Gefälschte Produkte im Internet: gewerbliche Schutzrechte in Europa
31.03.14

Junges Urteil des EuGHs zur Auslegung der Zollverordnung über das Vorgehen gegen Waren, die geistige Eigentumsrechte in Europa verletzten
In der Angelegenheit C-98/13 vom 6.2.2014 hatte der Gerichtshof der europäischen Union (EuGH) die Gelegenheit, die Verordnung EG Nr. 1383/2003 des Rates vom 22.07.2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (die Zollverordnung), auszulegen.
Diese Fragestellung ist im Europarecht im heutigen Kontext des weltweiten Verkaufs von Waren im Internet besonders wichtig.
Der Fall: Kauf einer gefälschten Rolex in einem chinesischen Online-Shop
Die Angelegenheit, die dem EuGH anlässlich eines Vorabentscheidungsersuchens des dänischen Hojesteret (Berufungsgerichts) vorgelegt wurde, betraf einen dänischen Staatsbürger und die Firma Rolex. Der dänische Staatsbürger hat auf einer chinesischen Online-Shop-Webseite eine Uhr, die als ein Modell der Marke Rolex ausgewiesen wurde, bestellt. Die Bestellung wurde online auf der englischen Internetseite des Verkäufers bezahlt und von Hong Kong aus verschickt. Das Paket wurde bei Ankunft in Dänemark von der dänischen Zollbehörde kontrolliert, die feststellte, dass es sich um die Fälschung einer im Internet verkauften Ware handelte, welche die Urheber- und Markenrechte der Firma Rolex verletzte.
Der Empfänger des Pakets hat sich jedoch geweigert, der Vernichtung der Uhr zuzustimmen unter Hinweis darauf, dass er die Uhr rechtmäßig erworben hätte und die geistigen Eigentumsrechte der Firma Rolex nicht verletzen würde.
Vorfrage über die Verletzung der Eigentumsrechte der Firma Rolex auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats
Der Hojesteret, der im Berufungsverfahren angerufen wurde, musste die Frage klären, ob in dieser Angelegenheit die notwendigen Bedingung zur Anwendung der Zollverordnung erfüllt waren, und zwar auf der einen Seite, die Verletzung von Urheber- oder Markenrechten, die in Dänemark geschützt sind, und auf der anderen Seite die Tatsache, dass die Verletzungshandlung auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats begangen wurde.
Der Hojesteret hat an den EuGH die Vorfrage gestellt, ob eine Verletzung der geistigen Eigentumsrechte der Firma Rolex in Dänemark vorliegt, und somit eine Verbreitung an die Öffentlichkeit und eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr, obwohl der dänische Staatsbürger seine Uhr für persönliche Zwecke bestellt hat, die Internetseite in einem Drittstaat ansässig ist und die entsprechende Ware vor dem Verkauf nicht Gegenstand eines öffentlichen Angebots oder einer an die Verbraucher der Union gerichteten Werbung war.
Der EuGH hat zunächst daran erinnert, dass unstreitig sei, dass es sich bei der fraglichen Uhr um eine „nachgeahmte Ware“ oder eine „unerlaubt hergestellte Ware“ im Sinne der Zollverordnung handelt und dass die Firma Rolex die Verletzung ihrer Rechte geltend machen kann, wenn diese Uhr von einem in Dänemark ansässigen Händler zum Verkauf angeboten wird.
Der EuGH hat anschließend daran erinnert, dass die bloße Zugänglichkeit einer Internetseite in einem Mitgliedstaat nicht an sich darauf schließen lässt, dass sich die darauf angezeigten Verkaufsangebote an Verbraucher in diesem Gebiet richten.
Eine Verletzung des geistigen Eigentums liegt vor, wenn die gefälschte Ware für den Verkauf an einen Käufer in der Europäischen Union bestimmt war.
Der EuGH hat jedoch entschieden, dass die Ware, auch wenn sie aus einem Drittstaat stammt, als „nachgeahmte Ware“ oder als „unerlaubt hergestellte Ware“ eingestuft werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass sie dazu bestimmt ist, in der Union in den Verkehr gebracht zu werde. Diese Nachweis ist für den EuGH dann erbracht, wenn sich herausstellt, dass :
- die Ware Gegenstand eines Verkaufs an einen Kunden in der Union war,
- die Ware Gegenstand einer an Verbraucher der Union gerichteten Verkaufsofferte war,
- die Ware Gegenstand einer an Verbraucher der Union gerichteten Werbung war.
In vorliegender Angelegenheit hat der Gerichtshof argumentiert, dass feststeht, dass die Uhr Gegenstand eines Verkaufs an einen Kunden in der Union war, wobei der bloße Umstand, dass dieser Verkauf über eine Website eines Online-Shops in einem Drittstatt stattfand, der Firma Rolex nicht den Schutz, der von der Zollverordnung gewährleistet wird, entziehen kann. Dabei muss nicht geprüft werden, ob die entsprechende Ware vor dem Verkauf überdies Gegenstand eines öffentlichen Angebots oder einer an die Verbraucher der Union gerichteten Werbung war.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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