Das Insolvenzverfahren in Frankreich

Aktualisiert am 25.06.25
Insolvenzverfahren in-Frankreich
Das Insolvenzverfahren in Frankreich
Insolvenzverfahren in-Frankreich

In einer global vernetzten Wirtschaft sind Kenntnisse über ausländische Insolvenzregelungen von großem Wert. Dieser Artikel beleuchtet das französische Insolvenzrecht, wobei der Schwerpunkt auf der Unternehmensinsolvenz liegt, während auch ein kurzer Blick auf die Privatinsolvenz geworfen wird. Lernen Sie die Abläufe, Vor- und Nachteile sowie rechtlichen Besonderheiten kennen, die bei einer Insolvenz in Frankreich zu beachten sind.

Wer kann Insolvenz anmelden?

Jede Person, die mit dem Unternehmen verbunden ist und feststellen kann, dass das Unternehmen in finanzieller Krise ist und seine Schulden nicht bezahlt, kann Insolvenz anmelden. Der frz. Begriff „dépôt de bilan“ wird in der Umgangssprache häufig verwendet.

So können unter anderem beantragen, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wird:

  •  der gesetzliche Vertreter des Schuldnerunternehmens (Geschäftsführer, Vorsitzender, Generaldirektor usw., je nach französischer Gesellschaftsform). Er sitzt in der ersten Reihe, um die kritische Situation des Unternehmens in Bezug auf die Begleichung seiner Schulden festzustellen, d. h. den Zustand der Zahlungseinstellung. Dies ist definiert als die Unmöglichkeit, die fälligen Verbindlichkeiten mit seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Der zu berücksichtigende verfügbare Vermögenswert ist der Vermögenswert, aus dem „sehr kurzfristig“ Liquidität erlangt werden kann. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Zahlungseinstellung festgestellt wird, hat der gesetzliche Vertreter maximal 45 Tage Zeit, um die Insolvenz  anzumelden. Nach Ablauf dieser Frist kann er wegen „Managementfehlern“ haftbar gemacht werden, weil er die Insolvenz zu spät angemeldet hat. In diesem Fall kann er dazu verurteilt werden, die Schulden seines Unternehmens ganz oder teilweise persönlich zu tragen (siehe unten) ;
  • Ein Gläubiger in Bezug auf seine unbezahlte Forderung ;
  • die Staatsanwaltschaft,
  • das Handelsgericht, wenn es von Amts wegen damit befasst wird.

Es ist zu beachten: Das gerichtliche Schutzverfahren („sauvegarde judiciaire“) kann nur vom Unternehmensleiter und nicht von den anderen oben aufgelisteten Personen eingeleitet werden.

Welche Fristen gibt es im Insolvenzverfahren?

Es handelt sich dabei sowhol um gesetzliche Fristen, die einzuhalten sind als auch um Erfahrungswerte für die Dauer von Verfahren in der Praxis. Hier sind einzelne Fristen, die interessant sind:

