Variable Vergütung für Urlaubsentgelt mitberechnet

12.04.22
Anspruch auf Urlaubsentgelt für die variable Vergütung
Variable Vergütung für Urlaubsentgelt mitberechnet
Anspruch auf Urlaubsentgelt für die variable Vergütung

Berechnung des Urlaubsentgelts bei variabler Vergütung

Während des Urlaubs wird dem deutschen Arbeitnehmer sein Lohn als sog. Urlaubsentgelt fortbezahlt. Besteht der Lohn aus einem Festgehalt und einer variablen Vergütung, auch Provision genannt, stellt sich im deutschen Arbeitsrecht die Frage nach der genauen Höhe dieses Urlaubsentgelts. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 27.07.2021 – 9 AZR 376/20 Klarheit geschaffen.

Urlaubsentgelt auf Provisionsabschlag

Im zugrunde liegenden Fall setzte sich das Jahresgehalt eines Vertriebsbeauftragten zu 60% aus seinem Festgehalt und zu 40% aus einem variablen Gehaltsbestandteil zusammen. Die Höhe der Provision, welche anfangs viertel- und später halbjährig abgerechnet wurde, hing von dem Grad der Erreichung der Vertriebsziele ab. Bei der Abrechnung der Provision berücksichtigte der Arbeitgeber für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer sich im Urlaub befand, sämtliche Umsätze im Kundenstamm des Arbeitnehmers, u.a. solche, die von der Urlaubsvertretung vermittelt wurden oder durch spontane Geschäfte. Er unterschied bei der Abrechnung der Provision nicht zwischen Umsätzen an Urlaubstagen oder außerhalb des Urlaubs.

Der Arbeitnehmer erhielt monatlich ein Zwölftel seines Jahresfestgehalts sowie eines Abschlags von 75% auf die Provision. Auch während des Urlaubs. Der Arbeitnehmer verlangte jedoch, dass sich sein Urlaubsentgelt nicht auf das Festgehalt und den Abschlag für die Provision beläuft, sondern dass es sich nach seiner dem Urlaub vorangegangenen konkreten Vergütung, einschließlich der Provision, bemisst. Er wollte also nicht, dass der während seines Urlaubs von seiner Urlaubsvertretung erzielte Umsatz in die Berechnung des Urlaubsentgelts einfloss, sondern dass sein persönlicher üblicher Umsatz und seine daraus folgende Provision für das Urlaubsentgelt zugrunde gelegt werden. Der Arbeitgeber lehnte allerdings ab. Er sah in dieser Vorgehensweise eine Doppelbelastung. Der Arbeitnehmer zog deshalb vor das Arbeitsgericht.

In der ersten Instanz wurde die Klage mit Urteil am 5. September 2019 durch das Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt abgewiesen (ArbG Frankfurt/Main, 18.06.2013 – 8 Ca 877/13.). Das Gericht entschied, dass die Provision nicht in die Berechnung des Urlaubsentgelts miteinzurechnen sei und der Arbeitnehmer daher keinen Zahlungsanspruch daraus habe. Gegen dieses Urteil legte der Arbeitnehmer Berufung ein. Das Landesarbeitsgericht (LAG) bestätigte am 19. Juni 2020 die Entscheidung des Arbeitsgerichts an (LAG Hessen, 19.06.2020 – 14 Sa 1335/19). Der Arbeitnehmer legte daraufhin Revision vor dem Bundesarbeitsgericht ein und hatte Erfolg (BAG, Urteil vom 27.07.2021 – 9 AZR 376/20). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Berechnung auf Festgehalt und Provision?

Die Richter hatten darüber zu entscheiden, ob die Provision zum „durchschnittlichen Arbeitsverdienst“ im Sinne von §11 I 1 BurlG gehört. Nach dem Gesetz bemisst sich die Höhe des Urlaubsentgelts für den bezahlten Erholungsurlaub nach dem „durchschnittlichen Arbeitsverdienst“, das der/die ArbeitnehmerIn in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Das heißt, der/die ArbeitnehmerIn soll grundsätzlich diejenige Vergütung erhalten, welche er/sie auch bei tatsächlicher Arbeit bezogen hätte.

Durchschnittlicher Arbeitsverdienst oder Ausnahmezahlung?

Es kommt also darauf an, ob die Provision als Teil des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes angesehen wird oder als zusätzlicher Arbeitsverdienst im Sinne einer Ausnahmezahlung. Das BAG erteilte darauf eine klare Antwort.

Das BUrlG erfordert eine Auslegung im Einklang mit dem Europarecht, konkret mit der Richtlinie 2003/88/EG (sog. EU-Urlaubsrichtlinie). Nach dem Europarecht ist der Anspruch auf Urlaubsentgelt untrennbar mit dem Recht auf Erholungsurlaub verknüpft. Der Arbeitnehmer muss während seines Urlaubs finanziell so gestellt werden, als würde er arbeiten. Erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile, wie die Provision, können vom Arbeitgeber als Gegenleistung für den Arbeitsverdienst des Arbeitnehmers vereinbart werden können. Ist dies der Fall, ist der Arbeitgeber zur Zahlung dieser vereinbarten Vergütung nach § 611 a II BGB verpflichtet. Wenn nun die Provision als Bestandteil des gewöhnlichen Arbeitsentgelts bei der Berechnung des Urlaubsentgelts nicht berücksichtigt wird, verstößt dies gegen die Bestimmung des „durchschnittlichen Arbeitsverdienstes“ aus §§ 1, 11 I 1 BurlG. Daher ist bei der Bemessung des Urlaubsentgelts die Provision als Teil des Arbeitsentgelts miteinzubeziehen.

Entscheidend war für die Richter des BAG, dass die Provision im vorliegenden Fall Teil der vertraglichen Vergütung war. Es kommt also von Fall zu Fall darauf an, genau zu prüfen, wie die Provision zu bewerten ist. So kann festgestellt werden, ob dem Arbeitnehmer ein Urlaubsentgelt unter Berücksichtigung der Provision zusteht oder nicht. Und angesichts mancher sehr hohen variablen Vergütungen ist dieser Punkt umso wichtiger.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: Nuthawut

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