Haftung des Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung
20.02.17

Minderung der Haftung des französischen Geschäftsführers für die verspätete Stellung des Insolvenzantrags nach der 45-Tage Frist
Die Gesetzestexte und die jüngste Rechtsprechung zeigen eine für den Geschäftsführer vorteilhafte Entwicklung im französischen Insolvenzrecht an. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die Geltendmachung der Haftung des Geschäftsführers in Frankreich etwas schwieriger geworden sind.
Der nach Ablauf der gesetzlich festgelegten Frist von maximal 45 Tagen ab der Zahlungsunfähigkeit vorgelegte Insolvenzantrag gilt nach französischem Insolvenzrecht als verspätet. Bisher wurde gegen den Geschäftsführer, der es versäumte, diese Beantragung innerhalb der gesetzten Fristen vorzunehmen, ein Geschäftsführungsverbot ausgesprochen. Da die bloße Feststellung der Überschreitung dieser Frist ausreichte, wurde diese Strafe bisher relativ oft verhängt. Durch das Gesetz sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Haftung des Geschäftsführers in Frankreich strenger geworden.
Die dem Geschäftsführer grundsätzlich drohenden Strafen bei Insolvenzverschleppung
- Dem Geschäftsführer drohende Geldstrafe: Das Versäumnis der Insolvenzanmeldung stellt ein Verschulden in der Geschäftsführung dar. Ist das Gericht der Ansicht, dass der Geschäftsführer durch das Versäumnis oder die Verspätung des Insolvenzantrages zu den Schwierigkeiten der Gesellschaft beigetragen hat, kann es „entscheiden, dass die Verbindlichkeiten ganz oder teilweise von (…), den Geschäftsführern, getragen wird“ (frz. Handelsgesetzbuch);
- Der Geschäftsführer, der „wissentlich innerhalb der 45-tägigen Frist ab der Zahlungsunfähigkeit versäumt hat, den Insolvenzantrag zu stellen“ setzt sich darüber hinaus einem Geschäftsführungsverbot aus (Art. L. 651-2 Abs. 1 frz. Handelsgesetzbuch).
Dieses Geschäftsführungsverbot hat teilweise scherwiegende Folgen. Die Richter entscheiden in diesem Zusammenhang nämlich im freien Ermessen. In den schlimmsten Fällen kann das Gericht somit ein Verbot aussprechen, jegliches Handels-, Handwerks- und Landwirtschaftsbetrieb, sowie jegliche juristische Person zu führen, zu verwalten oder sie unmittelbar oder mittelbar zu kontrollieren.
Nunmehr führt nur noch das vorsätzliche Versäumnis zur Strafe des Geschäftsführers
Mit dem Artikel 239 vom Gesetz Nr. 2015-990 vom 06.08.2015 zum Wachstum, zur Aktivität und der wirtschaftlichen Chancengleichheit, auch „Macron-Gesetz“ genannt, wurde zur Verhängung der Strafe des Geschäftsführungsverbots eine weitere einschränkende Voraussetzung eingeführt.
Das Versäumnis der Vornahme eines Insolvenzantrages innerhalb der 45-tägigen Frist ab der Zahlungsunfähigkeit muss vorsätzlich sein. Es stellt sich dabei folgende Frage: In welchen Fällen aber betrachten die Richter dieses Versäumnis als vorsätzlich?
Anwendungsbeispiel der Reform in einer jungen Gerichtsentscheidung
Das Berufungsgericht von Besançon hat am 04.05.2016 eine Entscheidung verkündet, in der es das neue Gesetz angewandt und den Vorsatz des Versäumnisses des Geschäftsführers bei der Erfüllung seiner Pflicht festgestellt hat.
Der Geschäftsführer eines Restaurants befand sich seit 1998 im Rahmen des Insolvenzverfahrens und ab 2001 in der Abwicklung. In diesem gleichen Jahr wurde der Geschäftsführer zu 10 Jahren persönlichem Konkurs verurteilt und seine Eintragung beim Handelsregister gelöscht. Diese Strafen haben den Restaurant-Betreiber jedoch nicht entmutigt, denn ihm gegenüber wurde 2013 ein neues Insolvenzverfahren eröffnet. Nach diesen Ereignissen wurde er 2015 erneut zu einem Geschäftsführungsverbot von 5 Jahren verurteilt. Die Richter des Handelsgerichtes haben ihn aufgrund seines Versäumnisses, den Insolvenzantrag innerhalb der 45-tägigen Frist ab Zahlungsunfähigkeit zu stellen, verurteilt.
Der Geschäftsführer ist vergeblich in Berufung gegangen: Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass die Richter ihn in der ersten Instanz zu Recht verurteilt haben.
Verurteilung des Geschäftsführers wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung
Das Gericht erinnert an den unseriösen Werdegang des Geschäftsführers. Es erwähnt außerdem, dass der Geschäftsführer sich von einem Juristen hat beraten lassen und er trotz dessen erneut mit der Insolvenzanmeldung gewartet hat.
Das Berufungsgericht nimmt die Gelegenheit wahr, um daran zu erinnern, dass die Voraussetzung des Vorsatzes aus dem sogenannten „Macron-Gesetz“ sofort anwendbar ist. Somit gilt dieses Gesetz für die anhängigen Verfahren, selbst wenn die vorgeworfenen Tatsachen vor 2015 stattgefunden haben.
Nach Ansicht des Gerichtes war der Geschäftsführer „bestens über die Pflichten eines zahlungsunfähigen Kaufmanns informiert“. Somit hat er „mit Vorsatz mit dem Insolvenzantrag gewartet“: Als schlechter Manager, mit den Handelsgerichten vertraut, nicht darauf bedacht, den Rat eines Juristen zu befolgen, konnte dieser wenig gewissenhafte Geschäftsführer seine Pflichten nur zu gut kennen.
Geschäftsführer, denen lediglich Nachlässigkeit mit ihren Finanzen vorgeworfen werden kann, werden von dieser neuen Gesetzesentwicklung profitieren. Diese Begünstigung bleibt aber sehr eingeschränkt, da Geschäftsführer mit dem Macron-Gesetz im Rahmen einer Durchgriffshaftungsklage weiterhin schwere Geldstrafen riskieren.
Diese Reform führt zu einer gewissen Sicherheit für den Geschäftsführer, der in den meisten Fällen gar nicht weiß, an welchem Datum die Zahlungsunfähigkeit bestimmt wird. Die Idee des Gesetzgebers war, dem gutgläubigen Geschäftsführer eine zweite Chance zu geben. In diesem Sinne fand auch eine Reform der Durchgriffshaftung in Frankreich statt.
Für den Insolvenzverwalter wird sich der Nachweis des Vorsatzes durch Versäumnis als sehr kompliziert herausstellen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bilder: poplasen, alphaspirit