  1. Frist für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Diese gesetzliche Frist beträgt 45 Tage maximal ab Zahlungseinstellung. Bei Nichteinhaltung dieser Frist drohen den gesetzlichen und faktischen Vertretern des Unternehmens die Folgen der Insolvenzverschleppung;
  2. Dauer der Verdachtsperiode für die Anfechtung von Handlungen: Rückwirkend vor dem Tag der Zahlungseinstellung, der vom Insolvenzgericht festgestellt wird gilt einen Zeitraum von 18 Monaten, in dem gewisse Massnahmen der Geschäftsführung anfecthbar sind;
  3. Dauer der Beobachtungsphase im Sanierungsverfahren: Mit dem Eröffnungsbeschluss beginnt eine sogenannte „Beobachtungsphase“, die sechs Monate dauert. Deise Dauer kann per Gerichtsbeschluss sich insgesamt auf 18 Monaten erstrecken;
  4. Höchstdauer des Sanierungsplans im Sanierungsverfahren: Der Sanierungsplan (einschl. Tiilgungsplan der Verbindlichkeiten) darf sich maximal auf zehn Jahre erstrecken;
  5. Frist für die Anmeldung der Forderung durch die Gläubiger: Die Gläubiger verfügen in der Regel über zwei Monate Zeit, um Ihre Forderung anzumelden, und zwar ab dem Tag der Veröffentlichung des Eröffnungsurteils im Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales (BODACC). Die Frist wird für ausländische Gläubiger auf vier Monate erstreckt. Für bestimmte Arten von Forderungen und Sicherheiten gelten besondere Fristen;
  6. Dauer des Regel-Abwicklungsverfahrens: Es gibt keine gesetzlich festgelegte Höchstdauer. Die konkrete Dauer es Abwicklungsverfahrens hängt u. a. von der Anzahl der Arbeitnehmern, dem zu veräußernden Vermögen und eventuellen Rechtsstreitigkeiten ab. Bei einem mittelgroßen Unternehmen oder wenn der bestellte Insolvenzverwalter besonders belastet ist, kann dies mehrere Jahre dauern. Oftmals dauert das Insolvenzverfahren 2 bis 5 Jahre. Ist die Dauer des Insolvenzverfahrens besonders lang, so darf das Verfahren trotz Nichtbeendigung der Abwicklungsmassnahmen eingestellt werden. Es droht der Staat sonst eine Haftungsklage;
  7. Dauer des vereinfachten Abwicklungsverfahrens: Dieses Verfahren gilt für kleinere Unternehmen (mit höchstens einen Arbeitnehmer und einem Umsatz von höchstens EUR 300.000,00. Dieses Verfahren muss Frist von maximal 12 Monaten beendet werden. Oftmals ist das Verfahren schon nach 3 Monaten abgeschlossen. Das vereinfachte Abwicklungsverfahren kann auch vorzeitig beendet werden, wenn alle Schulden beglichen wurden oder wenn der Vermögenswert eine Zahlung aller Gläubiger nicht möglich machte.

Was passiert, wenn das Unternehmen die Anmeldung der Insolvenz verzögert?

Wenn ein Unternehmen zu lange damit wartet, Insolvenz anzumelden, obwohl es eindeutig „zahlungsunfähig“ ist, kann dies erhebliche Nachteile verursachen, sowohl für das Unternehmen selbst als auch für den Geschäftsführer, der in bestimmten Fällen persönlich haftbar gemacht werden kann.

Wenn die angehäuften Verbindlichkeiten so groß werden, dass das Unternehmen seine Gläubiger nicht mehr bezahlen kann, kann der Geschäftsführer, sofern er für diese Situation verantwortlich gemacht wird, gezwungen werden, die Gläubiger aus seinem Privatvermögen zu bezahlen. Wenn der Geschäftsführer die Zahlungseinstellung nicht innerhalb von 45 Tagen meldet, drohen ihm außerdem verschiedene Sanktionen, darunter insbesondere ein Verbot der Geschäftsführung.

Für das Unternehmen selbst besteht das Haupt-Risiko darin, dass sich seine finanzielle Situation stark verschlechtert und sich die Verbindlichkeiten während des Zeitraums, in dem es mit der Insolvenzanmeldung zögert, anhäufen. Darüber hinaus läuft das Unternehmen Gefahr, dass ein Dritter, meist ein unbezahlter Gläubiger, direkt beim Gericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt. Dabei kann es sich um einen unbezahlten Lieferanten, eine Bank oder auch (und in der Praxis am häufigsten) um die Finanzverwaltung oder die Sozialversicherungsträger, insbesondere die URSSAF, handeln.

Es ist noch zu betonen, dass eine spätere Anmeldung nicht dazu führt, dass das Datum der Zahlungseinstellung verschoben wird. Nach der Insolvenzanmeldung hat das Gericht die Möglichkeit, das Datum der Zahlungseinstellung bis zu 18 Monate vor dem Urteil zur Eröffnung des Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens zu verschieben. Während dieses Zeitraums, der als „Verdachtsperiode“ bezeichnet wird, wird jede Transaktion geprüft und einige können schlicht und einfach annulliert werden. Dies stellt also eine große Unsicherheit sowohl für das Unternehmen selbst als auch für seine Partner dar.

