A1-Bescheinigung 

20.07.22
Die A1-Bescheinigung
A1-Bescheinigung 
Die A1-Bescheinigung

Die A1-Bescheinigung (ehemals E101- und E103-Bescheinigung) bescheinigt, dass das Sozialversicherungsrecht eines bestimmten Staates der Europäische Union für einen Arbeitnehmer (im Sinne des europäischen Rechtes der Sozialversicherung) gilt. Diese ist insbesondere bei Aufenthalten von Arbeitnehmern innerhalb der EU hilfreich.

Da jeder Arbeitnehmer den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts eines einzigen Mitgliedsstaats unterliegt, wird von dem Gebot des „Sozialschutzes aus einem einzigen Mitgliedstaat“ gesprochen. Die A1-Bescheinigung verhindert folglich, dass ein Arbeitnehmer in folgenden Fällen Sozialabgaben unterliegt, und zwar:

  • zweimal auf dasselbe Einkommen und/oder
  • in zwei verschiedenen Staaten der EU.

Wie wird das anwendbare nationale Sozialversicherungsrecht in der A1-Bescheinigung bestimmt?

Zur Feststellung des anwendbaren Rechtes der Sozialversicherung wenden die nationalen Behörden, die die A1-Bescheinigung ausstellen, die europäischen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 an.

Laut dieser europäischen Verordnung unterliegt ein Arbeitnehmer grundsätzlich den Rechtsvorschriften des Landes, in dem er seine Tätigkeit ausübt. Es bestehen jedoch zwei Ausnahmen zu diesem Grundsatz:

  • die Entsendung eines Arbeitnehmers durch seinen Arbeitgeber in ein anderen EU-Mitgliedsstaat: Der Arbeitnehmer kann weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates der EU unterliegen, in dem er seine Tätigkeit normalerweise ausübt – voraussichtlich diese Arbeit überschreitet 24 Monate nicht.
  • ein Arbeitnehmer, der seine Tätigkeit in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten ausübt: Der Arbeitnehmer unterliegt, je nach Fall, entweder den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dem er wohnt, oder den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dem das Unternehmen oder der Arbeitgeber seinen Unternehmens- oder Wohnsitz haben, oder aber den Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaats, in dem sich der Tätigkeitsschwerpunkt dieses Arbeitnehmers befinden.

Wann wird eine A1-Bescheinigung benötigt?

Die A1-Bescheinigung muss insbesondere in den folgenden Fällen ausgestellt werden:

  • wenn ein Arbeitnehmer für höchstens 24 Monate innerhalb der EU entsandt wird;
  • wenn ein Arbeitnehmer seine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten ausübt;
  • wenn ein Beamter seine Tätigkeit in einem anderen Gebiet ausübt als jenes, dem die beschäftigende öffentliche Anstalt angehört;
  • für einige Berufskategorien in grenzüberschreitenden Fällen (zum Beispiel Seeleute).

Wer stellt die A1-Bescheinigung aus?

Für die Ausstellung der A1-Bescheinigung ist die Behörde des Mitgliedsstaates, dessen Rechtsvorschriften gelten, zuständig. Die zuständige Behörde bescheinigt in der A1-Bescheinigung, dass das Recht der Sozialversicherung ihres Mitgliedsstaates gilt.

In Frankreich ist bei Anwendung des französischen Sozialrechts  auf einen Arbeitnehmer die zuständige Behörde für Beschäftigte und Selbstständige das centre national de gestion de la mobilité internationale (ein Service der URSSAF: mobilite-internationale@urssaf.fr) – vor 2022 war noch die Caisse primaire d‘assuance maladie zuständig. Der Service der URSSAF ist vollständig digitalisiert.

In Deutschland sind für die Ausstellung der A1-Bescheinigung mehrere Behörden zuständig. Je nach Krankenversicherung der betroffenen Person ist die Krankenkasse, die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), der Rentenversicherungsträger oder der GKV-Spitzenverband zuständig. 

Wo kann eine A1-Bescheinigung beantragt werden?

In Frankreich werden im französischen Sozialversicherungsrecht A1-Bescheinigungen für Beschäftigte und selbstständige Erwerbstätige beim centre national de gestion de la mobilité internationale (Service der URSSAF) beantragt.

Für Arbeitnehmer, die dem landwirtschaftlichen Sozialversicherungssystem zugeordnet sind, ist die Mutualité Sociale Agricole zuständig.

Für Seeleute ist die Caisse de Retraite des Marins du quartier des affaires maritimes für die Ausstellung einer A1-Bescheinigung zuständig.

