muss.
Für den frz. BGH schreckt die Idee selbst der Zahlung einer Entschädigung für eine Kündigung ohne Grund den Arbeitgeber davon ab, zu kündigen – dadurch sei diese Entschädigung angemessen.
Die IAO selbst hatte eine Stellungnahme abgegeben, in der Sie die Macron-Tabelle als mit ihrem Artikel 10 konform erklärt hat. Hingegen geht der Europäische Ausschuss für soziale Rechte, eine Institution des Europäischen Rates, die mit der Ausführung der Europäische Sozialcharta betraut ist, davon aus, dass die Macron-Tabelle Artikel 24 der Europäischen Sozialcharta widerspricht, denn dieser sieht vor, dass die Vertragsparteien sich verpflichten, „das Recht der ohne triftigen Grund gekündigten Arbeitnehmer auf eine angemessene Entschädigung oder einen anderen zweckmäßigen Ausgleich anzuerkennen“.
Der Ausschuss ist in der Tat der Ansicht, dass das Ziel der Macron-Tabelle, den Arbeitgeber abzuschrecken, nicht erreicht wird, da die Entschädigungsgrenzen dem Arbeitgeber ermöglichen, im Voraus einer Kündigung deren Kosten zu bewerten.
Die Beschlüsse des Europäische Ausschuss für soziale Rechte sind jedoch für nationale Recht Gerichte nicht verpflichtend.
Die Tatsachen-Richter sollen keine konkrete Kontrolle vornehmen
Der frz. BGH fügt hinzu, dass die Gerichte keine konkrete Rechtmäßigkeitskontrolle vorzunehmen haben. Mehrere Gerichte hatten angenommen, dass die Macron-Tabelle keine angemessene Abfindung des Arbeitnehmers ermöglichte. Der frz. BGH schließt diese Praxis mit seinen Entscheidungen vom 11.05.2022 aus, die zu einer juristischen Unsicherheit führen und den Gleichheitsgrundsatz zwischen den Bürgern beeinträchtigen könnte.
Doch in den beiden Urteilen war nicht die Gültigkeit selbst der Tabelle betroffen. Es ging vielmehr darum, ob es möglich sei, diese konkret anzuwenden und je nach Fall zu verwerfen.
Im vorliegenden Fall hatten Arbeitnehmer und Gewerkschaften es geschafft, dass Arbeitsgerichte die Tabelle je nach Fall entfernten, was der frz. BGH kategorisch zurückweist.
Die Tatsachen-Richter sollen keine konkrete Kontrolle vornehmen
Schließlich hat der frz. BGH angegeben, dass Artikel 24 der Europäischen Sozialcharta keine direkte Auswirkung auf das französische Arbeitsrecht hat. Es handelte sich um ein anderes Argument, dass die Gegner der Macron-Tabelle nutzten. Dieser Artikel sieht vor, dass sich die Staaten verpflichten, „das Recht der ohne triftigen Grund gekündigten Arbeitnehmer auf eine angemessene Entschädigung oder einen anderen zweckmäßigen Ausgleich“ anzuerkennen.
Die Richter sind nicht dafür zuständig, zu kontrollieren, ob dieser Artikel auch umgesetzt wurde – nur der Europäische Ausschuss für soziale Rechte ist diesbezüglich zuständig. Dies bestätigt folglich die Position des frz. BGHs, der sich weigert, dass die Richter von Fall zu Fall eine Kontrolle vornehmen, indem sie sich auf die Europäische Sozialcharta berufen.
Der Europäische Ausschuss für soziale Rechte (Kontrollinstanz des Europarates) hat im September 2022 Stellung bezogen und ist der Ansicht, dass die Obergrenze für die arbeitsgerichtliche Entschädigung bei ungerechtfertigter Kündigung gegen die Europäische Sozialcharta verstößt. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass diese Entschädigung nicht angemessen ist und dass die Höchstgrenzen nicht hoch genug sind, um „den Schaden des Opfers auszugleichen und für den Arbeitgeber abschreckend zu sein“. Der Ausschuss erinnert daran, dass seine Entscheidungen von den Mitgliedstaaten respektiert werden müssen, da sie, auch wenn sie nicht von Rechts wegen vollstreckbar sind, als Grundlage für die Entwicklung der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auf nationaler Ebene dienen müssen.
