Coronavirus und Kurzarbeit in Frankreich
29.04.20

Frankreich passt sich sehr schnell an den Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit während der Coronakrise an
Wie zahlreiche andere Länder auch hat Frankreich speziell für diese außergewöhnliche Situation neue Verordnungen im Arbeitsrecht verabschiedet. Die französische Regierung wurde per Gesetz bevollmächtigt, um ohne das Parlament zu befragen selbst die Regeln festlegen zu können, um sich Tag für Tag an die Geschehnisse anzupassen. Die Kurzarbeit ist eine der wichtigsten Maßnahmen dieses Corona-Pakets im französischen Arbeitsrecht. In der Tat beweisen die Zahlen, dass sehr oft auf Kurzarbeit zurückgegriffen wird: Seit dem 01.04.2020 ist laut dem Arbeitsministerium in etwa einer von fünf Arbeitnehmern in Frankreich in Kurzarbeit.
Wir weisen darauf hin, dass die gesetzlichen Regelungen sich sehr häufig ändern und es deshalb wichtig ist, sich bei einer aktuellen Quelle zu informieren: Genau das bieten wir Ihnen mit diesem Artikel an.
Kurzarbeit für ausländische Unternehmen, auch deutsche, mit einem Arbeitnehmer in Frankreich
Die Verordnung vom 27.03.2020 erweitert die Maßnahme der Kurzarbeit auf ausländische Gesellschaften ohne Betriebsstätte in Frankreich, wenn sie mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigen, der seine Tätigkeit in Frankreich ausübt. Es haben jedoch nur Unternehmen, die in die französische Sozial- und Arbeitslosenversicherung einzahlen, Anspruch auf diese Maßnahme.
Diese Verordnung hat die Maßnahme der Kurzarbeit auch auf Privatpersonen als Arbeitgeber, auf Betreiber von Seilbahnen oder Skipisten und auf öffentliche Unternehmen, die gegen Arbeitslosigkeit selbstversichert sind, erweitert.
Verschiedene Texte haben anschließend Ergänzungen beigefügt in Bezug auf Personen, die Kurzarbeit beanspruchen können und unter welchen Voraussetzungen. So ergänzt die Verordnung Nr. 2020-428 vom 15.04.2020 insbesondere:
- Führungskräfte können nur in Kurzarbeit versetzt werden, wenn ihre Niederlassung ganz oder teilweise schließt.
- Arbeitnehmer, die über eine Trägergesellschaft tätig sind, können Kurzarbeit beantragen, auch während einem Zeitraum ohne Tätigkeit.
- Arbeitnehmer von Zeitarbeitsunternehmen haben Anspruch auf ihre monatliche Mindestvergütung.
Die Verordnung Nr. 2020-435 vom 16.04.2020 wiederum bringt Erläuterungen zur Berechnung des Kurzarbeitergelds für bestimmte atypische Arbeitnehmer.
Dementsprechend werden nichtgearbeitete Stunden von Arbeitnehmern mit einer jährlichen Tages- oder Stundenpauschale wie folgt berechnet:
- ½ Tag = 3,5 Stunden;
- 1 Tag = 7 Stunden;
- 1 Woche = 35 Stunden.
Bei Arbeitnehmern mit einer variablen Vergütung wird ihr Referenzgehalt berechnet, indem der Durchschnitt der über die letzten 12 Kalendermonate vor der Kurzarbeit gezahlten variablen Vergütungen berücksichtigt wird.
Ausgenommen von der Berechnung des Referenzgehalts sind Spesen, jährlich gezahlte Gehaltsbestandteile ohne Zusammenhang mit der tatsächlichen Arbeit und nicht betreffen vom Rückgang oder Ausbleiben einer Tätigkeit, sowie das Urlaubsentgelt, wenn es in der monatlichen Vergütung enthalten ist.
