Anwendung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 auf alte Verträge

Veröffentlicht am 28.09.23
Anwendbares Recht auf einen Vertrag nach dem Übereinkommen Rom von 1980
Anwendung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 auf alte Verträge
Anwendbares Recht auf einen Vertrag nach dem Übereinkommen Rom von 1980

Um das auf einen Vertrag, an dem mehrere europäische Staaten beteiligt sind, anwendbare Recht zu bestimmen, ist einer der ersten Reflexe häufig die Anwendung der europäischen Verordnung vom 17. Juni 2008 über auf das vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, auch „Rom I“ genannt. Diese ist jedoch nur auf Verträge anwendbar, die nach dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden. Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, dass noch laufende Verträge vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden oder dass alte beendeten Verträge im Mittelpunkt von Streitigkeiten stehen, die bis heute noch nicht entschieden wurden. In solchen Fällen muss manchmal das Übereinkommen von Rom vom 19. Juni 1980 auf den Vertrag angewendet werden (das durch die Verordnung „Rom I“ ersetzt wurde). Genau dies hat der Kassationsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. November 2022 getan, indem er die Anwendung dieses Übereinkommens näher erläuterte.

Tragweite des auf den Vertrag anwendbaren Rechts

Das Unternehmen Conforama hatte von 2004 bis 2006 das amerikanische Unternehmen Mab Ltd (Mab) als Lieferanten, das sich seit dem 21. Dezember 2006 in einvernehmlicher Liquidation befand. Zwei italienische Unternehmen, die Gläubiger von Mab waren, ließen bei Conforama eine vorläufige Pfändung durchführen. Es ging diesen Unternehmen darum, ihre Forderungen gegen ihre amerikanische Schuldnerin direkt bei Conforama einzutreiben, die ihrerseits Schuldnerin von Mab war.

Nachdem Conforama zunächst erklärt hatte, dass es tatsächlich Schuldner von Mab sei, machte es einen Rückzieher und gab schließlich an, eine Forderung gegenüber Mab in Bezug auf drei Rechnungen aus Verträgen über kommerzielle Zusammenarbeit zu haben. Da seine Forderung mit seiner Schuld gegenüber Mab verrechnet wurde, war Conforama der Ansicht, dass er Mab nicht mehr schuldete. Die vorläufigen Pfändungen waren daher nicht gerechtfertigt.

Im Jahr 2008 verklagte eines der italienischen Unternehmen Conforama, um dessen Rechnungen gegenüber Mab anzufechten. Das Berufungsgericht Paris gab dieser Klage statt und stellte fest, dass auf die Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit zwischen Mab und Conforama französisches Recht anzuwenden sei. Nach französischem Recht waren diese Verträge und die daraus resultierenden Rechnungen jedoch mit Unregelmäßigkeiten behaftet. Die von Conforama geltend gemachte Verrechnung konnte daher nicht zum Tragen kommen. Conforama versuchte nachzuweisen, dass das französische Recht auf seinen Vertrag nicht anwendbar ist.

Conforama legte Kassationsbeschwerde ein und versuchte, die Nichtanwendbarkeit des französischen Rechts auf Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit anhand von zwei Hauptargumenten zu belegen:

1) Die Unidroits-Grundsätze seien allein auf die Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit zwischen Conforama und Mab anwendbar ;

2) andernfalls wäre gemäß Artikel 4 des Übereinkommens von Rom das US-amerikanische Recht auf diese Verträge anwendbar, da es als Recht des Staates, in dem der Lieferant (Mab) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die engsten Verbindungen zu diesen Verträgen unterhält.

Keines dieser Argumente wurde von den hohen Richtern akzeptiert. 

Der Vertrag unterliegt grundsätzlich nationalem Recht

Für Conforama sehen die Unidroit-Grundsätze selbst vor, dass sie angewendet werden können, wenn die Parteien zustimmen, dass ihr Vertrag den allgemeinen Rechtsgrundsätzen unterliegt. Dies könnte daher einer konkludenten Wahl des Vertragsrechts im Sinne des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 gleichkommen.

Im vorliegenden Fall sahen die Allgemeinen Einkaufs- und Lieferbedingungen (AEB) sowie der Liefervertrag, die Mab und Conforama verbanden, die Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze vor. Da sich die Verträge über die kommerzielle Zusammenarbeit aus den AVB und dem Liefervertrag ableiten – die zusammen eine Gruppe von Verträgen bilden – musste die von den Parteien getroffene Rechtswahl auf alle Verträge der Gruppe angewandt werden.