Weigerung der Ausstellung einer A1-Bescheinigung durch einen Mitgliedsstaat und Meldungspflicht des Arbeitgebers

In einem Urteil vom 04.11.2020 hat der französische BGH, der Kassationshof, einige Punkte in Bezug auf die A1-Bescheinigung klargestellt (Kassationshof, 04.11.2022, Nr. 18-24.451 et al., FS-P + B + R + I). Die Entscheidung betraf den folgenden Sachverhalt: Mehrere Arbeitnehmer polnischer Staatsbürgerschaft mit Wohnsitz in Polen, wurden von einer Zeitarbeitsfirma, die dem zyprischem Recht unterlag, einer Gesellschaft zur Verfügung gestellt, die frz. Recht unterlag. Die in Zypern zuständige Behörde hat zuerst eine A1-Bescheinigung ausgestellt. Anschließend hat eben diese Behörde jedoch entschieden, dass die Arbeitnehmer nicht ihren (d. h. zyprischen) Rechtsvorschriften unterlägen. Daraufhin hat sie ihre A1-Bescheinigung zurückgenommen, ohne dies zu begründen.

Das Urteil des frz. BGH erinnert daran, dass im Falle einer Verweigerung oder Rücknahme der A1-Bescheinigung durch die zuständige Behörde die Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird (im vorliegenden Fall Frankreich) gelten.

Da nun das frz. Recht der Sozialversicherung galt, unterlag der Arbeitgeber einer Meldungspflicht gegenüber den frz. Sozialversicherungsträgern.

Laut dem frz. BGH unterlagen die Arbeitnehmer, die über keine A1-Bescheinigung verfügten und ihre Tätigkeit in Frankreich ausübten, dem frz. Recht der Sozialversicherung. Folglich war eine Meldung bei den frz. Sozialversicherungsträgern vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall waren zwei Gesellschaften von der Entsendung der Arbeitnehmer betroffen: die Zeitarbeitsfirma und der Entleiher. Das Urteil nimmt daher ebenfalls Bezug auf die Aufgabe, die dem Anwenderunternehmen, das von der rechtswidrigen Situation Kenntnis hat, obliegt. Das frz. Arbeitsgesetzbuch sieht vor, dass das Anwenderunternehmen, das über die ordnungswidrige Situation der Zeitarbeitsfirma im Bilde war, Letzterer die Beendigung der problematischen Situation auferlegen muss (Artikel L.8222-5 des frz. Arbeitsgesetzbuches).

Entscheidet das Anwenderunternehmen, die Zeitarbeitsfirma nicht zu informieren, wird sie gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Schadensersatz für Schwarzarbeit verpflichtet. Der frz. BGH erinnert an diese Vorschrift und verurteilt das Anwenderunternehmen gesamtschuldnerisch mit der Zeitarbeitsfirma zur Zahlung von Schadensersatz, da diese der Zeitarbeitsfirma trotz des Wissens über die ordnungswidrige Situation die Regularisierung der Situation, und zwar die frz. Sozialversicherungsträger zu informieren, nicht auferlegt hat.

Die A1-Bescheinigung ist folglich für europaweit aktive Unternehmen ein wesentliches Dokument. Sie wird von der zuständigen Behörde ausgefüllt und muss dem zuständigen Sozialversicherungsträger des Mitgliedsstaates, in dem die Person arbeitet, vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer vorgelegt werden. Im Zweifelsfall lassen Sie sich von einem Anwalt begleiten, der Ihnen erklärt, welchem Träger Sie sich annähern müssen, um einen doppelten Abzug der Sozialabgaben sowie etwaige Sanktionen zu vermeiden.

Wer stellt die A1-Bescheinigung aus?

Die für die Ausstellung der A1-Bescheinigung zuständige Behörde ist die des EU-Mitgliedsstaates, in dem die Sozialabgaben gezahlt werden. Wenn dies Frankreich ist, dann ist die zuständige Behörde das centre national de gestion de la mobilité internationale (ein Service der URSSAF: mobilite-internationale@urssaf.fr). In Deutschland sind je nach Fall die Krankenkasse, die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), der Rentenversicherungsträger oder der GKV-Spitzenverband zuständig.

Wo kann eine A1-Bescheinigung beantragt werden?

In Frankreich können Beschäftigte und selbstständige Erwerbstätige A1-Bescheinigungen beim centre national de gestion de la mobilité internationale (Service der URSSAF) beantragen. Es gibt jedoch auch andere Sozialversicherungsträger. So müssen Arbeitnehmer, die dem landwirtschaftlichen Sozialversicherungssystem angehören, die A1-Bescheinigung zum Beispiel bei der Mutualité Sociale Agricole beantragen.

Wann muss eine A1-Bescheinigung beantragt werden?

Die A1-Bescheinigung muss insbesondere dann ausgestellt werden, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb der EU entsandt wird oder seine Tätigkeit als Beschäftigter oder Selbstständiger in einem oder mehreren EU-Mitgliedsstaaten ausübt. Es gibt auch andere Situationen, für die eine A1-Bescheinigung benötigt wird, und zwar für einige spezifische Berufskategorien, die in der EU berufsbedingt reisen (z. B. Seeleute und Beamte).

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: yavdat

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