Antrag auf Vernichtung der Fälschung eines Kunstwerks

16.12.21
Vernichtung der Fälschung eines Kunstwerks
Antrag auf Vernichtung der Fälschung eines Kunstwerks
Vernichtung der Fälschung eines Kunstwerks

Es kann sich manchmal als unmöglich erweisen, ein echtes Werk von einer Fälschung zu unterscheiden. Zahlreichen talentierten Fälschern ist bereits gelungen, ein Gemälde von einem Meister zu kopieren und es anschließend mit der Signatur des kopierten großen Künstlers auf den Kunstmarkt zu bringen. Die Versuchung ist umso größer, da der Kunstmarkt immer aktiver wird. Auch der Verkauf von Fälschungen im Internet boomt in den letzten Jahren. Das Thema ist demnach umso wichtiger.

Die Kopie eines Originalgemäldes hat natürlich keinen Anspruch auf das Urheberrecht oder auf andere, Originalwerken vorbehaltene Rechte des geistigen Eigentums. Aber sollte diese Kopie, die einen Eigentümer hat, trotzdem vernichtet werden?  Die erste Kammer für Zivilsachen des frz. BGH, des Kassationshofs, hat diese in der Praxis wichtige Frage in einem Urteil vom 24.11.2021 beantwortet (19-19.942).

Beantragung einer Zertifizierung des Gemäldes und Entdeckung der Fälschung

In dem Urteil vom 24.11.2021 hatte der Eigentümer eines Gemäldes mit dem Titel „Femme nue à l’éventail“ am 25.05.2012 beim Verein für die Verteidigung und Bekanntmachung der Werke von Marc Chagall (association pour la défense et la promotion de l’œuvre de Marc Chagall, nachstehend das Komitee) die Zertifizierung des Gemäldes beantragt. Das Komitee und die Rechtsnachfolger von Marc Chagall waren der Ansicht, dass es sich um ein gefälschtes Werk handelte, und wurden daraufhin gemäß dem frz. Gesetz über das geistige Eigentum gerichtlich ermächtigt, das Gemälde zu beschlagnahmen. Sie haben den Eigentümer des Werkes wegen Urheberrechtsverletzung und auf Vernichtung des Werkes verklagt.

Infolge eines Gutachtens wurde festgestellt, dass das Gemälde nicht von Marc Chagall stammte und somit ein gefälschtes Werk darstellte. Das Landgericht von Paris hat daraufhin die Vernichtung des gefälschten Werkes angeordnet. Im darauf folgenden Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht jedoch befunden, dass eine Vernichtung unverhältnismäßig wäre und angeordnet, dass stattdessen auf der Rückseite des gefälschten Werkes für das bloße Auge sichtbar und unauslöschlich der Vermerk „VERVIELFÄLTIGUNG“ angebracht wird.

Die Rechtsnachfolger von Marc Chagall sowie das Komitee haben daraufhin beim Kassationshof Rechtsmittel eingelegt, um die Annullierung dieses Berufungsurteils zu erreichen, und zwar auf der Grundlage von zwei Argumentationen – beide wurden vom Kassationshof zurückgewiesen.

Das Eigentumsrecht an einem Werk schließt nicht aus, dass jemand Eigentümer einer Kopie ist

Die Rechtsnachfolger und das Zertifizierungskomitee nehmen die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Vernichtung des gefälschten Werkes zu verweigern, nicht hin. Ihrer Ansicht nach habe das Berufungsgericht ihre rechtmäßigen Eigentumsrechte gegen das unrechtmäßige Recht des Eigentümers des gefälschten Gemäldes abgewogen, obwohl eine Abwägung nur zwischen zwei geschützten (rechtmäßigen) Rechten erfolgen sollte, nicht aber zwischen einem rechtmäßigen und einem unrechtmäßigen Recht. Tatsächlich habe der Eigentümer, der den Träger einer Kopie des Gemäldes von Marc Chagall besitzt, ihrer Meinung nach kein rechtmäßiges Eigentumsrecht. Darüber hinaus merken die Rechtsnachfolger von Marc Chagall und das Zertifizierungskomitee an, dass, selbst wenn man davon ausgehe, dass das Eigentumsrecht rechtmäßig ist, der Richter nicht die Lösung vorgezogen habe, die das legitimste Interesse, nämlich den Schutz künstlerischer Werke, am besten schützt. Für sie war die Vernichtung des Gemäldes zwingend notwendig.