Der Kassationsgerichtshof wischt die Argumente von Conforama beiseite. Er stellt fest, dass die Unidroit-Grundsätze kein wählbares Recht im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 darstellen. Mit anderen Worten: ein Vertrag muss zwingend einem staatlichen Recht unterliegen (z. B. französisches Recht, italienisches Recht…): Die Parteien können sich nicht von dieser Regel befreien, indem sie versuchen, nur allgemeine Rechtsgrundsätze oder jede andere nichtstaatliche Norm zu bestimmen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Neuheit: Die Regel ist seit Jahrzehnten in der Rechtsprechung verankert.

Der Kassationsgerichtshof hatte nun zu entscheiden, ob die Bestimmung des französischen Rechts durch das Berufungsgericht als das auf die Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit zwischen Conforama und Mab anwendbare Recht gerechtfertigt war.

Anwendung des französischen Rechts und das Übereinkommen von Rom aus dem Jahr 1980

Conforama vertrat die Auffassung, dass mangels Anwendung der Unidroit-Grundsätze das US-amerikanische Recht auf Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit anwendbar sei, da es als Recht des Staates, in dem Mab seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die engsten Verbindungen zu diesen Verträgen unterhalte.

Artikel 4§1 des Übereinkommens von Rom vom 19. Juni 1980 sieht vor, dass der Vertrag mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. In Artikel 4 Absatz 2 wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen zu einem anderen Land aufweist.

Das Berufungsgericht hatte eine andere Auslegung gewählt. Zunächst hatte es festgestellt, dass der Vertrag über die kommerzielle Zusammenarbeit nicht mit den AVB und dem Lieferantenvertrag verknüpft war. Dann hatte es festgestellt, dass es in Wirklichkeit die in Frankreich ansässige Conforama war, die die für den Vertrag über kommerzielle Zusammenarbeit charakteristische Leistung erbrachte (Verkaufsförderung und Sichtbarkeit der Mab-Produkte in den französischen Conforama-Geschäften), weshalb das französische Recht anzuwenden war.

Der Kassationsgerichtshof bestätigt die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung. Zunächst ist er der Ansicht, dass die Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit zwischen Conforama und Mab sehr wohl von den AVB und dem Liefervertrag getrennte Verträge sind. Die Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit unterliegen daher nicht unbedingt demselben Recht.

Darüber hinaus stellte das Berufungsgericht zu Recht fest, dass aufgrund des Gegenstands der Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit (Verkaufsförderung durch physische Kataloge oder im Internet, Sichtbarkeit der Produkte in den Geschäften) diese engere Verbindungen zu Frankreich aufwiesen. Außerdem musste diese charakteristische Leistung von Conforama und nicht von dem amerikanischen Lieferanten Mab erbracht werden. Die Anwendung des französischen Rechts auf Verträge über kommerzielle Zusammenarbeit ist somit gerechtfertigt. Da die Rechnungen nach französischem Recht nicht ordnungsgemäß waren, kann sich Conforama nicht auf sie berufen, um den italienischen Unternehmen eine Aufrechnung entgegenzuhalten.

Vorsicht bei der Wahl des anwendbaren Rechts

Angesichts der vom Kassationsgericht vorgenommenen Erinnerung an die notwendige Unterwerfung eines Vertrags unter ein staatliches Recht kann man den Wirtschaftsakteuren nur raten, die Frage des anwendbaren Rechts zu klären. Da es je nach gewähltem Rechtssystem große Unterschiede gibt, insbesondere zwischen dem Recht der römischen Tradition (z. B. Frankreich, Italien) und dem Common Law (USA, Vereinigtes Königreich usw.), kann die Rechtsunsicherheit in Bezug auf den Vertrag schwerwiegende Folgen haben. Dieses Thema bleibt im Übrigen auch deshalb komplex, weil sich die Regeln im Laufe der Jahre ändern. So unterliegt beispielsweise die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Europa nicht mehr wie früher den Regeln des Exequaturverfahrens. Man muss sich also ständig auf dem Laufenden halten!

Bei der Abfassung und Verhandlung eines internationalen Vertrags ist es am sichersten, sich von einem Anwalt beraten zu lassen, der mit grenzüberschreitenden Beziehungen vertraut ist.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: blende11.photo

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