Gibt es Verfahren, die eine Insolvenz bereits im Vorfeld verhindern können?

Bereits bei den ersten Schwierigkeiten gibt es verschiedene Vorkehrungen und Verfahren, um frühzeitig zu handeln und eine Insolvenz zu verhindern. Hier werden nur die Verfahren behandelt, bei denen das Gericht eingreift.

  • Das gerichtliche Schutzverfahren („sauvegarde judiciaire“): Die Eröffnung eines solchen Verfahrens kann beantragt werden, wenn „Schwierigkeiten vorliegen, die das Unternehmen nicht allein überwinden kann“. Dies betrifft alle Arten von Schwierigkeiten (rechtliche, organisatorische…), nicht nur rein finanzielle Schwierigkeiten. Es hat den Vorteil, dass die für kollektive Verfahren typischen Maßnahmen, wie die Einstellung der Verfolgung von Zahlungen durch die Gläubiger, bereits beim Auftreten von Schwierigkeiten angewendet werden. Auf diese Weise erhält das Unternehmen, das sich in Schwierigkeiten befindet, eine finanzielle „frische Luft“. Das Verfahren soll die Reorganisation des Unternehmens erleichtern, um die Fortsetzung der Wirtschaftstätigkeit, die Erhaltung der Arbeitsplätze und die Bereinigung der Verbindlichkeiten zu ermöglichen. Da es sich jedoch um ein öffentliches Verfahren handelt, ist es der Allgemeinheit bekannt. Das kann dazu führen, dass die Partner misstrauisch werden.

Denken Sie daran: Es ist nicht möglich, ein gerichtliches Schutzverfahren in Anspruch zu nehmen, wenn sich das Unternehmen bereits in der Zahlungsunfähigkeit befindet.

  • Das Schlichtungsverfahren („procédure de conciliation“): Es kann von einem Unternehmen unabhängig von der Art seiner Schwierigkeiten und deren Schwere beantragt werden. Für ein Unternehmen, das noch nicht zahlungsunfähig ist, ist das Schlichtungsverfahren eine gute Alternative zum gerichtlichen Schutzverfahren und erst recht zum gerichtlichen Sanierungsverfahren, da es vertraulich bleiben kann. Die Aufgabe des Schlichters besteht darin, zu versuchen, mit den Hauptgläubigern, meist den Banken, eine Einigung zu erzielen, damit das Unternehmen seine Tätigkeit fortsetzen und die Insolvenz vermeiden kann. Dennoch kann es manchmal recht kompliziert sein, eine Einigung zu erzielen, wodurch dieses Verfahren scheitert.

Achtung: Das Unternehmen darf jedoch nicht länger als 45 Tage in einem Zustand der Zahlungseinstellung sein, da es sonst Insolvenz anmelden muss.

  • Bestellung eines Treuhänders: Ein Unternehmen, das sich in Schwierigkeiten aller Art befindet, kann beim Gericht auch die Bestellung eines sog. „Ad-hoc-Treuhänders“ beantragen. Das Gericht bestimmt die Aufgabe des Ad-hoc-Vertreters je nach der Situation des Unternehmens. Meistens können so Konflikte zwischen Gesellschaftern oder mit Lieferanten oder Bankern gelöst werden. Im Gegensatz zu anderen Verfahren, wie z. B. dem gerichtlichen Schutzverfahren, basiert dieses Verfahren auf dem Willen der Parteien, so dass den Gläubigern nichts aufgezwungen werden kann, was sie nicht wollen. Am Ende seines Auftrags erstellt der Ad-hoc-Treuhänder einen Bericht, den er dem Gericht übergibt.

Achtung: Auch hier gilt: Um die Bestellung eines Ad-hoc-Treuhänder zu beantragen, darf das Unternehmen nicht länger als 45 Tage in der Zahlungseinstellung sein.

Was sind die Vor- und Nachteile von Insolvenzverfahren?

