Beweislastverteilung im Organhaftungsprozess gegen ausgeschiedene Geschäftsführer

25.03.19
Beweis der Haftung
Beweislastverteilung im Organhaftungsprozess gegen ausgeschiedene Geschäftsführer
Beweis der Haftung

Wie verteilt sich die Darlegungs- und Beweislast bei einer Inanspruchnahme der Haftung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers? Der BGH hat zu dieser wichtigen Frage im Rahmen eines kürzlich ergangenen Beschlusses vom 20.11.2018 Stellung bezogen.

Finanzielle Unterstützung einer später insolventen Tochtergesellschaft

Eine Käuferin hat 2006 mit der Eigentümerin einer Reha-Klinik einen Vertrag über deren Übertragung geschlossen, und zwar in der Form eines Share Deals: Es wurden die Geschäftsanteile an der GmbH & Co. KG, die die Reha-Klinik betrieb, gekauft. Im Gegenzug hat sich die Käuferin verpflichtet, zur Fortführung des Geschäftsbetriebs der Reha-Klinik, die erforderlichen Geldmittel darlehensweise zur Verfügung zu stellen.

Anfang Juli 2012 ist der Geschäftsführer aus der Geschäftsführung der Käuferin ausgeschieden. Zwischen 2012 und 2013 hat sich die Unternehmensgruppe, der die Käuferin gehörte, entschieden, das Projekt der Reha-Klinik zu beenden. Ende September 2014 hat auch der nächste Geschäftsführer der Käuferin sein Amt niedergelegt.

Die Käuferin hat ihre beiden ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz verklagt. Grund dafür ist, dass die Geschäftsführer im Zeitraum von Januar 2010 bis Anfang Juni 2012 der Reha-Klinik, ohne Einverständnis der Gesellschaft, ungesicherte Liquiditätshilfen gewährt haben. Ohne diese Zahlungen wäre die Klinik bereits 2009 insolvent gewesen. Die Käuferin hatte kein Interesse an den weiteren Geldflüssen zugunsten der Reha-Klinik und stellte daher die finanzielle Unterstützung durch die ehemaligen Geschäftsführer in Frage.

Beweislast der Kenntnis der Gesellschaft liegt bei den Geschäftsführern

Die Geschäftsführer haben sich mit dem Argument verteidigt, dass die Käuferin und deren Gesellschafter sehr wohl über die Zahlungen sowie das Sanierungsvorhaben Bescheid wussten.

Grundsätzlich lastet nach Ansicht der Richter die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns auf den ausgeschiedenen Geschäftsführern. Sie müssen darlegen, dass die Geldmittelflüsse durch ein Einverständnis der Gesellschaft gedeckt waren. Die Geschäftsführer haben nach ihrem Ausscheiden allerdings keinen Zugriff mehr auf gesellschaftsinterne Unterlagen. Deswegen haben sie das Recht, von der Gesellschaft Unterlagen zu ihrer Verteidigung anzufordern.

In einem vorprozessualen Gutachten der Gesellschaft gibt es Hinweise darauf, dass die Gesellschaft von den Geldmittelflüssen wusste. Die ehemaligen Geschäftsführer hatten Zugang zu diesem Gutachten. Das Gutachten allein, ohne seine Anlagen, ist allerdings noch kein Beweis für die Kenntnis der Gesellschaft. Aus diesem Grund haben die ehemaligen Geschäftsführer weitere Unterlagen von der Gesellschaft angefordert. Die Gesellschaft ist dieser Forderung nachgekommen und hat ihnen eine Daten-CD zur Verfügung gestellt.

Im Gerichtsverfahren bemängelten die ehemaligen Geschäftsführer allerdings, dass die von der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Daten-CD nicht alle erforderlichen Unterlagen enthalte. Das Gericht teilt diese Ansicht, ohne die Käuferin aufzufordern die fehlenden Unterlagen einzureichen.

Beweislast der Unvollständigkeit von der Gesellschaft zur Verfügung gestellter Unterlagen liegt bei den Geschäftsführern

Der BGH stimmt dem Berufungsgericht insoweit zu, dass die Geschäftsführer die Beweislast trifft, nachzuweisen, dass sie die Liquiditätsflüsse mit dem Einverständnis der Gesellschaft getroffen haben. Auch bejaht er, dass die Gesellschaft den Geschäftsführern im Rahmen der sogenannten sekundären Beweislast alle zu ihrer Verteidigung erforderlichen gesellschaftsinternen Unterlagen zur Verfügung stellen muss.

Allerdings sieht der BGH, anders als das Berufungsgericht, die Aussage der ehemaligen Geschäftsführer, die von der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Daten-CD erhalte nicht alle erforderlichen Unterlagen, als unzureichend an. Die Geschäftsführer hätten genau bestimmen müssen, welche Unterlagen fehlen, und sich nicht damit zufrieden geben dürfen, die Unvollständigkeit pauschal anzuzweifeln.

Deshalb war die GmbH nach Ansicht des BGH auch nicht gehalten, die Aussage der Geschäftsführer zu bestreiten. Die Beweislast der Unvollständigkeit der Unterlagen liegt bei den Geschäftsführern. Daraus kann man schließen, dass Geschäftsführer, die sich in einem Haftungsprozess verteidigen, genau auflisten sollten, welche Unterlagen sie von der GmbH zur Entlastung ihrer Haftung benötigen.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bild: Brian Jackson

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

* Pflichtangabe

Sie haben eine rechtliche Frage und brauchen einen Rechtsanwalt ?