Gesetz zur Sanierung von Unternehmen (ESUG)
30.09.12

Reform der Unternehmenssanierung und des Insolvenzrechts in Deutschland im Vergleich zum französischen Recht
Mit dem Inkrafttreten des deutschen Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) am 1. März 2012 wurde das deutsche Insolvenzrecht einer grundlegenden Reform unterzogen. Der Gesetzgeber fokussiert sich dabei auf die Sanierung der Unternehmen und weniger auf deren Liquidation.
Ziel dieses Gesetzes ist es vor allem, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung in der Krise geratenen Unternehmen zu verbessern und so eine einfachere, effektivere und schnellere Sanierung zu ermöglichen. Auf diese Weise sollen zwar weiterhin in erster Linie die Gläubiger befriedigt werden, jedoch zugleich überlebensfähige Unternehmen zukunftssichernd überholt werden und Arbeitsplätze erhalten bleiben.
In Frankreich wurde bereits durch das Gesetz vom 26.07.2005 über das französische Insolvenzrecht zum Schutz der Unternehmen eine grundlegende Reform durchgesetzt. Nachdem festgestellt wurde, dass die meisten Verfahren zur Liquidation der Unternehmen führten, wurde entschieden, das Insolvenzrecht zu reformieren. Das neue französische Insolvenzrecht konzentriert sich nunmehr auf Rettungsmaßnahmen. Die Reform hat insbesondere ein „Rettungsverfahren“ („procédure de sauvegarde“) geschaffen.
Das deutsche Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen verändert das deutsche Insolvenzrecht zwar nicht in gleicher Gründlichkeit; allerdings werden neue Bestimmungen eingeführt und diese Bestimmungen richten sich jetzt vielmehr auf die Rettung des Unternehmens.
Inhalt des deutschen Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmenssanierung
Die Schwerpunkte der Änderungen in der deutschen Insolvenzordnung können in vier Themen zusammengefasst werden:
- die Gläubiger können die Wahl des Insolvenzverwalters beeinflussen,
- der Zugang zur Eigenverwaltung wird vereinfacht,
- ein Schutzschirmverfahren vor der Insolvenzeröffnung wird eingeführt,
- das Insolvenzplanverfahren wird ausgebaut.
Das neue Schutzschirmverfahren im deutschen Insolvenzrecht
Mit dem Schutzschirmverfahren erhält der Schuldner die Möglichkeit, im Schutz eines besonderen Verfahrens in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erstellen. Die Reform setzt an die Neuregelung des „Schutzschirmverfahrens“ nach der Stellung eines Insolvenzantrages an. Die Wirkung dieses Verfahrens endet mit der Verfahrenseröffnung. Dieses Verfahren kann als eine besonders sanierungsorientierte Variante des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens bezeichnet werden.Dieses neue Schutzschirmverfahren wurde in § 270b der Insolvenzordnung integriert.
Liegt gemäß § 270b der Insolvenzordnung eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor oder ist das Unternehmen überschuldet, ist nun die Möglichkeit eröffnet, innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten in einem Schutzschirmverfahren unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und ohne Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Es gilt jedoch zu beachten, dass keine Zahlungsunfähigkeit vorliegen und die Sanierung nicht offensichtlich aussichtlos sein darf.
Das Gericht wird dann folgende Anordnungen treffen: Die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters, auf Antrag des Schuldners ein Vollstreckungsverbot, eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes („Schutzschirmzeitraum“) und nach richterlichem Ermessen Sicherungsmaßnahmen.
Es wird dabei kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner wird nicht die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entzogen.
Gemeinsame Ziele des französischen, deutschen und europäischen Rechts
Die nationalen Rechtsordnungen, z.B. in Frankreich und Deutschland, versuchen im Unternehmensinsolvenzrecht, den Unternehmen durch Reformen Lösungen vor der Zahlungsunfähigkeit anzubieten. Dies ist auch im Hinblick auf die derzeitige wirtschaftliche Lage in Europa dringend notwendig.
Neben der neuen Ausrichtung der nationalen Bestimmungen über das Unternehmensinsolvenzrecht ist es auch von Bedeutung, dass die verschiedenen europäischen Rechtssysteme zusammenpassen. Durch eine europäische Verordnung Nr. 1346/2000 vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren wurden gemeinsame Regeln geschaffen. Eine Reform dieser Verordnung ist zurzeit in Planung. Insbesondere wird die Schaffung eines europäischen Verfahrens in Erwägung gezogen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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