Der Mindestlohn in Deutschland
Veröffentlicht am 22.02.23

Auch wenn immer weniger Arbeitnehmer den Mindestlohn verdienen, teils aufgrund der guten Verhandlungsposition für Arbeitnehmer bei Personalmangel, ist es dennoch wichtig, dass jeder Arbeitgeber die Regeln zum Mindestlohn kennt.
Inhaltsverzeichnis
Bilanz nach der Einführung in Deutschland
Seit dem 01.01.2015 gibt es in Deutschland den gesetzlichen Mindestlohn. Das Mindestlohngesetz (Abkürzung: „MiLog“) wurde zum ersten Mal eingeführt.
Die Höhe des Mindestlohns beträgt seit dem 01.10.2022 12,00 Euro brutto die Stunde. Grundsätzlich gilt, dass in keiner Branche in Deutschland unter dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt werden darf. Nach §1 Abs. 1 und 2 MiLog hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns durch den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin: “Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber”. Diese Regel gilt, selbst wenn der Arbeitsvertrag eine niedrigere Vergütung vorsieht. Der Mindestlohn ist zwar allgemein gültig, es gibt allerdings gewisse Personengruppen, die davon ausgenommen sind.
Im April 2022 wurden 703.000 Jobs mit dem Mindestlohn vergütet. Zum Vergleich gab es im Jahr 2015 noch 1,91 Millionen Stellen, die mit dem Mindestlohn vergütet wurden. Der Anteil der Stellen mit Mindestlohn ist kontinuierlich gesunken. Zwischen 2015 bis 2018 halbierte sich der Anteil in etwas von 1,91 Millionen Stellen auf 930.000 Stellen. Unter den aktuell 703.000 Stellen, die mit dem Mindestlohn vergütet werden, sind 381.000 Stellen mit einer Arbeitnehmerin besetzt.
Wie hoch ist der deutsche Mindestlohn im Jahr 2023?
Der deutsche Mindestlohn wurde am 1. Januar 2015 eingeführt und lag zunächst bei 8,50 Euro je Zeitstunde. Er wurde in den Folgejahren schrittweise erhöht, zum 1.1.2017 auf 8,84 Euro, zum 1.1.2019 auf 9,19 Euro, zum 1.1.2020 auf 9,35 Euro, zum 1.1.2021 auf 9,50 Euro, zum 1.7.2021 auf 9,60 Euro, zum 1.1.2022 auf 9,82 Euro und zum 1.7.2022 auf 10,45 Euro je Stunde. Zuletzt wurde er zum 1.10.2022 angehoben und liegt gegenwärtig bei 12,00 Euro je Stunde.
Zum Beispiel liegt der Mindestlohn bei einer fünf Tage-Woche mit 40 Stunden und insgesamt 21 Tagen durchschnittlich pro Monat bei 2.080,80 Euro.
Wer passt den Mindestlohn an?
Die Festlegung der Lohnuntergrenze obliegt der sogenannten Mindestlohnkommission. Sie besteht aus Gewerkschaften, Arbeitgebern oder Arbeitgeberinnen sowie einem unabhängigen Vorsitzenden oder einer Vorsitzenden und entscheidet normalerweise alle zwei Jahre über eine mögliche Mindestlohnerhöhung.
Die Kommission ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte ihrer stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind, also drei oder mehr. Die beiden beratenden Mitglieder sind nicht stimmberechtigt. Die Beschlüsse der Mindestlohnkommission werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. Der Vorsitzende hat sich zunächst der Stimme zu enthalten.
Kommt keine Stimmenmehrheit zustande, macht der Vorsitzende oder die Vorsitzende einen Vermittlungsvorschlag. Kommt nach der Beratung über den Vermittlungsvorschlag keine Stimmenmehrheit zustande, übt der Vorsitzende oder die Vorsitzende sein oder ihr Stimmrecht aus und entscheidet damit. Die Vorsitzende der Kommission ist derzeit Christiane Schönefeld. Sie ist ehemalige Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit, ehemaliges Mitglied der Kommission der Bundesregierung „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ so wie des Vorstands Ressourcen der Bundesagentur für Arbeit.
Gilt der Mindestlohn auch für Ausländer und Ausländerinnen?
