Urlaubskürzung wegen Kurzarbeit
Veröffentlicht am 15.03.22

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 30.11.2021 (9 AZR 225/21) die umstrittene Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Kurzarbeit für rechtmäßig erkannt.
Kürzung des Jahresurlaubs durch den Arbeitgeber
Eine Verkaufshilfe in einer Bäckerei wurde für die Monate April bis Dezember 2020 wegen der Krise mit dem Coronavirus in die Kurzarbeit geschickt. In den Monaten April, Mai und Oktober 2020 befand sie sich in der vollständigen Kurzarbeit, während sie in den Monaten November und Dezember 2020 nur insgesamt 5 Tage arbeitete. Das bedeutet, sie war drei Monate vollständig von der Arbeitspflicht befreit. Die Arbeitgeberin hat für jeden Monat der sog. „Kurzarbeit Null“ (auch als „Kurzarbeit 0“ bezeichnet), den Jahresurlaub der Arbeitnehmerin um jeweils ein Zwölftel gekürzt.
Kurzarbeiterin verlangt vollständigen Urlaub
Hiergegen hat die Arbeitnehmerin geklagt und machte einen vollständigen Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 geltend. Die Arbeitnehmerin klagte zunächst vor dem Arbeitsgericht Essen.
Die Arbeitnehmerin führte aus, dass Arbeitstage mit den kurzarbeitsbedingt ausgefallenen Arbeitstagen gleichgestellt werden müssten. Ihre Begründung hierfür war Folgende:
- die Zeit während der „Kurzarbeit Null“ sei nicht planbar, da der/die ArbeitnehmerIn jederzeit mit einer Wiederaufnahme der Arbeit rechnen müsse. Außerdem sei der/die Arbeitnehmer während der „Kurzarbeit Null“ zahlreichen sanktionsbewehrten Verpflichtungen gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit ausgesetzt;
- die Situation der Kurzarbeit sei mit dem Annahmeverzug des Arbeitgebers vergleichbar, da das Kurzarbeitergeld den Zweck habe, das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers zu mildern;
- nach den gesetzlichen Vorschriften zum Kurzarbeitergeld sei vor der Gewährung von Kurzarbeitergeld vorrangig Urlaub zu gewähren.
Das Arbeitsgericht Essen wies die Klage jedoch ab (ArbG Essen, Urteil vom 06. Oktober 2020 – 1 Ca 2155/20) mit der Begründung, dass für einen Urlaubsanspruch die korrespondierende Arbeitspflicht als Voraussetzung gelte. Während der „Kurzarbeit Null“ habe jedoch gerade keine Arbeitspflicht bestanden. Daher habe die Arbeitnehmerin in der Zeit auch keine Urlaubsansprüche erworben. Diese Entscheidung bestätigte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in zweiter Instanz. Dagegen zog die Arbeitnehmerin schließlich in die Revision vor das Bundesarbeitsgericht.
Das Bundesarbeitsgericht hatte somit in letzter Instanz darüber zu entscheiden, ob der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch wegen einer „Kurzarbeit Null“ kürzen darf.
Keine Arbeitspflicht, kein Urlaub
Das BAG führte aus, dass der Arbeitnehmerin für den Zeitraum der „Kurzarbeit Null“ keine Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zustehen. Gem. §§1, 3 BurlG verfolgt der Urlaubsanspruch den Zweck, dass sich der/die ArbeitnehmerIn erholt. Hierfür muss jedoch zunächst eine Verpflichtung zur Tätigkeit bestehen. Im Rahmen der Kurzarbeit werden allerdings die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben: Der/die ArbeitnehmerIn braucht nicht zu arbeiten und der/die ArbeitgeberIn keinen Lohn zu zahlen.
Dementsprechend werden wegen des Wegfalls der Arbeitspflicht KurzarbeiterInnen vom BAG wie vorübergehende Teilzeit-ArbeitnehmerInnen angesehen. Somit sei eine anteilige Kürzung des Erholungsurlaubs vorzunehmen. Für jeden vollen Monat der „Kurzarbeit Null“ ist nach Ansicht des BAG der Jahresurlaub daher um 1/12 zu kürzen. Eine Gleichstellung von kurzarbeitsbedingt ausgefallenen Arbeitstagen mit arbeitspflichtigen Arbeitstagen könne weder nach deutschem Recht noch nach dem Recht der Europäischen Union gerechtfertigt werden.
Demnach war die anteilige Kürzung des Jahresurlaubs der Arbeitnehmerin rechtmäßig.
ArbeitgeberInnen dürfen für die Zeit der „Kurzarbeit Null“ den Jahresurlaub ihrer MitarbeiterInnen also anteilig kürzen. Dies dürfte in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der hohen Zahl an Kurzarbeitern wegen der Covid-19-Pandemie weitverbreitete Anwendung finden.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bild: Gina Sanders