Unpfändbarkeit des Vermögens des Schuldners in der Insolvenz

16.12.16
Unpfändbarkeit des Hauses des Schuldners
Unpfändbarkeit des Hauses des Schuldners
Unpfändbarkeit des Hauses des Schuldners

Geltendmachung der Unpfändbarkeitsurkunde im französischen Insolvenzverfahren

Durch ein junges und wichtiges Urteil vom 15.11.2016 hat der französische Kassationshof die Rechtsprechung bezüglich der notariellen Urkunde der Unpfändbarkeit eines Teils des Vermögens des Schuldners im Insolvenzverfahren abgeändert. Wurde eine solche Urkunde nicht rechtmäßig veröffentlicht, kann der Insolvenzverwalter von nun an die Unwirksamkeit dieser Urkunde im französischen Insolvenzverfahren feststellen.

Der Schutz des Vermögens des Unternehmers durch die notarielle Unpfändbarkeitsurkunde des Hauptwohnsitzes des Einzelunternehmers

Nach Artikel L526-1 des französischen Handelsgesetzbuches kann eine „bei einem Register für gesetzliche Veröffentlichungen eingetragene natürliche Personihre „Rechtsansprüche auf die Immobilie, in der sie ihren Hauptwohnsitz hat, als unpfändbar beurkunden lassen“. Somit kann der Einzelunternehmer durch diese Bestimmungen seinen Hauptwohnsitz für seine Gläubiger, deren Forderungen erst nach der notariellen Unpfändbarkeitsurkunde entstanden sind, unpfändbar machen.

Die Artikel L526-1 und L526-2 des Handelsgesetzbuches sehen die Bedingungen zur Rechtswirksamkeit dieser Urkunde im französischen Insolvenzverfahren und somit zur Unpfändbarkeit des Hauptwohnsitzes durch die Gläubiger des Gewerbes vor: Die Urkunde über die Unpfändbarkeit des Hauptwohnsitzes muss im Grundbuch sowie im Handelsregister veröffentlicht werden.

Fehlende Veröffentlichung der notariellen Unpfändbarkeitsurkunde im Handelsregister

Am 18.10.2010 hatte eine Einzelunternehmerin im Grundbuch eine notarielle Urkunde zur Unpfändbarkeit ihres Hauptwohnsitzes veröffentlichen lassen. Allerdings hatte sie diese Erklärung nicht beim Handelsregister veröffentlichen lassen. Am 12.01.2011 befand sich das Unternehmen im Insolvenzverfahren.

Dem Insolvenzverwalter nach hatte die Urkunde im Insolvenzverfahren aufgrund der fehlenden Veröffentlichung im Handelsregister keine Rechtswirksamkeit und die Unrechtmäßigkeit dieser Veröffentlichung hatte für die Gläubiger die Pfändbarkeit des Hauptwohnsitzes zur Folge.

Bisherige Rechtsprechung zur Unpfändbarkeit

Insolvenz des Einzelunternehmers und PfändungIn seinem Urteil vom 11.09.2014 hat das Oberlandesgericht von Nîmes befunden, dass der Insolvenzverwalter keine Klagebefugnis zur Geltendmachung der fehlenden Rechtswirksamkeit der notariellen Unpfändbarkeit im Insolvenzverfahren aufgrund der fehlenden Veröffentlichung im Handelsregister hatte.

Das Gericht hat folgendermaßen argumentiert: Die Gläubiger der Einzelunternehmerin waren sowohl Gläubiger aus ihrer beruflichen als auch aus ihre privaten Sphäre. Der Insolvenzverwalter behandelt diese beiden Kategorien von Gläubigern.

Nun sah Artikel L526-1 vom Handelsgesetzbuch (in der damals noch geltenden Verfassung) jedoch vor, dass die rechtmäßig veröffentlichte Urkunde „keine Wirkung gegenüber Gläubigern, deren Ansprüche nach der Veröffentlichung und während der Berufstätigkeit des Erklärenden entstanden sind“, hatte. Aus diesem Grund sind lediglich die „späteren“ Gläubiger der Berufstätigkeit zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Urkunde im Insolvenzverfahren klagebefugt.