Die Vor- und Nachteile von Insolvenzverfahren hängen weitgehend vom Standpunkt ab, den man einnimmt, je nachdem, ob man Gläubiger oder Schuldner oder auch Arbeitnehmer des Unternehmens ist.

Vor- und Nachteile des Insolvenzverfahrens für das insolvente Unternehmen

Das Insolvenzverfahren ist in erster Linie darauf ausgelegt, das in Schwierigkeiten befindliche Unternehmen durch die Umsetzung von Maßnahmen zu schützen, die weitgehend vom allgemeinen Recht abweichen.

Die Vorteile für das Unternehmen sind:

  • die Einstellung der Berechnung der Verspätungszinsen ab dem Urteil über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens;
  • die automatische Aussetzung fälliger Forderungen: Die Gläubiger des Unternehmens, gegen das ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, können die Zahlung ihrer Forderungen nur verlangen, indem sie diese beim gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter anmelden, der nun für die Zahlungen des Unternehmens zuständig ist ;
  • die vorläufige Aussetzung laufender Gerichtsverfahren, die gegen das Unternehmen im Insolvenzverfahren eingeleitet wurden, und das Verbot neuer Gerichtsverfahren gegen das Unternehmen: Sie werden erst wieder aufgenommen, wenn die Forderung angemeldet wurde, unter der Bedingung, dass der Insolvenzverwalter zum Verfahren hinzugezogen wurde;
  • Die mögliche Vermeidung von Haftungsrisiken bei künftigen Handlungen für die Vertreter;
  • Das Ende eines unersättlichen Geldabflusses für Gesellschafter mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Die Nachteile für das Unternehmen sind:

Nachteile für den Gläubiger

Ein Insolvenzverfahren ist nur mit Nachteilen für die Gläubiger des insolventen Unternehmens verbunden. Alle Gläubiger laufen Gefahr, nicht oder zum zum Teil bezahlt zu werden. Der unbesicherte Gläubiger ist dabei am meissten gefährdet, da er keine Sicherheiten bzw. Vorrechte geltend machen kann. Im Einzelnen sind folgende Haupt-Nachteile zu nennen:

  • Aussetzung der Vollstreckung der Forderung: Konkret bedeutet dies, dass bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Forderungen nicht mehr beglichen werden dürfen, da sonst die Zahlung storniert wird. In der Praxis haben die Gläubiger des Unternehmens, gegen das ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, jedoch häufig bereits mit erheblichen Verzögerungen bei der Zahlung ihrer Forderungen zu kämpfen. Die Eröffnung eines Verfahrens bedeutet daher, dass sie noch viele Monate oder sogar Jahre warten müssen, bevor sie eine Zahlung erhalten, selbst wenn es sich nur um eine Teilzahlung handelt (siehe unten).
  • Rechtliche Risiken im Zusammenhang mit der Anmeldung der Forderung: Es ist dringend angeraten, sich von einem Rechtsanwalt im französischen Insolvenzrecht unterstützen zu lassen, insbesondere wenn die Forderung komplex ist. Zweitens ist es nicht ungewöhnlich, dass die angemeldete Forderung vom Insolvenzverwalter bestritten wird, der daher ihre Ablehnung durch den Insolvenzrichter beantragen wird.
  • Verlust des Zinsanspruchs: Wie bereits erwähnt, werden mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens automatisch die Schuldzinsen für unbezahlte Forderungen eingestellt. Mit anderen Worten: Ein Gläubiger muss nicht nur lange auf die Zahlung seiner Forderung warten, sondern profitiert auch nicht von einer Erhöhung des Forderungsbetrags aufgrund von Zinsen, da diese ab dem Urteil über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr laufen.
  • die Ungewissheit, ob sie bezahlt werden: Dies ist der größte Nachteil für die Gläubiger. Der unbesicherte Gläubiger steht am Ende der Kette, wenn es um die Bezahlung von Forderungen geht. Erst wenn die vorrangigen Gläubiger befriedigt wurden, wird das noch verfügbare Vermögen – wenn überhaupt – unter den verbleibenden Gläubigern aufgeteilt, und zwar „marc-le-franc“, d. h. im Verhältnis zu den Beträgen ihrer jeweiligen Forderungen. Dies hat zur Folge, dass es eher selten vorkommt, dass ein chirographischer Gläubiger seine gesamte Forderung befriedigt bekommt.