Der Mindestlohn gilt auch für ausländische Beschäftigte, wenn sie in Deutschland arbeiten, egal ob sie bei einem in- oder einem ausländischen Arbeitgeber oder Arbeitgeberin angestellt sind.
Die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns ist auf Deutschland beschränkt. Wenn der in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Grenze überschreitet, gelten keine Sonderregelungen. Jedoch ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin dazu verpflichtet, sich an seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin zu halten. Dazu gehört auch der Anspruch auf den Mindestlohn.
Welche Tätigkeiten werden nicht zwingend mit dem Mindestlohn vergütet?
Keine Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes sind:
- Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz
- Ehrenamtlich tätige Personen
- Personen, die einen freiwilligen Dienst leisten
- Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Maßnahme zur Arbeitsförderung
- Heimarbeiterinnen oder Heimarbeiter nach dem Heimarbeitsgesetz
- Selbstständige
- Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
- Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt
Minijobs: Besteht ein Anspruch auf Mindestlohn?
Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig von Arbeitszeit oder Umfang der Beschäftigung: damit auch für Minijobber und Minijobberinnen. Neu ist seit der Einführung des Mindestlohns, dass der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die Arbeitszeiten von Minijobbern aufzeichnen sowie diese Aufzeichnungen zwei Jahre lang aufbewahren und bei einer Prüfung durch den Zoll vorlegen muss. Diese Pflicht besteht nicht für Minijobber in Privathaushalten oder für enge Familienangehörige des Arbeitsgebers.
Der gesetzliche Mindestlohn gilt auch für Saisonkräfte. Wenn diese Beschäftigung jedoch nicht mehr als drei Monate oder 70 Arbeitstage dauert, sind keine Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen. Diese Regelung beeinflusst nicht die Höhe des Mindestlohns.
Was passiert, wenn die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns missachtet wird?
Wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin unter dem Mindestlohn bezahlt wird, kann er oder sie die Nachzahlung von drei Jahren fehlender Vergütung rückwirkend einklagen. Außerdem kann der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin auch anonym bei der “Finanzkontrolle Schwarzarbeit” (kurz FKS) gemeldet werden. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist eine Arbeitseinheit des deutschen Zolls. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls überprüft, ob Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin sich an das Mindestlohngesetz halten und ob die Mindestlöhne, den in den jeweiligen Branchen gültigen Vorgaben entsprechen. Die Hauptaufgabe der FKS ist also die Bekämpfung von Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigungen. Im Jahr 2019 wurden 54.733 Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen von der FKS geprüft. Die Behörden der Zollverwaltung kontrollieren im Rahmen eines risikoorientiertes Prüfansatzes.
Mindestlohnverstöße können mit einer Geldbuße von 200 bis zu 500.000 Euro pro Mitarbeiter und Mitarbeiterin sanktioniert werden. Verstöße gegen Verpflichtungen im Rahmen der Kontrolle, wie zum Beispiel die Dokumentation der Arbeitszeit, können mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Außerdem kann das Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Die Beschäftigten können sich an den Zoll wenden, wenn der Mindestlohn nicht gezahlt wird. Bei Beschwerden, die eine Einschaltung des Zolls notwendig machen, können Anruferinnen und Anrufer direkt an die jeweilige Stelle des Zolls vermittelt werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben auch die Möglichkeit, ihren Mindestlohnanspruch beim zuständigen Arbeitsgericht einzuklagen.
Wie sieht es mit dem Mindestlohn in anderen Ländern Europas wie z.B. Frankreich aus?
Der gesetzliche Mindestlohn wurde in Frankreich viel früher als in Deutschland, d.h. im Jahre 1950 eingeführt. Er wird jedes Jahr im Januar erhöht. Im Januar 2023 liegt der gesetzliche Mindeststundenlohn bei 11,27 Euro brutto die Stunde. Wie in Deutschland werden auch hier in den Tarifverträgen die entsprechenden Mindestlöhne festgelegt, die höher als der gesetzliche Mindestlohn sein müssen.
Auf der Ebene Europas gilt seit dem 19.10.2022 die Richtlinie2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.10.2022 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union. Die Richtlinie schreibt keine bestimmten Mindestlöhne vor, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die jeweiligen gesetzlichen Mindestlöhne es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis spätestens 15.11.2024 umsetzen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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