Kein Sonderkündigungsschutz für Arbeitnehmervertreter bei Missbrauch
04.09.17

Kündigung eines Zeitarbeiters und zugleich Arbeitnehmervertreters
Ein Arbeitnehmer, der gleichzeitig Arbeitnehmervertreter ist, kann seinen Sonderkündigungsschutz verlieren, wenn er sich gegenüber seinem Arbeitgeber missbräuchliches Verhalten zu Schulden kommen lässt. Dies geht aus einem Urteil des französischen Kassationshofs (Cour de cassation) vom 12.07.2017 hervor.
Ein Lastwagenfahrer, der Arbeitnehmervertreter ist und für eine Zeitarbeitsfirma arbeitet, hat zwischen dem 2. Juli und 31. Dezember 2012 zwei aufeinander folgende Zeitarbeitsaufträge für eine Kundin durchgeführt. Mitte Dezember informiert die Zeitarbeitsfirma den Arbeitnehmer, dass sein Einsatzvertrag nicht verlängert wird. Dieser ist damit nicht einverstanden und wendet sich an das Arbeitsgericht, um die Umwandlung seines Einsatzvertrages in einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu beantragen. Der Arbeitnehmer fügt diesem Antrag auf Umwandlung diverse Schadensersatzforderungen bei, insbesondere wegen Nichtbeachtung des Sonderkündigungsschutzes.
Verschweigen des Sonderkündigungsschutzes durch den Arbeitnehmer
Nun hat der Lastwagenfahrer es aber unterlassen, seinem Arbeitgeber bei der Einstellung mitzuteilen, dass er Arbeitnehmervertreter ist. So hat der Arbeitgeber erst durch die beim Arbeitsgericht eingereichten diversen Schadensersatzforderungen erfahren, dass der Arbeitnehmer auch Arbeitnehmervertreter ist.
Das französische Arbeitsgesetz (Code du travail) sieht vor, dass eine Zeitarbeitsfirma die Arbeitsaufsicht informieren muss, bevor der Einsatz eines Zeitarbeiters unterbrochen oder nicht verlängert wird. Die Zeitarbeitsfirma musste diese festgelegte Vorgehensweise einhalten, bevor der Zeitarbeitsvertrag beendet oder nicht verlängert wurde. In Anwendung dieser Vorschriften hatte der Arbeitnehmer ein Recht darauf, Schadensersatz für die Nichtbeachtung des Sonderkündigungsschutzes zu verlangen. Die Rechtsprechung mildert dieses sehr strenge Prinzip des französischen Arbeitsrechts ab, indem dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegt wird, seinen Arbeitgeber „spätestens vor Zustellung der Kündigung“ über seine Aufgabe als Arbeitnehmervertreter zu informieren, wenn ein Vorgespräch, wie im vorliegenden Fall, nicht nötig ist, da es sich um die Beendigung eines Zeitarbeitsvertrages handelt.
Genügt es, den Arbeitgeber während der Kündigung über den Sonderkündigungsschutz zu informieren?
Für das französische Berufungsgericht (Cour d’appel) hat der Arbeitnehmer keinen Fehler begangen. In der Tat sieht es das Berufungsgericht nicht als Fehler des Lastwagenfahrers, dass dieser seinen aktuellen Arbeitgeber nicht über seine Aufgabe als Arbeitnehmervertreter informiert hat und ihn erst dann darüber in Kenntnis gesetzt hat als er sich auf den damit verbundenen Sonderkündigungsschutz berufen wollte. Das Gericht fügt hinzu, dass diese Vorgehensweise dem Arbeitnehmer nicht zur Last gelegt werden kann. Der Arbeitnehmer hatte sich bei seinen vorherigen Arbeitgebern ebenso verhalten.
Der Kassationshof ist nicht der gleichen Meinung wie das Berufungsgericht und stuft das Verhalten des Lastwagenfahrers als missbräuchlich ein. Laut diesem Urteil kann „einem Arbeitnehmer sein Sonderkündigungsschutz auf Grund missbräuchlichen Verhaltens entzogen werden“. Der Kassationshof gibt dem Arbeitgeber Recht und ebnet den Weg, um einem Missbrauch festzustellen. Das Urteil des Kassationshofs hat nur eine beschränkte Wirkung, da es leichter anzuwenden ist bei unterlassener Information bezüglich Aufgaben mit Sonderkündigungsschutz außerhalb des Unternehmens. Dennoch eröffnet es Arbeitgebern die Möglichkeit, Arbeitnehmer eines Missbrauchs zu beschuldigen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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