Vor- und Nachteile für die Arbeitnehmer des insolventen Unternehmens

Die Nachteile für die Arbeitnehmer sind:

  • das große Risiko, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, denn wenn das Unternehmen während des Insolvenzverfahrens nicht saniert oder verkauft wird, besteht die Gefahr, dass es abgewickelt wird und die Arbeitnehmer gekündigt werden;
  • Verlust der Möglichkeit, im Falle einer Entlassung eine Abfindung zu erhalten, die über das tarifvertraglich oder gesetzlich vorgesehene Minimum hinausgeht.

Der Vorteil für die Arbeitnehmer beim Insolvenzverfahren:

  • Zahlung von Lohnforderungen innerhalb von 10 Tagen: Gemäß Artikel L625-8 des Handelsgesetzbuchs müssen Lohnforderungen ungeachtet anderer Forderungen grundsätzlich innerhalb von 10 Tagen nach Verkündung des Urteils zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt werden.  Wenn ein Unternehmen vor der Insolvenz in ernste Schwierigkeiten gerät, ist es nicht ungewöhnlich, dass Arbeitnehmer seit mehreren Monaten keine Lohnzahlungen erhalten haben. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sichert ihnen diese und die beiden folgenden Sicherheiten:
  • Unverzügliche Zahlung eines Monatsgehalts: Derselbe Artikel sieht vor, dass den Arbeitnehmern mit Genehmigung des Insolvenzrichters sofort eine Summe in Höhe eines ausstehenden Monatsgehalts auf der Grundlage der letzten Gehaltsabrechnung ausgezahlt werden muss;
  • Einschaltung der AGS zur Sicherung der Lohnzahlung: Trotz der oben erwähnten Regeln, die die vorrangige Zahlung ausstehender Löhne ermöglichen, kann es vorkommen, dass sich ein Unternehmen in so großen Schwierigkeiten befindet, dass es nicht einmal über die notwendigen Mittel verfügt, um die Löhne zu zahlen. In diesem Fall kann unter bestimmten Bedingungen die AGS (Association pour la gestion du régime de garantie des créances des salariés) einspringen und die ausstehenden Löhne direkt auszahlen, selbst wenn der Arbeitgeber seine AGS-Beiträge nicht bezahlt hat.

Ablauf des Insolvenzverfahrens

Welches Insolvenzverfahren?

Wenn sich der Schuldner die Frage stellt, welches Insolvenzverfahren für seine Situation am besten geeignet ist, sind hier die beiden existierenden Verfahrensarten aufgeführt:

das Sanierungsverfahren mit Fortführung: Wenn sich bei der Anmeldung der Insolvenz herausstellt, dass eine Sanierung des Unternehmens – d. h. die Fortführung der Geschäftstätigkeit und die Begleichung der Schulden – möglich ist, wird dieses Verfahren eröffnet;
das Abwicklungsverfahren: Wenn sich bereits bei der Anmeldung der Insolvenz oder während des gerichtlichen Sanierungsverfahrens herausstellt, dass die aktuelle Situation keine Sanierung ermöglicht, wird ein gerichtliches Liquidationsverfahren eröffnet.

Die einzelnen Schritte des Insolvenzverfahrens

Die einzelnen Schritte des Sanierungsverfahrens mit Fortführung

  1. Wenn die Sanierung ausgesprochen wird, folgt eine sechsmonatige Beobachtungsphase, die einmal verlängert werden kann und in der die Geschäftstätigkeit des Unternehmens fortgesetzt wird;
  2. Wenn ein Sanierungsplan angenommen wird, kann dieser bis zu zehn Jahre dauern. Wie bei dem Schutzverfahren besteht das Ziel der Sanierung darin, das Unternehmen in die Lage zu versetzen, seine Tätigkeit fortzusetzen und dabei so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten und seine Schulden zu begleichen;
  3. Der Insolvenzverwalter kann beschliessen, das insolvente Unternehmen vollständig oder zum Teil zum Verkauf anzubieten;
  4. Wenn sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass eine Sanierung nicht mehr möglich ist, wird die gerichtliche Sanierung in eine gerichtliche Liquidation umgewandelt.

