Schlichtungsklausel in Frankreich und Gerichtsverfahren
30.05.14

Interessante Entscheidung zu der Schlichtungsklausel und dem Prozess vor französischen Gerichten
In einer Entscheidung vom 29. April 2014 hat der französische Kassationshof (Cour de cassation) sich dazu ausgesprochen, ob bei Bestehen einer vertraglichen Schlichtungsklausel die Parteien verbindlich ein Schlichtungsverfahren durchführen müssen, bevor sich ein Gerichtsverfahren gegen den Vertragspartner einleiten können. Dieses Urteil ist besonders interessant, da viele Unternehmen solche Klauseln in Verträgen vereinbaren, um den Weg vor die ordentlichen Gerichte zu vermeiden.
Der Sachverhalt: eine unklare Schlichtungsklausel
Der Sachverhalt in vorliegender Angelegenheit war folgender: ein IT-Vertrag, der von zwei französischen Firmen abgeschlossen wurde, sah eine Schlichtungsklausel vor. Nach dieser Klausel haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass sie im Falle einer Streitigkeit zunächst ein Schlichtungsverfahren anstreben. Die Klausel sah allerdings nicht die genauen Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens vor.
Als eine Streitigkeit über die Nichterfüllung gewisser Vertragspflichten zwischen den Parteien entstanden ist, hat eine der beiden Parteien ein Verfahren vor den französischen Gerichten eingeleitet, ohne, wie vertraglich vereinbart, vorher ein Schlichtungsverfahren einzuleiten.
Die Antwort des französischen Kassationshofs: das vorherige Schlichtungsverfahren ist nicht verbindlich
In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob die Nicht-Berücksichtigung der Schlichtungsklausel als wirksame Einrede zur Verteidigung gegen die Klage geltend gemacht werden kann, also ob die Parteien eine Klage einreichen konnten ohne vorher ein Schlichtungsverfahren angestrebt zu haben.
Der Kassationshof hat diese Frage negativ beantwortet: Der Gerichtshof hat diesbezüglich entscheiden, dass die vertragliche Schlichtungsklausel, die nicht die genauen Bedingungen des Schlichtungsverfahrens vorsieht, die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht verbindlich vorschreibt. Die Nicht-Berücksichtigung einer solchen Klausel stellt daher keine wirksame Einrede gegen die Klage dar.
Für den Kassationshof konnten die Parteien daher eine Klage einreichen, ohne vorher ein Schlichtungsverfahren durchgeführt zu haben, und zwar weil die Schlichtungsklausel im vorliegenden Fall den Ablauf des Schlichtungsverfahrens nicht klar genau genug festgesetzt hat.
Die geltende Rechtsprechung im französischen Recht: Bestimmung der Formalitäten des Schlichtungsverfahrens
Die Entscheidung vom 29. April 2014 muss in Zusammenhang mit einem Urteil vom Kassationshof vom 14. Februar 2013 gebracht werden: In diesem Urteil wurde entschieden, dass die Vertragsklausel, die ein vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens verbindliches Schlichtungsverfahren vorsieht, eine wirksame Einrede darstellt, die der Richter berücksichtigen muss, wenn sie von einer Partei geltend gemacht wird.
Dieses Prinzip wir ein Jahr später durch das Urteil vom 29. April 2014 abgeschwächt: nunmehr muss danach unterschieden werden, ob die Schlichtungsklausel die Formalitäten des Schlichtungsverfahrens bestimmt, in welchem Fall das vorherige vertraglich vorgesehene Schlichtungsverfahren verbindlich ist, oder ein Versuch der gütlichen Einigung darstellt, für den keine besonderen Formalitäten vorgesehen sind.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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