Die Betriebsprüfung in Frankreich
Veröffentlicht am 24.04.19

Der Gesetzgeber verkompliziert immer mehr das französische Steuerrecht und gewährt zeitgleich der Steuerbehörde, dank der automatisierten Verwaltung zahlreicher Daten und einer immer effizienter werdenden Abstimmung zwischen den Verwaltungen verschiedener Länder bei internationalen Transaktionen, stets bedeutendere Kontrollmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, wie eine Kontrolle der frz. Steuerbehörde abläuft und welche Verteidigungsmittel für den kontrollierten Steuerpflichtigen existieren.
Die Steuerfahndung in Frankreich
Die frz. Steuerbehörde verfügt über breite Befugnisse zur Durchführung von Prüfungen, die es erlauben, zu kontrollieren, ob der Steuerpflichtige seinen Pflichten nachgekommen ist. Die frz. Steuerbehörde ist selbstverständlich ausschließlich für die frz. Steuern zuständig.
Der geprüfte Stuerzahler ist nicht nur wer in Frankreich ansässig ist, sondern auch wer als Nichtansässige in Frankreich steuerpflichtig ist, obwohl er zur Steuererleichterung ausgewandert ist.
Aber die ausländischen Steuerverwaltungen können ihr auf deren Gebiet gesammelte Informationen übermitteln.
Das Europarecht und die frz. Abgabenordnung (livre des procédures fiscales, abgekürzt: LPF) sehen die Möglichkeit des Austauschs von Auskünften zwischen den Verwaltungen verschiedener Länder vor, indem Simultankontrollen eingeführt wurden (Art. L. 45 Abs. 2 der frz. Abgabenordnung). Der frz. Text sieht vor, dass „wenn die Situation eines oder mehrerer Steuerpflichtiger ein gemeinsames oder zusätzliches Interesse für mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft darstellt, die Verwaltung mit den Verwaltungen der anderen Mitgliedstaaten darüber übereinkommen kann, Simultankontrollen durchzuführen, jede auf dem Gebiet des Staates dem sie angehört, um so erhaltene Auskünfte auszutauschen“.
Immer mehr Steuerfahndungen in Frankreich
Die immer schnellere Bearbeitung der Daten der Steuerpflichtigen erlaubt es dem französischen Steuerfahnder, Unstimmigkeiten und potenzielle Steuerhinterziehungen auf gezieltere Weise aufzudecken und dann eine Steuerkontrolle einzuleiten. Die Anzahl der Steuerberichtigungen bei Unternehmen und Privatleuten steigt. Der frz. Nationale Rat der Betrugsbekämpfung (Conseil National de Lutte contre la Fraude) veröffentlicht jedes Jahr die Ergebnisse der Steuerkontrollen des Vorjahres, ohne jedoch die Anzahl der Kontrollen pro Jahr anzugeben. Ein Unternehmen erlebt im Durchschnitt alle sieben Jahren eine Kontrolle. Es sei angemerkt, dass diese Statistik der Häufigkeit der Prüfungen nur einen Durchschnitt darstellt und nicht alle Arten der Kontrolle abdeckt.
Über wie viele zurückliegende Jahre kann die frz. Steuerbehörde eine Steuerkontrolle durchführen?
Die Verjährungsfrist, während der die frz. Verwaltung die Möglichkeit hat, Kontrollen durchzuführen und die geschuldete Steuer, nach Auslassungen, Unvollständigkeiten oder unterlaufenen Fehlern bei der Steuererklärung, zu berichtigen, welche im frz. Steuerrecht die sog. Wiederaufnahmefrist (délai de reprise) genannt wird, beträgt in der Regel (insbesondere für die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer) drei Jahre.
Es gibt auch Sonder-Verjährungsfristen, wie beispielsweise im Fall eines Fehlers über die Art der Steuer oder den Ort der Steuererhebung. Im Fall von Steuerhinterziehung gem. Art. L. 169 der frz. Abgabenordnung beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre. Diese Frist ist außergewöhnlich lang, vor allem zum Beispiel im Vergleich mit der Verjährungsfrist von Steuerhinterziehung in Deutschland, die fünf Jahre beträgt.
Die Verjährungsfrist kann unter bestimmten Voraussetzungen unterbrochen werden. Beispielsweise hat der von der Verwaltung formulierte Berichtigungsvorschlag eine unterbrechende Wirkung.