Die einzelnen Schritte des Abwicklungsverfahrens

  1. Grundsätzlich wird mit der Verkündung des Urteils die Tätigkeit des Unternehmens beendet.
  2. Die Eröffnung des Verfahrens führt dazu, dass Forderungen, die noch nicht fällig waren, verfallen.
  3. Die Arbeitnehmer werden vom Liquidator entlassen;
  4. Das gesamte Vermögen des Unternehmens wird bewertet, um die Gläubiger in der gesetzlich festgelegten Reihenfolge zu befriedigen;
  5. Das Unternehmen wird anschließend aufgelöst und aus dem Handelsregister gelöscht.

Forderungsanmeldung durch den Gläubiger und den Arbeitnehmer

Unabhängig vom eröffneten Verfahren müssen die Gläubiger ihre Forderungen innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im BODACC (Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales) beim gerichtlichen Insolvenzverwalter (oder Liquidator im Falle einer Liquidation) anmelden. Diese Frist wird für ausländische Gläubiger auf vier Monate verlängert.  Dasselbe gilt für Gläubiger, die nicht in Übersee ansässig sind, wenn das Verfahren in den Überseegebieten Frankreichs eröffnet wird.

Die Regelungen zur Forderungsanmeldung in der französischen Insolvenz, zur Rangfolge der Forderung in Bezug auf Sicherheiten und Vorrechte usw. und zur Bezahlung sind komplex und Formfehler führen schnell zur Abweisung dieser Forderung.

Arbeitnehmer unterliegen bei der Anmeldung ihrer Löhne bei der AGS Sonderfristen, wobei der Insolvenzverwalter diese Aufgabe erfüllt.

Aussonderungsrecht des Wareneingetümers

In französischen Insolvenzverfahren kann der Eigentümer von Waren, die sich noch im Besitz des insolventen Unternehmens befinden, unter bestimmten Voraussetzungen ein Herausgabeverlangen (Aussonderungsrecht) geltend machen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die Waren unter Eigentumsvorbehalt (Eigentumsvorbehalt nach deutschem Recht bzw. réserve de propriété nach französischem Recht) geliefert wurden. Die praktische Durchsetzung dieses Rechts erfordert jedoch eine fristgerechte Anmeldung und den Nachweis der wirksamen Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts im Sinne des französischen Insolvenzrechts.

Wie endet das Insolvenzverfahren?

  • Im Falle des Sanierungsverfahrens mit Fortführung wird die Annahme des Sanierungs- bzw. Fortführungsplans dem Unternehmen im Prinzip die Fortsetzung seiner Tätigkeit nach dem Insolvenzverfahren begründen;
  • Im Falle eines Abwicklungsverfahrens wird nach Verkauf bzw. Verwertung des Aktivas sowie Befriedigung der Gläubiger ein gerichtlicher Beschluss zur Einstellung des Verfahrens gefaßt.

Wie hoch sind die Kosten eines Insolvenzverfahrens?

Für das Unternehmen, gegen das ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, fallen vor allem Kosten für die Vergütung der vom Gericht bestellten Organe, insbesondere der Insolveznverwalter, an, die wie folgt bezahlt werden:

  • Im Sanierungsverfahren mit Fortführung wird die Vergütung aus der Masse des Unternehmens während des Beobachtungszeitraums entnommen;
  • Im Abwicklungsverfahren wird die Vergütung direkt aus den verfügbaren Vermögenswerten entnommen.

Die Vergütung ders Insolvenzverwalters wird wie die der Ministerialbeamten direkt im Handelsgesetzbuch festgelegt und hängt insbesondere vom Umsatz des Unternehmens und der Anzahl der Arbeitnehmer ab.

