URSSAF in Frankreich: Wichtige Informationen für deutsche Unternehmen
Veröffentlicht am 19.06.25

Einleitung
Wer als deutsches Unternehmen in Frankreich tätig wird oder französische Mitarbeitende beschäftigt, wird sehr bald von der URSSAF hören – einer zentralen Behörde des französischen Sozialversicherungsssystems. Anders als in Deutschland gibt es in Frankreich keine getrennten Krankenkassen oder Rentenversicherungsträger für die Beitragserhebung – vielmehr fungiert die URSSAF als zentrale Einzugsstelle für fast alle Sozialabgaben.
Dieser Artikel erklärt praxisnah, was die URSSAF ist, wer ihr unterliegt, welche Pflichten Arbeitgeber und Selbständige in Frankreich haben – und welche Fallstricke besonders für deutsche Firmen bzw. bei grenzüberschreitender Tätigkeit oder Scheinselbständigkeit drohen. Zusätzlich beleuchten wir, wie man auf ungerechtfertigte Beitragsforderungen der URSSAF reagiert.
Inhaltsverzeichnis
Sie haben Schwierigkeiten mit der URSSAF oder sehen sich ungerechtfertigten Forderungen ausgesetzt?
Unsere deutsch-französische Kanzlei unterstützt deutsche Unternehmen gezielt bei Konflikten mit der URSSAF, bei Beitragsprüfungen und in streitigen Verfahren. Mit fundierter Erfahrung im französischen Sozialrecht stehen wir Ihnen kompetent zur Seite – von der ersten Auseinandersetzung bis zur gerichtlichen Verteidigung. Kontaktieren Sie uns gerne für eine individuelle Beratung.
1. Was ist die URSSAF?
Die URSSAF („Union de Recouvrement des cotisations de Sécurité Sociale et d’Allocations Familiales“) ist die zentrale Stelle für den Einzug von Sozialabgaben in Frankreich. Der größte Teil wird für die Krankenversicherung aufgewendet, gefolgt von der Altersvorsorge. Sie spielt eine Rolle, die in Deutschland auf mehrere Institutionen verteilt ist (z. B. Krankenkassen, Rentenversicherung, Arbeitsagentur).
Ihre Aufgaben:
- Erhebung und Kontrolle der Sozialversicherungsbeiträge,
- Verwaltung der Beitragskonten für Unternehmen und Selbständige,
- Bekämpfung von Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit,
- Überwachung der Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften.
2. Für wen ist die URSSAF zuständig?
Die URSSAF betrifft:
- Französische Unternehmen mit Sitz in Frankreich,
- Deutsche oder internationale Firmen, mit oder ohne physische Präsenz in Frankreich, die Mitarbeitende in Frankreich beschäftigen (z. B. über Niederlassungen, Tochtergesellschaften oder Entsendung),
- Freiberufler und Selbständige in Frankreich.
3. Die URSSAF im Elsass
Die URSSAF im Elsass hat eine Besonderheit, da sie für alle ausländischen Unternehmen zuständig ist, die Arbeitnehmer in Frankreich beschäftigen, aber keine Niederlassung in Frankreich haben. Es ist egal, woher dieses ausländische Unternehmen kommt. Die URSSAF im Elsass ist also unter anderem auch für deutsche Arbeitgeber zuständig.
4. Der Ablauf bei der URSSAF-Anmeldung
Um sich bei der URSSAF anzumelden, muss der Arbeitgeber ein Konto auf der Website erstellen. Wie man solches ein Konto einrichtet, wird auf der Webseite unter https://www.urssaf.fr/accueil/services/comment-creer-espace-en-ligne.html genau erklärt.
Die Unterstützung eines französischen Buchhaltungs- und Lohnbüros ist dabei unerlässlich. Sobald das Konto bei der URSSAF eingerichtet ist, können Sie die Anmeldung vornehmen, die noch vor der Einstellung eines französischen Mitarbeiters durchzuführen ist und sodann die fälligen Sozialabgaben entrichten.
5. Pflichten von Arbeitgebern gegenüber der URSSAF
Wer Personal in Frankreich beschäftigt, hat insbesondere folgende Verpflichtungen:
Anmeldung als Arbeitgeber
Noch vor Arbeitsbeginn oder spätestens innerhalb von 8 Tagen ab Einstellung muss eine DPAE („Déclaration préalable à l’embauche“) bei der URSSAF eingereicht werden.
Monatliche Meldungen
Die DSN („Déclaration Sociale Nominative“) ist eine umfassende monatliche Meldung, die Gehälter und Sozialabgaben detailliert aufführt. Dies muss online im Online-Bereich der URSSAF erfolgen. Aus diesem Grund ist die Hilfe eines deutsch-französischen Lohnbuchhaltungsbüros unerlässlich. Billige Anbieter lassen den ausländischen Arbeitgeber in den meisten Fragen ahnungslos, so dass er vielen Risiken aus dem französischen Sozialversicherungsrecht ausgesetzt ist. In Ausnahmefällen werden Erklärungen in Papierform akzeptiert.