Allerdings werden durch Artikel 20 des Gesetzes 2020-473 vom 25.04.2020 Arbeitnehmer, die ein Kind unter 16 Jahren oder ein behindertes (minder- oder volljähriges) Kind betreuen müssen, ab dem 01.05.2020 automatisch in Kurzarbeit versetzt. Diese Arbeitnehmer werden das Kurzarbeitergeld in Höhe der Entschädigung für eine vollständige Einstellung der Arbeitsleistung erhalten, die identisch ist mit der Entschädigung für die Arbeitnehmer, die aufgrund eines Rückgangs der Unternehmenstätigkeit in Kurzarbeit sind. Diese Versetzung in Kurzarbeit wird für die Dauer der Isolationsmaßnahme, des Ausschlusses oder des Verbleibs zu Hause fortgesetzt. Diese Bestimmung findet vor allem Anwendung bei Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber bis zum 01.05.2020 noch keinen Antrag auf Kurzarbeit mit vollständiger Einstellung der Arbeitsleistung gestellt haben.
Die Krankenkasse weist darauf hin, dass der Arbeitgeber nach dem 30. April keine Krankschreibungen mehr wegen Kinderbetreuung anmelden darf und dass keine Verlängerung einer Krankschreibung als Ausnahme mehr übermittelt werden darf. Für Krankschreibungen, deren Ende nach diesem Zeitpunkt liegt, muss der Arbeitgeber über seine Sozialerklärung (DSN) die vorzeitige Wiederaufnahme der Arbeit durch den betreffenden Arbeitnehmer melden. Anschließend muss er einen Antrag auf Kurzarbeit auf der entsprechenden Website der Regierung stellen, und zwar innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab dem 01.05.2020. Außerdem muss er seine Arbeitnehmer informieren, wann die Maßnahme zur Kinderbetreuung endet und die Versetzung in Kurzarbeit beginnt.
Diese automatische Versetzung in Kurzarbeit findet auch Anwendung auf andere Personen, die bisher im Rahmen einer ausnahmsweisen Krankschreibung entschädigt wurden und nicht an einer Krankheit im Zusammenhang mit dem Covid-19 leiden. Es handelt sich um:
- gefährdete Personen, für die eine Gefahr besteht, dass sie eine schwere Form der Covid-19-Infektion entwickeln können (z.B. Schwangere, Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen, usw.);
- Arbeitnehmer des Unternehmens, die mit der gefährdeten Person zusammenwohnen.
Für diese Personen findet diese Maßnahme Anwendung bis zu einem durch eine Verordnung festgelegten Zeitpunkt und spätestens bis zum 31.12.2020.
Für diese Personen weist die Krankenkasse darauf hin, dass der Arbeitnehmer, der vorsorglich krankgeschrieben wird, seinem Arbeitgeber eine Bescheinigung zur Isolierung übermitteln muss, die er von der Krankenkasse erhält oder die ihm von einem Arzt ausgestellt wird. Der Arbeitgeber muss auch die vorzeitige Wiederaufnahme der Arbeit durch diese Arbeitnehmer über die DSN-Erklärung für die laufenden Krankmeldungen, deren Ende nach dem 30. April liegt, melden. Anschließend stellt er einen Antrag auf Kurzarbeit auf der entsprechenden Website der Regierung, und zwar innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab dem 01.05.2020. Der Arbeitgeber muss auch in diesem Fall seine Arbeitnehmer informieren, wann die Versetzung in Kurzarbeit beginnt.
Wann kann der Arbeitgeber auf Kurzarbeit zurückgreifen?
Ein Unternehmen kann auf Kurzarbeit zurückgreifen, wenn ein Rückgang der Tätigkeit verzeichnet wird und einer der folgenden Punkte zutrifft:
- entweder wurden andere Möglichkeiten bereits ausgeschöpft, wie das Einreichen von RTT (Ruhetagen) oder Krankschreibungen für Eltern, die ihre Kinder unter 16 Jahren betreuen,
- oder es kam für bestimmte Tätigkeiten zu einer unverzüglichen Einstellung der Tätigkeit.
Dazu müssen innerhalb von zwei Monaten nach dem Antrag zur Kurzarbeit die Arbeitnehmervertreter (darunter auch der französische Betriebsrat) befragt werden, wenn es mehr als 50 Arbeitnehmer im Unternehmen gibt.
