Anfechtung des Unternehmenskaufvertrages bei Bestehen einer Garantie zugunsten des Käufers

26.05.15
Anfechtung des französischen Unternehmenskaufvertrages
Anfechtung des französischen Unternehmenskaufvertrages
Anfechtung des französischen Unternehmenskaufvertrages

Der französische Kassationshof (Cour de cassation) hat am 3. Februar 2015 ein Urteil gefällt, das die Möglichkeit für den Käufer eines Unternehmens betrifft, sich auf arglistige Täuschung zu berufen, wenn er außerdem vom Verkäufer eine Garantie in Höhe des Eigenkapitals erhalten hatte. Dieses Urteil bestätigt eine bereits bestehende, jedoch wenig bekannte und infolgedessen interessante Rechtsprechung.

Keine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beim französischen Unternehmenskauf mit Garantie über die Höhe des Eigenkapitals für die Berufsrichter

Am 18. August 2009 wurde ein französisches Unternehmen von seinen beiden Anteilseignern in der Form eines Verkaufs der Geschäftsanteile an einen Käufer nachh Abschluss am 17. April 2009 eines „Vorvertrags über die Übertragung von Geschäftsanteilen“ unter aufschiebenden Bedingungen verkauft. Der Vorvertrag nahm Bezug auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2008, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig aufgestellt worden ist und gab lediglich den Umsatz und den geschätzten Verlust der Zielgesellschaft zum 31. Dezember 2008 an. Dem Käufer konnte zu diesem Zeitpunkt nur der endgültige Jahresabschluss zum 31. Dezember 2007 übermittelt werden. Die Parteien hatten nicht vorgesehen, dass der endgültige Jahresabschluss 2008 oder zumindest ein Zwischenabschluss vor dem Tag der Unterzeichnung der Übertragung der Geschäftsanteile, dem 18. August 2008, übermittelt werden sollte.

Der Käufer hat die Übertragung der Geschäftsanteile durch Verkäuferkredit finanziert, das durch eine Bürgschaft abgesichert wurde. Als der Käufer den Kaufpreis nicht bei Fälligkeit geleistet hat, wurde er von den Verkäufern auf Zahlung verklagt. Mit dem Ziel, der Zahlung des Kaufpreises zu entkommen und den Bürgen von seiner Verpflichtung zu befreien, versuchte der Käufer die Verträge, die im Zusammenhang mit der Übertragung der Geschäftsanteile abgeschlossen wurden, wegen arglistiger Täuschung vor Gericht anzufechten.

Der Käufer behauptete, dass aus dem Zwischenabschluss der Gesellschaft vom 18. August 2009, den er erst nach der Übertragung der Geschäftsanteile erhalten hat, hervorgehen würde, dass die Verkäufer ihm einen Rückgang der Höhe des Eigenkapitals kurz vor Übertragung der Geschäftsanteile, und zwar zwischen dem 31. Dezember 2008 und dem 18. August 2009, unterschlagen hätten. Der Käufer hat seinerseits argumentiert, dass ihm der katastrophale Zustand der übertragenen Gesellschaft absichtlich vorenthalten wurde und dass er den Kaufvertrag nicht unterzeichnet hätte, wenn er den Zustand der Gesellschaft gekannt hätte. Er hat sich demensprechend auf arglistige Täuschung berufen.

Das Berufungsgericht von Pau hat in einer Entscheidung vom 19. Dezember 2012 die vom Käufer geltend gemachte arglistige Täuschung abgelehnt. Das Berufungsgericht hat unterstrichen, dass selbst wenn es stimmen würde, dass die Höhe des Eigenkapitals zwischen dem 31. Dezember 2008 und dem 18. August 2009 zurückgegangen sei, der Vorvertrag eine Garantie des Eigenkapitals vorsah, die den strittigen Zeitraum abdeckte. Auf Grund dieser Feststellung hat das Berufungsgericht entschieden, dass diese Situation von einer vertraglich geregelten Garantie abgedeckt war und dass die Tatsache, dass der Rückgang des Eigenkapitals dem Käufer verheimlicht wurde, daher nicht nach französischem Unternehmenskaufrecht die Anfechtungsklage wegen arglistiger Täuschung rechtfertigt.