Abführung der Beiträge
Die URSSAF zieht u. a. Beiträge zur Krankenversicherung, Rente, Arbeitslosigkeit und Familienleistungen ein. Die Beitragssätze unterscheiden sich je nach Berufsgruppe, Gehalt und Beschäftigungsform.
6. URSSAF und Scheinselbständigkeit
Die URSSAF prüft regelmäßig, ob es sich bei einem Auftragnehmer tatsächlich um einen Selbständigen handelt oder um eine verkappte abhängige Beschäftigung.
Problematisch wird es, wenn:
- Der Freelancer nur für einen Auftraggeber arbeitet,
- Weisungsgebundenheit oder Eingliederung in die Arbeitsorganisation besteht,
- Keine unternehmerischen Risiken getragen werden.
Folge: Rückwirkende Umqualifizierung in ein Arbeitsverhältnis, hohe Beitragsnachforderungen und Bußgelder.
7. Kontrollen und Sanktionen durch die URSSAF
Die URSSAF kann unangekündigte Prüfungen durchführen, insbesondere bei Verdacht auf Schwarzarbeit, verdächtige Abfindungen an Mitarbeiter oder generell Beitragsunregelmäßigkeiten.
Der Ablauf
- Schriftliche Vorankündigung oder spontane Kontrolle,
- Einforderung von Lohnunterlagen, Verträgen, Rechnungen,
- Prüfung der DPAE- und DSN-Meldungen,
- Ergebnisbericht mit ggf. Zahlungsaufforderung, Nachforderungen, Zuschlägen. Wenn die URSSAF keine monatliche Meldung („DSN“) erhalten hat, erhebt sie Pauschalbeträge, die manchmal angepasst werden können, da sie nicht der tatsächlichen Situation entsprechen.
Rechtsmittel
Betroffene können:
- innerhalb von zwei Monaten (vier Monate für ausländische Unternehmen ohne Sitz in Frankreich) Widerspruch bei der Schlichtungskommission einlegen („procédure devant la commission de recours amiable“) und
- anschließend gerichtliche Schritte einleiten (vor dem folgenden französischen Gericht: „Pôle social du Tribunal judiciaire“).
Ohne vorherige Einlegung eines Rechtsbehelfs bei der Schlichtungskommission ist es nicht möglich vor Gericht klagen.
8. Besonderheiten bei grenzüberschreitender Tätigkeit
Für deutsche Unternehmen kommen viele Fragen auf, wenn sie in Frankreich tätig werden. Wir versuchen nachstehend für jede der folgenden Situationen, die sozialrechtlichen Pflichten abzustecken:
Arbeiten deutsche Mitarbeitende in Frankreich?
Grundsätzlich Sozialversicherungspflicht in Frankreich, außer bei zeitlich begrenzter Entsendung (A1-Bescheinigung erforderlich).
Hat die Firma eine Betriebsstätte in Frankreich?
Dann haben sie die gleichen Pflichten wie französische Unternehmen (z. B. URSSAF-Meldung, Lohnabrechnung nach französischem Recht).
Vertrag nach deutschem Recht, Tätigkeit in Frankreich?
Sozialversicherungspflicht richtet sich nach dem Ort der tatsächlichen Arbeit, nicht nach dem Vertragsrecht. Diese Regeln sind in der europäischen Verordnung Nr. 883/2004 festgelegt.
9. URSSAF und Selbständige
Auch Selbständige müssen sich bei der URSSAF registrieren,und zwar über das Portal autoentrepreneur.urssaf.fr. Die Höhe der Beiträge richtet sich nach dem Umsatz und den Tätigkeitsbereich (z. B. Dienstleistung, Handel, Handwerk).
10. Die URSSAF vollstreckt Beiträge: Wie läuft es ab?
Grundsätzlich geht die URSSAF wie folgt vor:
- Zunächst versendet sie eine freundliche Mahnung („Avis amiable“) mit einer Zahlungs- und Meldefrist/ von 8 Tagen;
- Bei Nichtreaktion/Nichtzahlung/Nichtbegleichung versendet die URSSAF eine Zahlungsaufforderung („Mise en demeure“). Auf diese kann innerhalb von 1 Monat reagiert werden. Diese Zahlungsaufforderung kann innerhalb von zwei Monaten bei der Schlichtungskommission angefochten werden. Diese Frist beträgt vier Monate für ausländische Unternehmen ohne Sitz in Frankreich;
- In bestimmten Fällen, wenn nach einer Zahlungsaufforderung keinerlei Reaktion erfolgt, versendet die URSSAF eine Zwangsvollstreckungsbescheinigung („contrainte“), manchmal mit einem blind geschätzten Beitrag. Diese muss innerhalb von 15 Tagen vor Gericht angefochten werden, da die URSSAF andernfalls eine Zwangsvollstreckung vornehmen kann.
