Ist es erlaubt, einen Bewerber vor seiner Einstellung zu testen?

04.09.18
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Fachlicher Test durch den Arbeitgeber über einen Zeitraum von neun Tagen

Das Berufungsgericht Orléans erinnert in einem Urteil vom 24.05.2018 an den gesetzlichen Rahmen im französischen Arbeitsrecht, in dem der Arbeitgeber vom Bewerber einen „fachlichen Test“ verlangen kann, bevor er ihn einstellt. Die mit dieser Entscheidung vorgebrachte Antwort ist besonders interessant, denn sie bezieht sich auf eine weit verbreitete, jedoch nirgendwo geregelte Praxis.

Im Sachverhalt, der den Richtern präsentiert wurde, ging es um eine Serviceangestellte, die von der Fast-Food-Kette „Bagels & Breakfast“ in der französischen Stadt Tours eingestellt wurde. Sie musste vom 15. bis zum 24. April 2014 einen Test vor der Einstellung absolvieren. Nach diesem Test hat der Arbeitgeber die Serviceangestellte telefonisch darüber informiert, dass sie den Test nicht bestanden habe und er sie nicht einstellen möchte.

Die Stellungnahme des Arbeitsgerichts zum fachlichen Test

Die Serviceangestellte war der Auffassung, einen Arbeitsvertrag zu haben, und bestritt dessen Beendigung vor dem Arbeitsgericht Tours, welches ihrem Antrag stattgab: Die Richter werteten die Entscheidung des Arbeitgebers als ungerechtfertigte Kündigung, da für sie der von der jungen Frau absolvierte „Test“ in Wahrheit eine tatsächliche Arbeitsleistung darstellte. Der Arbeitgeber widersprach dem Urteil des Arbeitsgerichts Tours und wandte sich an das Berufungsgericht Orléans.

Kommt der fachliche Test einem mündlichen Arbeitsvertrag gleich?

Das Berufungsgericht Orléans war mit den ersten Richtern einer Meinung und gab der Serviceangestellten Recht. Dabei berücksichtigten die Richter insbesondere das Bestehen eines echten Arbeitsverhältnisses während dem Test. Auch wenn kein schriftlicher Arbeitsvertrag bestand, so konnte die Serviceangestellte die Richter dennoch vom Bestehen eines mündlichen Arbeitsvertrages überzeugen. Sie reichte zahlreiche Zeugenaussagen (insbesondere von Gästen) ein, die belegten, dass sie im Restaurant unter der Aufsicht des Arbeitgebers gearbeitet hatte, und zwar während der 9 Tage, in denen sie ihren „Test“ absolvierte. Sie empfing die Gäste, nahm Bestellungen auf, bediente, kassierte ab und erledigte Einkäufe für das Restaurant, wie die zahlreichen Zeugenaussagen, die sie vorbringt, belegen. Es handelte sich somit um die gewöhnliche und alltägliche Arbeit im Beruf einer/eines Serviceangestellten im Gastronomiegewerbe.

Das Berufungsgericht Orléans erinnert bei dieser Gelegenheit an die Begriffsdefinition des fachlichen Tests. Dieser Test dient nämlich ausschließlich zur Überprüfung der beruflichen Qualifikation einer Person, deren Einstellung geplant ist, sowie deren Kompetenzniveau und ihrem Können und zwar im Rahmen einer punktuell erbrachten Leistung von sehr kurzer Dauer, ohne dass der Arbeitnehmer den Arbeitnehmer unter normalen Arbeitsbedingungen testet.

Im Fall der jungen Serviceangestellten weist das Gericht das Argument des Arbeitgebers, wonach es sich um einen Test vor der Einstellung handelte, zurück. Sie hatte nämlich 9 Tage lang auf einer Vollzeitstelle gearbeitet. Das Berufungsgericht erkennt das Arbeitsverhältnis zwischen der Serviceangestellten und dem Arbeitgeber also als solches an.

Die Folgen der Anerkennung des mündlichen Arbeitsvertrages

Das Verhältnis zwischen der Bewerberin und dem Arbeitgeber wird dementsprechend als Arbeitsvertrag bewertet und nicht als fachlicher Test, weshalb eine Vergütung gezahlt werden muss. Des Weiteren muss der Arbeitgeber, dem zum Zeitpunkt des Tests nicht klar war, dass diese wenigen Tage als normales Arbeitsverhältnis bewertet werden können, der Arbeitnehmerin Schadensersatz für eine ungerechtfertigte Kündigung zahlen.

Vorsicht bei der Durchführung eines Tests vor der Einstellung

Dieses kürzlich durch das Berufungsgericht Orléans ergangene Urteil erinnert Arbeitgeber daran, dass Vorsicht geboten ist, wenn man einen Bewerber einen Test absolvieren lässt. Es hängt ganz davon ab, wie der Test durchgeführt wird. Man sollte also im Vorfeld für den Bewerber bestimmte Aufgaben zur Überprüfung der Kenntnisse vorbereiten. Den Bewerber einfach im Alltagsbetrieb arbeiten lassen, um ihm bei der normalen Ausübung seiner Arbeit zu beobachten, kann dem Arbeitgeber im Anschluss Problemen bereiten!

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bild: ktasimar

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