Der Käufer eines Unternehmens kann sich selbst beim Vorliegen einer Passivagarantie, die vom Verkäufer verheimlichte Informationen abdeckt, auf arglistige Täuschung berufen

In einem Urteil vom 3. Februar 2015 hat die Handelskammer des französischen Kassationshofs die Entscheidung des Berufungsgerichts von Pau revidiert. Der Kassationshof hat daran erinnert, dass die vertraglichen Garantien über die Aktiva und das Passiva einer Gesellschaft die gesetzlichen Bestimmungen ergänzen. Diese vertraglichen Garantien „entziehen dem Käufer von Geschäftsanteilen, der argumentiert, dass seine Einwilligung getäuscht wurde, nicht das Recht, den Vertrag auf Grundlage der (gesetzlichen) Bestimmungen anzufechten“, und zwar insbesondere auf Grundlage von Artikel 1116 des französischen Bürgerlichen Gesetzbuchs über die arglistige Täuschung. Besteht eine solchen Aktivagarantie, wird die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung des Käufers nicht unbedingt ausgeschlossen.

Ständige Rechtsprechung des Kassationshofs im französischen Recht des Unternehmenskaufs

Diese Rechtsprechung des Kassationshofs ist nicht neu und veranschaulicht die bisherige Rechtsposition der Handelskammer des Kassationshofs beim französischen Unternehmenskauf.

Die Garantie und die Täuschung beim UnternehmenskaufAls Beispiel kann ein Urteil vom Kassationshof vom 3. November 2004 zitiert werden: Ein Verkäufer, der dazu verurteilt wurde, dem Käufer den Kaufpreis nach erfolgreicher Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zurückzuerstatten, argumentierte, dass das Bestehen einer Aktiva- und Passivagarantie „mit sich bringe, dass der Übernehmer das Risiko der absichtlichen oder unabsichtlichen Verheimlichung von Passiva akzeptiere.“ Der Kassationshof war dieser Argumentation nicht gefolgt und hat bestätigt, dass „vertragliche Aktiva- und Passivagarantien die gesetzlichen Bestimmungen über die Garantien der Käufer ergänzen und den Käufern, deren Einwilligung getäuscht wurde, keinesfalls verbieten den Kaufvertrag anzufechten, da dies einen gesetzlichen Schutz darstellt, auf den sie nicht verzichtet haben.“

Mit demselben Argument hat der Kassationshof ebenfalls ein Urteil in einer anderen Angelegenheit vom 2. Mai 2007 begründet: In diesem Urteil hat der oberste Gerichtshof eine Entscheidung eines Berufungsgerichts revidiert, das auf Grund des Bestehens einer Passivagarantie den Antrag des Käufers auf Anfechtung wegen arglistiger Täuschung abgewiesen hatte.

Der Kassationshof erinnert klar daran, dass das Vorliegen einer vertraglichen Garantie nicht so ausgelegt werden kann, dass sie dazu führt dass der Begünstigte grundsätzlich auf die gesetzliche Gewährleistung verzichtet. Der Kassationshof hat seine Entscheidung somit mit einer Grundregel begründet, die über den Anwendungsbereich der arglistigen Täuschung hinausgeht. Diese Entscheidung wird von der herrschenden Lehre weitestgehend befürwortet, da sie die Rechtssicherheit der Vertragspartner in den Vordergrund stellt.

Für Verkäufer ist bei Erklärungen an Käufer beim Unternehmenskauf Vorsicht geboten

Unternehmensverkäufer sollten dieser Rechtsprechung jedoch besondere Aufmerksamkeit schenken. Sie müssen beim Unternehmenskauf mit ihren Erklärungen an die Käufer vorsichtig sein. Das Bestehen einer Aktiva- bzw. Passivagarantie schützt den Verkäufer in der Tat nicht vor der Anfechtung des Kaufvertrags, wenn er dem Käufer nicht die richtigen Informationen übermittelt hat. Selbstverständlich wird auch gegebenenfalls der Umstand auch berücksichtigt, dass der Käufer nachlässig ist und nicht genau den Zustand der Gesellschaft überprüft, wie es mit Sicherheit der Fall in der Angelegenheit war, in der der Kassationshof am 3. Februar 2015 ein Urteil gefällt hat.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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