Ernstes Weiterbeschäftigungsangebot während Streit über die Kündigung

Veröffentlicht am 08.06.23
Das ernste weiterbeschäftigungsangebot im konflikt über die Kündigung
Ernstes Weiterbeschäftigungsangebot während Streit über die Kündigung
Das ernste weiterbeschäftigungsangebot im konflikt über die Kündigung

Angebot zur Weiterbeschäftigung beim Kündigungsstreit ist wichtig

Der deutsche Arbeitgeber muss die Vorschiften über das Angebot einer Weiterbeschäftigung an den Arbeitnehmer einhalten, wenn er eine Chance haben will, bis zum Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens mit ihm, den Lohn nicht fortzahlen. Der Arbeitnehmer hat nämlich grundsätzlich keinen Lohnfortzahlungsanspruch, wenn er ein Weiterbeschäftigungsangebot ablehnt.

Der Arbeitgeber muss aber die Formalien einhalten und das Angebot ernst meinen. Sonst kann diese Strategie kontraproduktiv sein. Es ist daher immer wichtig, den Rat eines auf deutsches Arbeitsrecht spezialisierten Anwalts einzuholen, um die Beziehungen zum Arbeitnehmer während des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht zu sichern.

Pflicht zur Abgabe eines Angebots zur Weiterbeschäftigung

Die Pflicht für den Arbeitgeber, eine Weiterbeschäftigung anzubieten, ist im § 102 Abs. 5 des deutschen Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) verankert.

Mit der Weiterbeschäftigung kann die Arbeitsbeziehung nämlich während des Streitverfahrens aufrechterhalten werden und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden, den Arbeitsvertrag zu erfüllen. Sollte am Ende des Kündigungsschutzverfahrens die Kündigung als rechtswirksam erklärt werden, so sind die finanziellen Folgen dank der Weiterbeschäftigung abgemildert.

Das Angebot ist durch den Arbeitgeber nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage abzugeben. Er muss dem Arbeitnehmer schriftlich anbieten, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen. Sonst hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterbeschäftigungsvergütung.

Das Angebot zur Weiterbeschäftigung muss ernst gemeint sein

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 29. März 2023 (5 AZR 255/22) entschieden, dass nach deutschem Arbeitsrecht ein Arbeitgeber bei einer fristlosen Kündigung Lohn zahlen muss, wenn er ein Weiterbeschäftigungsangebot für den Zeitraum während des Streits über die Wirksamkeit der Kündigung ganz offensichtlich nicht ernst meint. Der Arbeitnehmer braucht dabei seine Arbeitskraft nicht anzubieten.

Fristlose Kündigung mit Weiterbeschäftigungsangebot

Der Arbeitnehmer war seit dem 16. August 2018 als technischer Leiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Die Arbeitgeberin sprach mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 eine fristlose Änderungskündigung aus und bot ihm einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler mit verminderter Vergütung an. Er sollte die Arbeit als Softwareentwickler drei Wochentage später antreten.

Der Arbeitnehmer lehnte das Änderungsangebot ab und erschien auch nicht zur Arbeit.

Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin dem Arbeitnehmer mit Schreiben vom 14. Dezember 2019 außerordentlich zum 17. Dezember 2019 um 12:00 Uhr. Ferner wies die Arbeitgeberin darauf hin, dass sie den Arbeitnehmer im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung zum Arbeitsantritt am 17 Dezember 2019, spätestens um 12:00 Uhr, erwarte.

Der Arbeitnehmer leistete dem wieder nicht Folge. Er erhob Kündigungsschutzklage. In dem Kündigungsschutzprozess wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst haben.

Da die Arbeitgeberin für den Monat Dezember 2019 nur einen Bruchteil der Vergütung gezahlt hatte und der Arbeitnehmer erst zum 1. April 2020 ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, erhob der Arbeitnehmer Klage auf Lohnzahlung wegen Annahmeverzug. Er forderte die Zahlung des arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalts abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes bis zum Antritt der neuen Beschäftigung.

Klage in beiden Instanzen erfolglos

Der Arbeitnehmer argumentierte damit, dass die Arbeitgeberin sich aufgrund ihrer unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug befunden habe, also seine Arbeitsleistung nicht angenommen habe. Das Weiterbeschäftigungsangebot sei nicht ernst gemeint und zumindest unzumutbar gewesen. Die Kündigungsbegründung werfe ihm zu Unrecht wiederholtes Fehlverhalten vor und würdigte seine Person herab. Die Arbeitgeberin hingegen behauptete, sie habe sich nicht im Annahmeverzug befunden, da der Arbeitgeber während des Kündigungsschutzprozesses nicht bei ihr weitergearbeitet habe. Da der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess einen Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung gestellt hatte, sei er selbst von der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausgegangen.

Sowohl das Arbeitsgericht Leipzig als auch das sächsische Landesarbeitsgericht als Berufungsinstanz haben die Klage abgewiesen bzw. die Berufung abgewiesen. Deren Begründung: Der Arbeitnehmer hatte das Angebot zur Weiterbeschäftigung nicht angenommen. Deshalb sei die Arbeitgeberin nicht im Annahmeverzug gewesen.

Annahmeverzug auch ohne Anbieten der Arbeitskraft möglich

Mit der Revision vor dem BAG hat der Arbeitnehmer sein Ziel erreicht.

Das BAG stellte hinaus fest, dass sich die Arbeitgeberin im Annahmeverzug befand und Lohn schuldete, auch wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit während des Kündigungsschutzprozesses nicht angeboten hatte. Die Begründung ist die folgende.

Das Verhalten der Arbeitgeberin war widersprüchlich:

  • Sie kündigte das Arbeitsverhältnis, da seine Fortsetzung aufgrund des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers nicht zumutbar sei;
  • Sie bot aber gleichzeitig „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung an.

Es spricht somit eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Arbeitnehmer nicht von einem ernst gemeinten Angebot auf Weiterbeschäftigung ausgehen konnte. Dass der Vorschlag der Weiterbeschäftigung doch ernst gemeint gewesen sei, legte die Arbeitgeberin nicht dar.

Außerdem kann, nur weil der Arbeitnehmer das Weiterbeschäftigungsangebot ablehnte, nicht schon auf einen fehlenden Arbeitswillen geschlossen werden.

Die Arbeitgeberin kann dem Arbeitnehmer in diesem Fall auch nicht vorwerfen, dass er es böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen (hier durch weitere Tätigkeit bei der gleichen Arbeitgeberin) und einen fiktiven unterlassenen Verdienst anrechnen. Denn dem Arbeitnehmer war eine Weiterbeschäftigung aufgrund des herabwürdigenden Kündigungsinhaltes nicht zuzumuten.

Unerheblich ist auch, dass der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses die Weiterbeschäftigung beantragte. Dieser Antrag war lediglich auf eine Beschäftigung nach Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichtet und stand somit nicht im Widerspruch zu seiner Ablehnung des Weiterbeschäftigungsangebots der Arbeitgeberin vor dem Prozess.

Fazit: Weiterbeschäftigungsangebot häufig widersprüchlich

Für Arbeitgeber ist ein Weiterbeschäftigungsangebot nicht immer eine kluge Strategie, denn das kann die Begründung einer Kündigung im Prozess erschweren und schützt trotz Ablehnung durch den Arbeitnehmer nicht automatisch gegen Lohnforderungen. Besser sollte im Einzelfall entschieden werden.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: Africa Studio

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