Anzeigepflicht des französischen Wirtschaftsprüfers und Immunität

22.05.17
Anzeigepflicht und Grenzen
Anzeigepflicht und Grenzen
Anzeigepflicht und Grenzen

Pflicht des Wirtschaftsprüfers zur Meldung von Straftaten

Die französischen Wirtschaftsprüfer haben zwar die Aufgabe, den Jahresabschluss von Gesellschaften für ihre Gesellschafter zu prüfen, sie handeln aber auch nach französischem Recht im Interesse der Allgemeinheit.

Im Artikel L. 823-12 vom frz. Handelsgesetzbuch wird in dieser Hinsicht vorgesehen, dass die Abschlussprüfer „dem Oberstaatsanwalt die ihnen bekannten Straftaten mitteilen, ohne dass sie für diese Mitteilung haftbar gemacht werden können.“ Diese gesetzliche Immunität der Wirtschaftsprüfer ermöglicht ihnen die Erfüllung ihrer Meldepflicht, ohne eine Haftung für die Enthüllungen fürchten zu müssen.

Die Rechtsprechung hat kürzlich die Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmung eingeschränkt. Tatsächlich wird die Immunität des Wirtschaftsprüfers gemäß einem jungen Urteil des Kassationshofes vom 28.03.2017 aufgehoben, wenn die Enthüllung mit böswilliger Absicht vorgenommen wurde.

Immunität gilt nur bei gutem Glauben des Wirtschaftsprüfers

Laut dem französischen Kassationshof „kann der Wirtschaftsprüfer zwar aufgrund von Mitteilungen von ihm bekannten Straftaten an den leitenden Oberstaatsanwalt nicht haftbar gemacht werden. Diese Immunität wird bei Mitteilungen aus böswilliger Absicht jedoch aufgehoben.

Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist Folgender : Eine Gesellschaft hat ihrem Wirtschaftsprüfer mehrere Pflichtverletzungen vorgeworfen, darunter die ungerechtfertigte Mitteilung von Straftaten an den Staatsanwalt.

Die Gesellschaft hat den Wirtschaftsprüfer verklagt :

  • um dessen Verurteilung zur Vornahme der Formalitäten zur Berichtigung der Lage unter Zwangsgeld,
  • sowie dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz zu erreichen.

Der Wirtschaftsprüfer hatte dem Staatsanwalt erstmal ein Kaufvorhaben der Gesellschaft bzgl. eines Immobilienkomplexes des Präsidenten der Gesellschaft als Verkäufer zu einem überschätzten Preis mitgeteilt. Der Bericht über das Testat des letzten Jahresabschlusses beinhaltete keine Informationen über dieses Projekt. Außerdem war das Kaufvorhaben zum Zeitpunkt der Mitteilung nicht weiterverfolgt worden.

Der Wirtschaftsprüfer hat ebenfalls die Vertagung der jährlichen Gesellschafterversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses angezeigt. Der Kassationshof betonte dabei, dass er hätte wissen müssen, dass diese Vertagung die Folge seiner ungerechtfertigten Verweigerung der Testatserteilung des Jahresabschlusses war.

Schließlich hatte der Wirtschaftsprüfer einen Streitfall verraten, der nichts mit der Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses und an sich nichts mit Strafrecht zu tun hatte. Tatsächlich handelte es sich dabei um einen Streitfall zwischen der geprüften Gesellschaft und ihrem eigenen Wirtschaftsprüfer! Eine Uneinigkeit zwischen den Parteien bestand zu der Frage fort, ob die Gesellschaft des Wirtschaftsprüfers oder der Wirtschaftsprüfer selbst ernannt worden war. Der Streitfall betraf somit explizit seine Ernennung.

Das Berufungsgericht schlussfolgert aus diesen Einzelheiten, „dass die Anzeige der geprüften Gesellschaft, die gleich am Tag nach der Übermittlung des Berichtes über das Testat erfolgte, offensichtlich auf einer böswilligen Absicht beruhte.“

Die vom Wirtschaftsprüfer mitgeteilten Fakten müssen strafrechtlicher Natur sein

Die Mitteilungen des Wirtschaftsprüfers beruhten auf Rachegefühlen, die wahrscheinlich aufgrund der ausbleibenden Zahlung seiner Honorare aufgekommen waren. Aus diesem Grund hat er dem Staatsanwalt Einzelheiten mitgeteilt, die keine Straftaten darstellen. Bei dieser Gelegenheit gibt der Kassationshof an, dass die vom Wirtschaftsprüfer dem Staatsanwalt mitzuteilenden Tatsachen ausschließlich Tatsachen betreffen können, die als Straftaten gewertet werden könnten.

Somit hat der Kassationshof die Immunität des Wirtschaftsprüfers aus zwei Gründen aufgehoben:

  • letzterer hat Straftaten ausschließlich in böswilliger Absicht mitgeteilt,
  • die mitgeteilten Informationen waren nicht strafrechtlicher Natur.

Die Einschränkung der Immunität des Wirtschaftsprüfers durch die Rechtsprechung gilt nur in sehr eingegrenzten Fällen. Trotz dieser weiteren Einschränkung aus der Rechtsprechung bleibt der Anwendungsfeld des Grundsatzes der Immunität der Wirtschaftsprüfer weiterhin umfangreich.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bild: Studio Grand Ouest

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