Das Oberlandesgericht ist zu dem Schluss gekommen, dass der Insolvenzverwalter, der die Gesamtheit der Gläubiger vertritt und zur Klage im Namen und im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger befugt ist, zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der Erklärung im Insolvenzverfahren nicht klagebefugt war, da die Klage im alleinigen Interesse der „späteren“ Gläubiger der Berufstätigkeit erhoben worden sei.

Tatsächlich haben die Gläubiger aus ihrer beruflichen als auch aus ihrer privaten Sphäre, deren Ansprüche vor der Urkunde entstanden sind, zur Klage auf Unwirksamkeit dieser Urkunde kein Rechtschutzbedürfnis, da der Hauptwohnsitz selbst bei rechtmäßiger Veröffentlichung der Urkunde für sie weiterhin pfändbar bleibt: Diese wirkt nur entgegen der „späteren“ Gläubiger aus der beruflichen Sphäre.

Das Oberlandesgericht hat die aus dem Urteil der Kammer für Handelssachen vom 13.03.2012 entstandene und damals geltende Rechtsprechung des Kassationshofes angewandt.

Neue Rechtsprechung mit dem Urteil des Kassationshofes vom 15.11.2016

Im die Rechtsprechung verändernden Urteil vom 15.11.2016 erkennt der Kassationshof an, dass das Oberlandesgericht ein mit der damaligen Rechtsprechung übereinstimmendes Urteil abgegeben hat, kündigt aber klarstellend an, dass diese Rechtsprechung abzuändern ist. Er gibt an, dass diese Änderung der Rechtsprechung aus dem Urteil vom 13.03.2012 erforderlich ist, da diese bisherige Rechtsprechung zur Folge hatte, dass dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit der Anfechtung der notariellen Unpfändbarkeitsurkunde im Insolvenzverfahren vorenthalten wurde.

Durch ein Urteil vom 02.06.2015 hatte der Kassationshof bereits die Änderung der Rechtsprechung in Gang gesetzt, indem er entschieden hatte, dass „der Insolvenzverwalter für die Wahrung des Pfandrechts der Gläubiger auf dem Vermögen des Schuldners klagebefugt ist“.

Im die Rechtsprechung verändernden Urteil vom 15.11.2016 hat der Kassationshof Folgendes befunden: „Da die Urkunde beim Insolvenzverfahren nur dann rechtswirksam ist, wenn sie rechtmäßig veröffentlicht wurde, ist die Klage des Insolvenzverwalters, der dazu befugt ist, im Namen und im gemeinsamen Interesse der Gläubiger gerichtlich zu handeln, und die zur Unterstützung einer Klage auf Wahrung des Pfandrechts der Gläubiger auf dem Vermögen des Schuldners gegen die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung gerichtet ist, zulässig“.

Seit diesem Urteil ist der Insolvenzverwalter, dessen Aufgabe aus der Wahrung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger besteht, zur Nachprüfung der rechtmäßigen Veröffentlichung der Urkunde verpflichtet. Falls die Urkunde nicht rechtmäßig veröffentlicht wurde, kann er nunmehr eine Klage auf Unwirksamkeit der Urkunde im Insolvenzverfahren erheben.

Weiterer Hinweis über die Unpfändbarkeit: Der Hauptwohnsitz des Einzelunternehmers ist seit dem Macron-Gesetz unpfändbar

Seit dem Macron-Gesetz vom 06.08.2015 (neue Fassung des Artikels L526-1 des französischen Handelsgesetzbuches) ist der Hauptwohnsitz des Einzelunternehmers für die Gläubiger seines Unternehmens kraft Gesetzes unpfändbar geworden. Der Einzelunternehmer muss somit keine notarielle Unpfändbarkeitsurkunde mehr vornehmen. Dafür bleiben die anderen unbeweglichen Vermögensbestandteile des Einzelunternehmers durch die Gläubiger pfändbar, es sei denn es wurde für diese Güter eine Unpfändbarkeitsurkunde rechtmäßig veröffentlicht.

Der dem Urteil vom 15.11.2016 zugrundeliegende Sachverhalt ereignete sich vor dem Inkrafttreten des Macron-Gesetzes. Aus diesem Grund war der Hauptwohnsitz dem Gesetz nach nicht unpfändbar. Nur die nach dem 06.08.2015 entstandenen Schulden sind von der Reform betroffen.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bilder: Ralf Geithe, Reinhard Sester

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