Laut der aktuellen Gesetzgebung kann die Coronavirus-Epidemie eine außergewöhnliche Situation darstellen, welche die Inanspruchnahme von Kurzarbeit rechtfertigt.
- Zum Beispiel: Wenn zahlreiche Arbeitnehmer, die für die Tätigkeit des Unternehmens unentbehrlich sind, abwesend sind aufgrund einer Ansteckung mit dem Coronavirus oder aufgrund ihrer Quarantäne, kann gerechtfertigt sein, dass für die anderen Arbeitnehmer Kurzarbeit eingeführt wird;
- Ebenso, wenn die Staatsgewalt entscheidet, Unternehmen zu schließen, um die Epidemie nicht zu verschlimmern, kann für Arbeitnehmer Kurzarbeit eingeführt werden;
- Das Gleiche gilt für den Fall, dass Versorgungsschwierigkeiten, die Stornierung von Bestellungen oder ein anderer bedeutender Rückgang der Tätigkeit im Zusammenhang mit der Epidemie auftreten.
Welche Möglichkeiten gibt es für Kurzarbeit?
Diese Kurzarbeit kann sich unterschiedlich gestalten:
- eine Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit;
- eine vorübergehende Schließung eines Teils oder des gesamten Standorts.
Es ist möglich, nur eine Abteilung oder Produktionsstätte zu schließen, wenn die anderen noch weiterarbeiten können.
Die Verordnung Nr. 2020-460 vom 22.04.2020 führt des Weiteren eine Individualisierung der Kurzarbeit zwischen Arbeitnehmern der gleichen Niederlassung, Abteilung, Werkstatt oder der gleichen Berufsgruppe ein, wenn diese Individualisierung notwendig ist, um die Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme der Tätigkeit zu gewährleisten.
Die Individualisierung muss durch eine Betriebsvereinbarung für das Unternehmen, die Niederlassung oder andernfalls für die Branche eingeführt werden. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss (CSE) muss zumindest informiert werden. Gibt es keine Vereinbarung, wird die Individualisierung nach Zustimmung des CSE oder des Betriebsrats eingeführt.
Wie beantragt man eine Genehmigung zur Kurzarbeit?
Der Antrag wird bei der französischen Arbeitsaufsichtsbehörde Direccte gestellt, die innerhalb von 2 Tagen antworten muss. Ohne Rückmeldung innerhalb von 2 Tagen gilt die Genehmigung als erteilt. Diese Genehmigung begründet anschließend einen Anspruch auf Rückerstattung der Entschädigungen, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern zahlt.
Aus diesem Grund empfehlen wir, soweit möglich, diese behördliche Genehmigung einzuholen, bevor die Tätigkeit des Unternehmens reduziert oder ausgesetzt wird.
Denn auch wenn der Antrag auf Kurzarbeit ausnahmsweise einen Zeitraum von bis zu 30 Tagen vor dem Antrag betreffen kann, kann die Behörde die Genehmigung auf Kurzarbeit dennoch ablehnen. Wird ein Antrag abgelehnt, so muss dies begründet werden.
Die Genehmigung zur Kurzarbeit wegen des Coronavirus wird für einen Zeitraum von höchstens 12 Monaten erteilt und kann verlängert werden.
Welche Kostenübernahme für Kurzarbeit im Zusammenhang mit dem Coronavirus?
Dem Arbeitgeber wird in diesem Rahmen eine Kurzarbeit von bis zu 1.607 Stunden pro Jahr und pro Arbeitnehmer gewährt, was der gesetzlichen Arbeitsdauer, also 35 Stunden pro Woche, entspricht.