Für die Gläubiger ist das Insolvenzverfahren grundsätzlich mit keinen Kosten verbunden, da die Anmeldung ihrer Forderung kostenlos ist. Es wird jedoch dringend empfohlen, sich von einem Rechtsanwalt unterstützen zu lassen, damit dieser die Anmeldung selbst vornimmt und das Verfahren verfolgt. Die Gebühren sind von Anwalt zu Anwalt unterschiedlich, hängen aber auch von der Komplexität des Falles und der Zeit ab, die für die Anmeldung der Forderung benötigt wird. Später kann das Honorar erheblich steigen, wenn der Anwalt direkt in das Verfahren eingreifen muss, z. B. bei einem Rechtsstreit zwischen dem Insolvenzverwalter und seinem Mandanten über eine bestrittene Forderung (Verhandlung, Verfassen von Schriftsätzen usw.). 

Welche Besonderheit gibt es im Elsass-Mosel?

In Elsass-Mosel können Privatpersonen wie alle Franzosen das Überschuldungsverfahren nach nationalem französischem Recht nutzen, können sich aber auch dafür entscheiden, das für Elsass-Mosel spezifische Verfahren der Privatinsolvenz anzuwenden. Dabei handelt es sich konkret um die Anwendung von Vorschriften des Handelsgesetzbuches für die Unternehmensinsolvenz auf Privatpersonen.

Nach Einreichung des Antrags beim Gericht wird das Gericht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Privatinsolvenzantrags prüfen, die mehr oder weniger dieselben sind wie bei der Überschuldung. Der Schuldner muss nämlich:

  1. in Moselle, Bas-Rhin oder Haut-Rhin wohnhaft sein;
  2. eine Privatperson sein, die weder Landwirt, Kaufmann, Handwerker noch Freiberufler ist;
  3. diese Vorschriften nicht künstlich beanspruchen;
  4. notorisch zahlungsunfähig sein, indem er nachweist, dass z. B. Gläubiger gegen ihn erfolglos Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt haben.

Ist der Antrag zulässig, wird wie bei Insolvenzverfahren ein Eröffnungsurteil im Amtsblatt BODACC veröffentlicht, ein Insolvenzverwalter wird ernannt und die Gläubiger müssen ihre Forderungen anmelden. Vor allem aber entscheidet das Urteil über die Eröffnung eines der drei folgenden Verfahren:

  1. das gerichtliche Schutzverfahren;
  2. die Sanierung mit Fortführung;
  3. die Abwicklung.

Das Verfahren läuft dann in den groben Zügen wie ein klassisches Insolvenzverfahren ab, mit denselben Modalitäten und Fristen. Im Gegensatz zur Überschuldung, die sich grundsätzlich nur mit persönlichen Schulden befasst, umfasst die Privatinsolvenz zudem alle Schulden einer Person, unabhängig von ihrem Ursprung.

Der Haupteffekt der Privatinsolvenz die sofortige Entschuldung: Der Schuldner erreicht die Befreiung von diesen Verbindlichkeiten nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, wie dies bei Unternehmen gilt.

Wie kann ich in Deutschland die Schuldenbefreiung anerkennen lassen?

Im Gegensatz zum Überschuldungsverfahren besteht einer der großen Vorteile der Privatinsolvenz darin, dass sie in Deutschland im Rahmen der europäischen Insolvenzverordnung automatisch anerkannt wird. Verschuldete Personen mit Wohnsitz in Alsace-Moselle, die in Deutschland Schulden gemacht haben, sollten sich daher besser für das Privatinsolvenzverfahren entscheiden, da das Eröffnungsurteil und das gesamte daraus resultierende Verfahren automatisch auch auf der anderen Seite des Rheins wirksam werden. Allerdings ist es sehr schwierig aus deutscher Schuldner ins Alsace-Moselle umzuziehen, um die Schuldenbefreiung zu beantragen. Der kurzfritiger Umzaug nach Frankreich wird meistens von Richtern als Missbräuchlich angesehen.

Für eine umfassende und rechtssichere Beratung im französischen Insolvenzrecht empfiehlt sich die Unterstützung eines deutsch-französischen Rechtsanwalts als ideale Lösung.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bild: K.-U. Hässler

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