Deliktische Haftung der Muttergesellschaft bei einer betriebsbedingten Kündigung

18.10.18
Die Muttergesellschaft zahlt bei einer betriebsbedingten Kündigung
Die Muttergesellschaft zahlt bei einer betriebsbedingten Kündigung
Die Muttergesellschaft zahlt bei einer betriebsbedingten Kündigung

Haftung der Muttergesellschaft gegenüber den Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber insolvent ist

Die Inanspruchnahme der Rechtsgrundlage der „Mitbeschäftigung“ (co-emploi) zwischen zwei Gesellschaften der gleichen Unternehmensgruppe nach französischem Arbeitsrecht wird immer schwieriger für den Arbeitnehmer, so die Tendenz der Rechtsprechung. In einem Urteil vom 24.05.2018 hat der französische Kassationshof den Arbeitnehmern, die ihrer betriebsbedingten Kündigung widersprechen möchten, jedoch eine neue Rechtsgrundlage angeboten, welche mit der Mitbeschäftigung kumuliert werden kann: Die Klage auf Schadensersatz wegen deliktischer Haftung gegen die Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe erlaubt es, die finanziellen Folgen aus Kündigungen infolge von wirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Tochtergesellschaft deren Mehrheitsgesellschafter anzulasten.

In die Insolvenz getriebene Tochtergesellschaft und Massenentlassung

Im vorliegenden Fall hatte die Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe absichtlich eine strategische und finanzielle Politik verfolgt, die einer ihrer Tochtergesellschaften schadete. Die Mehrheitsgesellschafterin verlangte nicht nur eine übertrieben hohe Kostenbeteiligung zugunsten der Unternehmensgruppe, sondern die von ihr ergriffenen Maßnahmen waren auch alle in ihrem eigenen Interesse. Zahlreiche Hinweise deuten auf dieses Vorgehen hin, wie die unentgeltliche Übertragung der Nutzungsrechte an einer Marke, die Finanzierung der Kosten im Zusammenhang mit der Markennutzung oder auch die Übereignung einer Immobilie ausschließlich zugunsten der anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe. Die Teilabwicklung der insolventen Tochtergesellschaft und gleichzeitig Arbeitgeberin war also die logische Schlussfolgerung und führte zur Kündigung von 74 Arbeitnehmern.

Die von diesen Maßnahmen betroffenen Arbeitnehmer bestritten vor dem Arbeitsgericht das Bestehen eines betriebsbedingten Grundes zur Kündigung mit Verweis auf die Mitbeschäftigung und stützten ihre Klage auch auf die deliktische Haftung der Muttergesellschaft, die für den Verlust ihrer Arbeitsstellen verantwortlich war.

Zu ihrer Verteidigung berief sich die Muttergesellschaft auf die Eigenständigkeit der juristischen Personen und meinte außerdem, dass die deliktische Haftung das Vorliegen eines groben Verschuldens voraussetzt.

Haftung der Muttergesellschaft: auf dem Weg zu einer neuen Rechtsgrundlage?

Indem sie ihre Klage auf zwei Rechtsgrundlagen stützten, wollten die Arbeitnehmer infolge des Insolvenzverfahrens ihres Arbeitgebers die Übernahme der Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft ihnen gegenüber durch ihre Muttergesellschaft begründen. Sie waren sich wahrscheinlich bewusst, dass die Voraussetzungen zur Anerkennung der Mitbeschäftigung vorliegend nicht erfüllt waren und dass eine Klage nur auf der Rechtsgrundlage der Mitbeschäftigung riskant wäre. In der Tat liegt seit den Molex-Urteilen vom 02.07.2014 nur dann eine Mitbeschäftigung vor, „wenn es zusätzlich zur notwendigen Abstimmung der wirtschaftlichen Handlungen zwischen den Gesellschaften einer Unternehmensgruppe und zum Zustand einer wirtschaftlichen Vorherrschaft, die diese Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe mit sich bringen kann, eine dreifache Vereinigung gibt“ (Kassationshof, 2.7. 2014, 13-15.208).

Vor diesem Hintergrund hat es die Sozialkammer des Kassationshofs in ihrem Urteil vom 24.05.2018 wenig überraschend abgelehnt, das Bestehen einer Mitbeschäftigung durch den Mehrheitsgesellschafter dieser Unternehmensgruppe anzuerkennen. In Bezug auf die deliktische Haftung folgt sie allerdings dem Gedankengang der Richter der ersten Instanz. Es scheint, dass der Kassationshof den Arbeitnehmern mit dieser Rechtsgrundlage einen neuen Rechtsweg eröffnet.

Die Richter waren somit der Meinung, dass die Muttergesellschaft haftet, da sie durch ihr Verschulden zur Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und zum Verlust der Arbeitsstellen, die daraus folgte, beigetragen hat. Sie wird also im Hinblick auf die deliktische Haftung dazu verurteilt, den Arbeitnehmern Schadensersatz zu zahlen.

Verschärfung der deliktischen Haftung der Muttergesellschaft

Diese Lösung wurde bereits für eine Reihe von Urteilen gewählt, die im Jahr 2014 ergangen sind. Zu dieser Zeit forderte der Kassationshof jedoch, dass eine Fahrlässigkeit der Muttergesellschaft festgestellt wird. 2018 verweist der Kassationshof nur noch auf den Begriff des „deliktischen Verschuldens“ und gibt somit den Begriff der Fahrlässigkeit auf.

Diese Entscheidung basiert allerdings auf strengen Voraussetzungen, da die drei Tatbestandsmerkmale der deliktischen Haftung, nämlich das Bestehen eines Schadens, eines Verschuldens sowie eines Kausalzusammenhanges (Artikel 1240 des frz. BGBs) nachzuweisen sind. Dies erklärt auch, dass die Richter in einem zweiten, ebenfalls am 24.05.2018 ergangenen Urteil die Klage der Arbeitnehmer, die der Muttergesellschaft kein Verschulden nachweisen konnten, abgewiesen haben. In der vorliegenden Angelegenheit hatten die Schwierigkeiten der Tochtergesellschaft und gleichzeitig Arbeitgeberin ihren Ursprung weit vor Erwerb der streitigen Beteiligung, die Produktions- und Vertriebsstrategie wurden hauptsächlich intern bestimmt, so dass kein Missbrauch nachgewiesen wurde und die Kündigungen dem Mehrheitsgesellschafter nicht zur Last gelegt werden konnten.

Es ist abzuwarten, ob in der Praxis Arbeitnehmer, die in einer Massenentlassung ihre Arbeit verlieren, diesen Weg der deliktischen Haftung nach dem Urteil des 24.05.2018 stärker nutzen werden.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: production perig

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