Nur gesetzliche Ausnahmen schließen die Anwendung der Macron-Tabelle aus
Nun gilt die Tabelle nur noch bei den im frz. Gesetz vorgesehenen Ausnahmen nicht, und zwar:
- bei einer nichtigen Kündigung (Diskriminierung, Mobbing, Verletzung der Grundrechte usw.): Es muss eine Entschädigung gezahlt werden, die mindestens 6 Monatsgehältern entspricht. Es gibt keinen Höchstbetrag.
- bei einer Verletzung der Formvorschriften im Kündigungsverfahren: Es muss eine Pauschalentschädigung von einem Montagsgehalt gezahlt werden; diese kann nicht mit einer Entschädigung für eine Kündigung ohne Grund kumuliert werden.
- bei einer zusätzlichen Entschädigungsforderung: Zum Beispiel für die Zahlung von Schadenersatz für einen anderen Schaden bei einer missbräuchlichen und demütigenden Kündigung oder für die Folgen der Leistung von Überstunden.
Nunmehr ist Klarheit für Arbeitgeber geschaffen, wobei eine gewisse Bandbreite für die Berechnung der Abfindung bei unbegründeten Kündigungen des Arbeitnehmers weiter besteht.
Wie wird die Macron-Tabelle berechnet?
Die Macron-Tabelle basiert auf zwei Kriterien: der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers im Unternehmen und der Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen. Je größer die Betriebszugehörigkeit ist, desto höher ist die geschuldete Abfindung. Dasselbe gilt für die Beschäftigtenanzahl: Je mehr Beschäftigte im Unternehmen arbeiten, desto höher ist die Abfindung. Dies ermöglicht, kleine Unternehmen weniger stark zu verurteilen. Die Abfindung beträgt zwischen einem oder 20 Monatsgehältern.
Was ist die Macron-Tabelle?
Mithilfe der Macron-Tabelle wird der Betrag der Abfindung, die einem Arbeitnehmer im Falle einer unbegründeten Kündigung gezahlt wird, berechnet, je nach seiner Betriebszugehörigkeit und der Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen. Die Abfindungsberechnungstabelle enthält eine Unter- und eine Obergrenze. Der Arbeitgeber (oder Richter im Streitfall) verfügen folglich über einen Spielraum, um den Betrag der Abfindung festzusetzen – zwischen einem und 20 Monatsgehältern.
Wie wird eine Abfindung für eine Kündigung ohne Grund berechnet?
Die Kündigungsabfindung wird gemäß der sogenannten Macron-Tabelle berechnet, die Betriebszugehörigkeit und Anzahl der Beschäftigten der Unternehmen berücksichtigt. Je höher die Betriebszugehörigkeit und die Anzahl der Beschäftigten sind, desto höher ist auch der Betrag der Abfindung. Die Abfindung wird in Brutto-Monatsgehältern berechnet.
Welcher Betrag kann vor den frz. Arbeitsgerichten gefordert werden?
Artikel L. 1235-3 des frz. Arbeitsgesetzbuches enthält Mindest- und Höchstbeträge, die ein Arbeitnehmer bei einer Kündigung ohne Grund fordern kann. Je nach Betriebszugehörigkeit und Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen liegt der Betrag zwischen der Mindest- und Höchstabfindung.
So kann zum Beispiel ein Arbeitnehmer mit fünf Jahren Betriebszugehörigkeit in einem Unternehmen mit elf Beschäftigten eine Abfindung zwischen drei und sechs Monatsgehältern fordern.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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