Die Befugnisse der frz. Steuerbehörde
Die umfassenden Befugnisse der frz. Steuerbehörde erlauben es ihr, auf verschiedene Weisen tätig zu werden. Es bestehen unterschiedliche Vorabkontrollen, darunter die Überprüfung der Buchhaltung („vérification de comptabilité“). Diese verschiedenen Überprüfungen können zu einem geänderten Steuerbescheid führen:
- Die frz. Steuerbehörde verfügt über das Ermittlungsrecht, das es ihr erlaubt, Versäumnisse in Bezug auf die Grundsätze der Rechnungsstellung der Umsatzsteuerpflichtigen aufzudecken. Diese Ermittlung eröffnet eine formellere Kontrolle, wenn Unregelmäßigkeiten festgestellt werden;
- Die frz. Steuerbehörde kann ebenfalls, zusätzlich zu einer Kontrolle oder Überprüfung im formellen Sinn, Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen richten. Sie kann unter anderem von Personen, die Buchführungs- bzw. Berufspflichten unterliegen, die Übermittlung abschließend aufgezählter Unterlagen verlangen;
- Die frz. Steuerbehörde hat schließlich das Recht, Warenhäuser zu durchsuchen, welche einem steuerlichen Sonderstatus unterliegen.
Dem Steuerpflichtigen kommen je nach Art des Verfahrens verschiedene Garantien zugute.
Darstellung der Steuerkontrollen vor einer Überprüfung der Buchhaltung im Unternehmen
Die frz. Steuerbehörde geht selten in ein Unternehmen, ohne zunächst bei der Kontrolle der ihr von dem Steuerpflichtigen spontan übermittelten Dokumente Verdacht geschöpft zu haben. Die Betriebsprüfungen (oder auch Außenprüfungen genannt) werden weitaus häufiger durch diese erste Kontrolle ausgelöst als durch Anschwärzen, entgegen dem Glauben vieler Bürger. In dieser Phase unterrichtet der Fiskus den Steuerpflichtigen nicht über seine Maßnahmen, im Gegensatz zur Information, die er ihm bei einer Betriebsprüfung liefern muss, bzw. wenn ein geänderter Steuerbescheid ausgestellt wird.
Formelle Steuerkontrollen
Die formelle Kontrolle wird von der frz. Steuerbehörde systematisch praktiziert und beinhaltet eine einfache Überprüfung der von dem Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärungen, um eventuelle materielle Fehler zu korrigieren.
Materielle Kontrollen
Um sicherzustellen, dass keine Gesetzverletzung und keine Verschleierung begangen wurden, kann die frz. Steuerbehörde unabhängig von formellen Kontrollen, die es nicht ermöglichen, alles zu überprüfen, alle Arten von materiellen Kontrollen durchführen. Sie kann dies gleich im Anschluss an die formelle Kontrolle per Schriftverkehr mit dem Steuerpflichtigen tun, oder während des Verfahrens der Überprüfung der Buchhaltung, für dessen Einleitung sie sich entschieden hat. Diese Kontrollen können zum Beispiel die Lagerbestände, die hergestellten Güter oder die Betriebsaufwendungen gezielt betreffen.
Belegprüfung
Es handelt sich um eine von der frz. Verwaltung in ihren Räumlichkeiten durchgeführte Kontrolle. Die frz. Verwaltung unterzieht die Daten in ihrem Besitz einer kritischen Prüfung, in dem sie einen Abgleich zwischen den verschiedenen abgegebenen Erklärungen vornimmt und eine rechtliche Analyse der Situation des Unternehmens durchführt. Die frz. Verwaltung begnügt sich nicht damit zu überprüfen, ob die Erklärung richtig ist, sondern kontrolliert auch, ob die Erklärung schlüssig ist in Anbetracht dessen, was sie ansonsten über den Steuerpflichtigen weiß. Diese Recherche erlaubt es ihr insbesondere, Auslassungen oder Verschleierungen ausfindig zu machen, was ihr die formelle Kontrolle nicht ermöglicht.
Wenn die frz. Verwaltung ihre Kontrolle beendet hat, kann sie Erläuterungen vom Steuerpflichtigen verlangen. Sind die Antworten zufriedenstellend, ist das Verfahren beendet. Erlauben die Antworten es hingegen nicht, eine regelmäßige Situation herzustellen, leitet die frz. Verwaltung eine Überprüfung der Buchhaltung ein, oder sie hält diese Überprüfung der Buchhaltung im Unternehmen nicht für erforderlich und eröffnet ein kontradiktorisches Steuerberichtigungsverfahren (procédure de rectification contradictoire) zur Steuerberichtigung des Steuerpflichtigen.