Der Kassationshof teilt diese Meinung nicht: Er erinnert zunächst daran, dass man das Werk des Geists nicht mit dem materiellen Träger des unrechtmäßigen Werkes verwechseln darf. Nur weil ein Werk gefälscht ist, heißt das nicht, dass das Eigentumsrecht an dem Träger dieser Kopie zwingend unrechtmäßig ist. So kann man sehr wohl guten Glaubens Eigentümer einer Fälschung sein. Die Richter stellen fest, dass die Rechtsnachfolger und das Komitee nie behauptet haben, dass das Eigentumsrecht am Träger des Werkes unrechtmäßig sei. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht für den Kassationshof keine Interessenabwägung vorzunehmen, da dies nicht von ihm verlangt wurde: Im frz. Zivilrecht ist der Richter lediglich daran gehalten, auf die Anträge zu antworten, die ihm vorgelegt werden.

Die Anbringung des Vermerks „VERVIELFÄLTIGUNG“ auf einem gefälschten Gemälde ist eine ausreichende Sanktion

Für die Rechtsnachfolger von Marc Chagall und das Komitee sollte jede Fälschung bestraft werden. Sie nehmen nicht hin, dass das Berufungsgericht einfach nur die Herausgabe des gefälschten Gemäldes an seinen Eigentümer angeordnet hat, nachdem der Vermerk „VERVIELFÄLTIGUNG“ auf der Rückseite des Gemäldes angebracht wurde. Dies stellt ihrer Meinung nach keine Sanktion dar: Der Vermerk „VERVIELFÄLTIGUNG“ informiere zwar darüber, dass es sich um eine Kopie handelt, ermögliche jedoch nicht, zu wissen, ob die Kopie mit oder ohne das Einverständnis des Urhebers oder seiner Rechtsnachfolger erstellt wurde. Auch dieses Argument weist der Kassationshof zurück: Die vom Berufungsgericht auferlegte Sanktion liege in seinem freien Ermessen, auf den der Kassationshof als Richter für Rechtsfragen keinen Einfluss habe. Es stand den Berufungsrichtern folglich frei, der Meinung zu sein, dass die Anbringung des mit bloßem Auge sichtbaren und unauslöschlichen Vermerks „VERVIELFÄLTIGUNG“ auf der Rückseite des streitgegenständlichen Werkes ausreiche, um eine Entfernung des Gemäldes aus dem Handel zu gewährleisten, und somit eine ausreichende Sanktion darstellte.

Aus diesem kürzlich abgegebenen Urteil des Kassationshofs über das Schicksal der Gemälde von Fälschern darf also Folgendes festgehalten werden:

Die vom Berufungsgericht und vom Kassationshof gewählte Lösung ermöglicht ein Gleichgewicht zwischen den Rechten beider Parteien.  Die Rechtswidrigkeit des Werkes wird in der Tat nicht diskutiert und das Anbringen des Vermerks „VERVIELFÄLTIGUNG“ dient gerade dazu, sicherzustellen, dass dieses Gemälde nicht mit dem Original verwechselt werden kann. Gleichzeitig ermöglicht diese Sanktion dem Eigentümer des Gemäldes, der rechtmäßig ein Eigentumsrecht besitzt, das Eigentum an einem – zugegebenermaßen gefälschten – Gemälde zu behalten, das ihm gehört. Sammler sollten dennoch doppelt vorsichtig sein, da ein gefälschtes Gemälde in Umlauf gebracht werden kann und die Lösung, die das frz. Berufungsgericht im Fall Chagall gewählt hat, nicht unbedingt auch in einem anderen Fall gelten muss. Man kann also nicht sicher sein, dass der Vermerk „VERVIELFÄLTIGUNG“ vor dem Kauf eines Gemäldes gewissermaßen als Sicherheit dient.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bild: Lapas77

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