11. Ungerechtfertigte Forderungen – Was tun?
Es kommt vor, dass die URSSAF Beiträge fordert, obwohl:
- keine Sozialversicherungspflicht in Frankreich besteht (z. B. bei Entsendung mit gültiger A1),
- keine tatsächliche Tätigkeit in Frankreich vorlag,
- ein Selbständiger irrtülicherweise als Arbeitnehmer eingestuft wurde,
- die Berechnung fehlerhaft ist.
Vorgehensweise:
- Rasche Reaktion: Bei einer gütlichen Einigung („avis amiable“) senden Sie ein Schreiben mit einer Erklärung an die URSSAF. Bei einer Mahnung („Mise en demeure“) legen Sie innerhalb von zwei Monaten (vier Monaten für ausländische Unternehmen) ab Eingang der Entscheidung Widerspruch ein (gütliche Einigung).
- Begründung mit Belegen: Verträge, A1-Bescheinigungen, Nachweise der tatsächlichen Tätigkeit, Berichtigung der monatlichen Sozialversicherungsbeiträge – „DSN“ (Möglichkeit, 0 Euro anzugeben, wenn nichts geschuldet ist).
- Einspruchsverfahren (contentieux URSSAF): ggf. gerichtliches Verfahren beim „pôle social“ des Tribunal judiciaire. Dieses Verfahren kann erst nach Einlegung eines Rechtsbehelfs bei der Schlichtungskommission eingeleitet werden. Parallel dazu kann per E-Mail mit der URSSAF verhandelt werden, die manchmal im Nachhinein anerkennt, dass keine Zahlungen fällig sind.
Französischen Anwalt einschalten und sich von einem deutsch-französischen Steuerberater unterstützen lassen: Besonders bei größeren Forderungen oder Prüfberichten dringend empfohlen. Der deutsch-französische Anwalt unterstützt, indem er die Kommunikation mit der URSSAF übernimmt. Es ist wichtig, sich von deutsch französischen Anwälten im Sozialrecht beraten zu lassen, damit
12. Praktische Tipps für deutsche Unternehmen
- Nutzen Sie ein deutsch-französisches Lohnabrechnungsbüro („expert-comptable“) und nicht eine billige oder kostenlose Stelle, die Sie beim kleinsten Widerstand im Stich lässt.
- Klären Sie vorab den sozialversicherungsrechtlichen Status bei Entsendungen nach Frankreich (insbesondere mit A1-Bescheinigung),
- Melden Sie sich rechtzeitig bei der URSSAF an – auch als ausländischer Arbeitgeber („employeur sans établissement en France“),
- Verwenden Sie offizielle Portale wie urssaf.fr, net-entreprises.fr, oder autoentrepreneur.urssaf.fr.
13. Fazit
Die URSSAF ist ein zentraler Akteur im französischen Sozialsystem – auch für deutsche Unternehmen. Wer in Frankreich tätig wird, sollte sich frühzeitig mit den Melde- und Abgabepflichten vertraut machen. Fehler können teuer werden, lassen sich aber mit guter Vorbereitung und rechtlicher Begleitung vermeiden. Im Streitfall sollte man schnell und strukturiert vorgehen – idealerweise mit juristischer Unterstützung.
14. FAQ zur URSSAF
Was ist die URSSAF in Frankreich?
Die URSSAF (Unions de Recouvrement des cotisations de Sécurité Sociale et d’Allocations Familiales) ist die französische Behörde für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen. Sie zieht Sozialabgaben für Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosigkeit und Familienleistungen ein und kontrolliert die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch Arbeitgeber und Selbständige.
Wann müssen deutsche Unternehmen in Frankreich bei der URSSAF gemeldet sein?
Sobald ein deutsches Unternehmen Mitarbeiter in Frankreich beschäftigt – sei es durch eine Tochtergesellschaft, eine Betriebsstätte, einen Entsandten oder lokale Mitarbeiter – muss es sich bei der URSSAF als Arbeitgeber registrieren und monatliche Sozialmeldungen (DSN) abgeben. Auch bei Entsendungen sollte frühzeitig geprüft werden, ob eine A1-Bescheinigung ausreicht oder eine Anmeldung in Frankreich notwendig wird.
Was passiert bei einer URSSAF-Betriebsprüfung in Frankreich?
Die URSSAF kann jederzeit eine Sozialversicherungsprüfung durchführen. Dabei werden insbesondere die Lohnabrechnungen, Sozialmeldungen, Verträge und der Einsatz von Subunternehmern oder Selbständigen geprüft. Bei Unregelmäßigkeiten drohen Nachzahlungen, Säumniszuschläge und ggf. auch Strafen wegen Scheinselbständigkeit oder Schwarzarbeit.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bild: Sophie Animes