Überprüfung der Buchhaltung: die Außenprüfung im Unternehmen
Die Überprüfung der Buchhaltung betrifft insbesondere Gesellschaften, die der Körperschaftsteuer unterliegen und umsatzsteuerpflichtig sind. Die Steuerberichtigungen können nur diejenigen Kategorien von Steuern betreffen, über welche der Steuerpflichtige verpflichtet ist, Buch zu führen.
Dieses Verfahren ermöglicht es der frz. Steuerbehörde, sich vor Ort zu begeben, von der Buchhaltung des Unternehmens Kenntnis zu nehmen und die gesammelten Daten den außerhalb der Buchführung gewonnenen Daten gegenüberzustellen. Es findet also ein mündlicher Austausch mit dem Unternehmensleiter und seinen Steuerberatern bzw. Rechtsanwälten statt. Im Verlauf dieser Diskussionen können unbewusst für das Unternehmen negative Informationen geäußert werden.
Das Eindringen der frz. Verwaltung in den Betrieb unterliegt logischerweise engeren Schranken als die vorgenannten einfachen Kontrollen und so stellt sich ein ganzes gesetzliches Verfahren dar.
Die frz. Verwaltung kündigt dem Steuerpflichtigen, abgesehen vom Ausnahmefall der Überraschungs-Kontrolle, ihre Ankunft vorab per Schreiben an. Die frz. Behörde muss ebenso klar erläutern, auf welche Steuerarten und welchen Veranlagungszeitraum sich die Betriebsprüfung bezieht. Der Steuerpflichtige muss nämlich alle einschlägigen Unterlagen bereitstellen. Der Steuerpflichtige verfügt über andere gesetzliche Garantien, um sich bestmöglich zu verteidigen:
- Er kann von einem Berater seiner Wahl begleitet werden;
- Es wird ihm die überprüfte, jährlich aktualisierte sog. Charta des Steuerpflichtigen übergeben, welche zahlreiche Informationen über den Schutz der Rechte von Personen, die einer Betriebsprüfung unterzogen werden, enthalten;
- Er wird ebenfalls über die Dauer der Anwesenheit vor Ort informiert. Die frz. Verwaltung ist zudem nicht berechtigt, die Dauer der Prüfung vor Ort bei kleinen Unternehmen über drei Monate hinaus zu verlängern. Diese Beschränkungen können der frz. Verwaltung nicht von anderen Gesellschaften entgegengehalten werden.
Der Kontrolleur übergibt seinem Vorgesetzten einen Prüfungsbericht über die Feststellungen, die er anlässlich seiner Betriebsprüfung getroffen hat. Dieser Bericht wird nicht zwingend dem Steuerpflichtigen mitgeteilt. Falls der Steuerpflichtige jedoch ausdrücklich darum ersucht, kann er grundsätzlich den vollständigen Bericht des Fahnders erhalten.
Wenn die frz. Verwaltung bei ihrer Kontrolle oder bei der Betriebsprüfung Verschleierungen oder Fehler in den Erklärungen des Steuerpflichtigen festgestellt hat, kann sie die Bezahlung der geschuldeten Beträge vom Steuerpflichtigen verlangen. Es sind zwei Verfahren zu unterscheiden: Das Verfahren der kontradiktorischen Steuerberichtigung und die nicht kontradiktorische Steuerberichtigung.
Der klassische Ausgang einer Betriebsprüfung: die kontradiktorische Steuerberichtigung
Vorbehaltlich besonderer Fälle kann die frz. Verwaltung das Verfahren der kontradiktorischen Steuerberichtung anwenden, wenn sie eine Unzulänglichkeit, eine Unrichtigkeit, eine Auslassung oder eine Verschleierung in den Elementen, die als Grundlage für die Veranlagung der Steuern bzw. Abgaben oder sonstigen aufgrund des frz. Allgemeinen Steuergesetzbuchs (code général des impôts) geschuldeten Beträge dienen, feststellt. Das Verfahren beginnt mit der Zustellung eines Vorschlags des geänderten Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen durch die frz. Verwaltung.
Der Vorschlag des geänderten Steuerbescheids muss gewisse Anforderungen an die Form und den Inhalt erfüllen. So muss er von der Verwaltung begründet werden (Art. L. 57 frz. Abgabenordnung). Der Steuerpflichtige muss auch darüber informiert werden, dass er einen Berater holen kann.
Ab der Zustellung des Vorschlags zum geänderten Steuerbescheid läuft im Prinzip eine 30-tägige Frist (Art. R.57-1 frz. Abgabenordnung), während dieser der Steuerpflichtige Folgendes tun kann:
- Um Erläuterungen bitten; Dieses Ersuchen unterliegt keiner spezifischen Regelung
- Anmerkungen vornehmen, zum Beispiel indem er seinen Standpunkt darstellt, um die frz. Verwaltung davon zu überzeugen, dass der geänderte Steuerbescheid unbegründet wäre. Die frz. Verwaltung antwortet darauf innerhalb einer Frist von 60 Tagen. Bleibt eine Antwort aus, ist davon auszugehen, dass die frz. Verwaltung die Anmerkungen des Steuerpflichtigen akzeptiert.