Die Verordnung Nr. 2020-460 vom 22.04.2020 sieht vor, dass die strukturellen Überstunden für die Berechnungsgrundlage des Kurzarbeitergelds berücksichtigt werden. Es handelt sich jedoch nur um die folgenden Stunden:
- Überstunden, die von individuellen Vereinbarungen zu einer Stundenpauschale vorgesehen sind;
- Überstunden, die sich aus einem Tarifvertrag ergeben, welcher eine kollektive Arbeitszeit über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus vorsieht, wie beispielsweise die Tarifverträge von Hotels, Cafés und Restaurants (39 Stunden) oder von Privatpersonen als Arbeitgeber (40 Stunden);
- Überstunden, die sich aus einer kollektiven Arbeitsvereinbarung, wie zum Beispiel einer Betriebsvereinbarung, ergeben, welche vor dem 24.03.2020 unterzeichnet wurde.
Der Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer in Kurzarbeit wird während den nicht gearbeiteten Zeiträumen ausgesetzt. Sie erhalten eine Entschädigung vom Arbeitgeber, die zum gewöhnlichen Zeitpunkt der Lohnauszahlung geleistet wird. Grundsätzlich muss diese mindestens 70 % seiner stündlichen Bruttovergütung (also ungefähr 84 % des Nettogehalts) oder 100 %, wenn der Arbeitnehmer den Mindestlohn oder weniger verdient, entsprechen.
Die dem Arbeitnehmer gezahlte Entschädigung für Kurzarbeit ist bis zu gewissen Höchstgrenzen von Sozialabgaben und Arbeitgeberbeiträgen für die Sozialversicherung befreit.
Der Arbeitgeber beantragt anschließend bei der Agence de Services et de Paiement (ASP) eine Rückerstattung der den Arbeitnehmern in Kurzarbeit gezahlten Entschädigungen.
Eine Verordnung vom 25.03.2020 hat auch die Kostenübernahme für Unternehmen und Arbeitnehmer geändert. Diese Kostenübernahme beträgt nunmehr 70 % der Bruttovergütung der Arbeitnehmer (also in etwa 84 % der Nettovergütung), jedoch höchstens den 4,5-fachen Mindestlohn. Diese Beihilfe kann nicht weniger als 8,03 Euro, also den Wert des Mindestlohns, pro Arbeitsstunde in Kurzarbeit betragen.
Die französische Regierung hat am 31.03.2020 auch mitgeteilt, dass Unternehmen, welche die Vergütung ihrer Arbeitnehmer während der Kurzarbeit zu 100 % fortzahlen möchten, für diesen Restbetrag von Sozial- und Arbeitgeberabgaben befreit werden. Die Kosten einer solchen Lohnfortzahlung belaufen sich für die Unternehmen somit auf ungefähr 16 % der Nettovergütung der Arbeitnehmer. Laut der Ankündigung der französischen Regierung gilt diese Maßnahme rückwirkend zum 01.03.2020. Es wurde jedoch noch kein offizieller Text verabschiedet, um dieser Maßnahme eine rechtliche Grundlage zu geben.
Wir empfehlen Unternehmen, die sich dazu entscheiden, 100 % der Nettovergütung der Arbeitnehmer fortzuzahlen, diese Maßnahme formal abzusichern, und zwar durch eine einseitige Entscheidung des Arbeitgebers oder eine Betriebsvereinbarung.
Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung
Es ist auch möglich, diese verlängerte Unterbeschäftigung oder die völlige Einstellung der Tätigkeit, zu nutzen, um eine Weiterbildung beim Nationalen Beschäftigungsfonds (FNE) zusätzlich zur Kurzarbeit zu beantragen, um in die Kompetenzen der Arbeitnehmer zu investieren. Diese Maßnahme ermöglicht die Umsetzung von Weiterbildungen, um die Fortsetzung der Tätigkeit der Arbeitnehmer angesichts der Veränderung aufgrund wirtschaftlicher und technologischer Entwicklungen zu erleichtern. In diesem Fall übernimmt der französische Staat 100 % der Weiterbildungskosten, und zwar ohne Höchstbetrag pro Stunde.
Weitere Maßnahmen für Selbständige
Unternehmen und Personen, die keine Arbeitnehmer sind, können im Rahmen der „Corona-Pakets“ im Wirtschaftsrecht auf andere Hilfen zurückgreifen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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