Stellenanzeige im Chat und Benachteiligungsverbot
16.03.23

Da Arbeitgeber oft verzweifelt nach Personal suchen, schalten sie Anzeigen überall, oftmals auf Social Media über Posts oder im Chat. Es kann aber gefährlich werden, wenn diese Stellenanzeigen nicht sorgfältig und im Einklang mit deutschem Arbeitsrecht erstellt wurden.
Es ist daher immer wichtig, den Rat eines Rechtsanwalts im Arbeitsrecht einzuholen, um sicherzustellen, dass die Stellenanzeige nicht gegen das geltende Recht verstößt.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein stellte in seinem Urteil vom 21.6.2022 (Az.: 2 Sa 21/22) klar, dass Arbeitgeber auch Stellenangebote in Form von Online-Kleinanzeigen, aber auch im Chat, stets geschlechtsneutral formulieren müssen. Außerdem stellte es klar, welche Höhe einer Entschädigung für den Fall einer Diskriminierung angemessen ist.
Auf „Ebay-Kleinanzeigen“ erschien eine Stellenanzeige eines familiengeführten Kleinbetriebs mit dem Wortlaut: „Sekretärin gesucht! Beschreibung: Wir suchen eine Sekretärin ab sofort. Vollzeit/Teilzeit Es wäre super, wenn Sie Erfahrung mitbringen…“.
Ein Mann meldete sich auf diese Stellenanzeige über die Chat-Funktion der Plattform. In seinem Anschreiben erwähnte er seine Qualifikationen, Berufserfahrung sowie seine abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann. Als Antwort erhielt der Bewerber eine Absage auf seine Bewerbung mit der Begründung, dass eine „Dame als Sekretärin“ gesucht würde. Der Bewerber beschwerte sich beim Unternehmen, dass er wegen seines Geschlechts diskriminiert würde und bot einen Vergleich über eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3.500,00€ an. Das Unternehmen ging nicht darauf ein.
Entschädigung für Benachteiligung wegen des Geschlechts
Daraufhin reichte der Mann Klage beim Arbeitsgericht Elmshorn ein und verlangte von dem Unternehmen eine Entschädigung in Höhe von 7.800,00€ entsprechend drei Monatsgehältern einer Sekretärin, da er als Bewerber aufgrund seines Geschlechts diskriminiert worden sei. Er führte an, dass er bei dem Unternehmen voraussichtlich einen Durchschnittsbruttomonatsverdienst von 2.600,00€ erhalten hätte. Dadurch, dass er keine andere keine andere Anstellung gefunden habe und Arbeitslosengeld beziehe, sei ihm nun ein Schaden entstanden.
Dahingegen führt das Unternehmen aus, dass der Mann sich nur deshalb beworben habe, um später einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. Die üblichen Bewerbungsunterlagen seien dem Unternehmen nie vorgelegt worden. Außerdem sei ein Durchschnittsbruttoverdienst von maximal 1.200,00€ für die fragliche Stelle vorgesehen gewesen.
Gefahr der Schaltung einer Stellenanzeige online
Das Unternehmen räumte ein, dass die Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert war und begründete dies damit, dass nicht beabsichtigt gewesen sei ein qualitatives Bewerbungsverfahren einzuleiten. Die Stellenanzeige sei durch einen angestellten Familienangehörigen des Geschäftsführers ohne Personalerfahrung online gestellt worden, ohne vorherige Rücksprache zu halten
Wann gilt man als Bewerber*In im Sinne des AGG?
Die Richter mussten über folgende Fragen entscheiden. Liegt ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor, wenn die Stellanzeige auf einer Online-Plattform für Kleinanzeigen ausdrücklich nach einer „Dame“ sucht oder eine Absage auf eine Chat-Anfrage damit begründet wird, dass eine „Dame“ für die Stelle gesucht wird?
Das Arbeitsgericht Elmshorn (Urteil vom 16.12.2021, Az.: 4 Ca 592 a/21) wies die Klage des Mannes ab, weil dieser nach Ansicht des Arbeitsgerichts kein Bewerber im Sinne des AGG sei.
Für den Geltungsbereich des AGG sei erforderlich, dass sich die stellensuchende Person konkret vorstellt, Informationen hinsichtlich seiner Person und Qualifikation im Hinblick auf die Stelle übermittelt, um so ein Bewerbungsverfahren zu ermöglichen. Hierfür müssten auch Unterlagen, Nachweise und eine konkrete Bewerbung vorliegen. Der Kläger habe sich jedoch lediglich in Kontakt suchender Weise im Rahmen der Chat-Funktion auf die Stelle gemeldet. Das Arbeitsgericht vertrat deshalb die Auffassung, dass der Kläger lediglich sein Interesse bezüglich der Stelle gezeigt hätte ohne den rechtlichen Status eines Bewerbers.
Bewerberstatus durch das LAG doch bestätigt
Gegen das Urteil legte der Mann Berufung ein. Das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 21.06.2022, Az.: 2 Sa 21/22) gab dem Mann recht. Es begründete seine Entscheidung damit, dass ein Unternehmen damit rechnen müsse, Bewerbungen über die Chat-Funktion zu erhalten, wenn es die Stellenanzeige über die Plattform von Ebay-Kleinanzeigen veröffentliche. Wird eine Stellenanzeige in einem solchen Rahmen veröffentlicht, so könne das Unternehmen nicht erwarten, dass eine Bewerbung im klassischen Sinne durch Einreichung von schriftlichen Bewerbungsunterlagen erfolgen würde.
Der Mann sei Bewerber im Sinne des AGG und habe keine Benachteiligung aufgrund seines Geschlechts erfahren dürfen. Die Stellenanzeige und auch die Antwort des Unternehmens würden jedoch eine solche Benachteiligung darstellen.
Das LAG konkretisierte außerdem, dass die Unerfahrenheit des Stellenaufgebers keine Rolle spiele. Für eine Benachteiligung sei es nicht erforderlich, dass schuldhaftes Handeln oder eine Benachteiligungsabsicht vorliegt.
Des Weiteren verneinte das LAG einen Rechtsmissbrauch. Der Mann habe den Grundsatz von Treu und Glauben nicht verletzt, da er jedenfalls nachgewiesen habe, dass er zum damaligen Zeitpunkt arbeitssuchend gewesen war.
Drei Bruttomonatsgehälter sind eine angemessene Entschädigung
Abschließend stellt das LAG fest, dass eine Entschädigung in Höhe von 3 Monatsgehältern angemessen sei und das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt einer Sekretärin in Vollzeit in Höhe von 2.700,00€ als Maßstab anzulegen sei. Der Mann blieb mit seiner Forderung nach einem Betrag i.H.v. insgesamt 7.800€ darunter.
Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass Arbeitgeber ihre Stellenanzeigen stets sorgfältig verfassen und keinem Laien überlassen sollten, egal wo sie geschaltet werden. Andernfalls können schnell hohe Entschädigungen fällig werden, selbst höhere als das geplante Gehalt.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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