- Die Berichtigungen annehmen. Die Annahme der Berichtigungen kann stillschweigend oder formell erfolgen. Antwortet der Steuerpflichtige nicht innerhalb von 30 Tagen, gilt, dass er den Vorschlags zum geänderten Steuerbescheid stillschweigend angenommen habe. Falls der Steuerpflichtige damit rechnet, dass er nicht innerhalb von 30 Tagen antworten kann, kann er sofort eine Verlängerung um 30 weitere Tage beantragen.
Wenn der Steuerpflichtige die Berichtigungen nicht akzeptiert hat und die frz. Verwaltung auf ihrer Position beharrt, ist es möglich, je nach den aufgeworfenen Fragen eine der folgenden Stellen anzurufen:
- Die frz. Kommission der direkten Steuern und der Steuern auf den Umsatz auf Ebene des Départements oder auf nationaler Ebene (commission départementale ou nationale des impôts directs et des taxes sur le chiffre d’affaires),
- den frz. Beratenden Ausschuss des Steuerguthabens für Forschungsausgaben (comité consultatif du crédit d’impôt pour dépenses de recherche)
- oder die Schlichtungsstelle des frz. Départements (commission départementale de conciliation).
Die Erhebung der Steuern kann erst nach Abschluss des Berichtigungsverfahrens erfolgen oder gegebenenfalls nachdem die Kommission oder der Ausschuss eine Entscheidung gefällt hat.
Der Ausnahmeausgang: die nicht kontradiktorischen Steuerberichtigung
Die nicht kontradiktorischen Steuerberichtigung kann alle Steuerarten betreffen. Die Zusendung einer Vorankündigung durch den Fiskus findet nicht systematisch statt und ist von Fall zu Fall unterschiedlich. So bleibt eine Vorankündigung bei der Umsatzsteuer, speziellen Abgaben auf den Umsatz und ähnliche Abgaben aus.
Die Steuerberichtigung von Amts wegen betrifft die bösgläubigen Steuerpflichtigen. Dieses Verfahren betrifft diejenigen Fälle, in denen die Steuerpflichtigen willentlich und in Kenntnis des Besteuerungsgrundes vorsätzlich Steuern hinterzogen haben.
In diesem Verfahren hat der Steuerpflichtige folgende Rechte:
- Der Steuerpflichtige wird abgemahnt, seinen Steuerpflichten nachzukommen.
- Die frz. Abgabenordnung sieht anschließend (Art. L. 69 frz. Abgabenordnung) ein kontradiktorisches Verfahren vor, welches der Besteuerung von Amts wegen vorgeschaltet ist.
- Die frz. Verwaltung oder der Steuerpflichtige können im anhaltenden Streitfall nach Notifizierung der Erhöhungen die frz. Kommission der direkten Steuern und der Steuern auf den Umsatz (commission départementale des impôts directs et des taxes sur le chiffre d’affaires) anrufen.
Sanktionen für Steuerhinterziehung
Wenn über steuerlich erhebliche Tatsachen absichtlich unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht wurden und der frz. Tatbestand der Steuerhinterziehung als erfüllt gilt, können steuerrechtliche und strafrechtliche Sanktionen ausgesprochen werden. Diese können unter Umständen kumulativ verhängt werden.
Ein neu frz. Gesetz in Bezug auf die Steuerhinterziehung mit zwei Gesetzeszwecken wurde verabschiedet (LOI n° 2018-898 du 23 octobre 2018 relative à la lutte contre la fraude):
- Die Verstärkung der Kontrollmittel und der Sanktionen sowohl für interne als auch für im Ausland durchgeführte Fahndungen,
- Die Steuerprüfungen und Strafverfahren werden besser aufeinander abgestimmt und die Geschäfte mit dem Ausland werden einer gesteigerten Kontrolle unterworfen
Die Folgen einer Steuerkontrolle bzw. Betriebsprüfung in Frankreich können recht schwer für den Steuerpflichtigen sein. Darum ist es wichtig, die Schreiben der frz. Steuerbehörde nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn diese beginnt, Fragen zu stellen. Besser ist es sich von einem deutsch-französischen Rechtsanwalt im Steuerrecht begleiten zu lassen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bild: Brian Jackson