Anfechtung der Honorarvereinbarung des französischen Rechtsanwalts
Veröffentlicht am 30.04.24

Wenn ein französischer Anwalt mit seinem Mandanten eine Honorarvereinbarung abschließt, ist dies in der Regel das Ergebnis eines freien und ausgewogenen Austauschs. Das vereinbarte Honorar ist entweder ein Stundensatz, eine Pauschale oder eine Mischform mit Erfolgshonorar. Was auch immer entschieden wurde, klar ist, der Mandant und sein Anwalt müssen sich an diese Honorarvereinbarung halten. In Ausnahmefällen, in denen die Vertragsfreiheit de facto nicht eigehalten wurde, kann die Honorarvereinbarung des Anwalts angefochten werden. Dies kann zum Vorteil des Mandanten, aber auch zum Vorteil des Anwalts geschehen.
Die Vereinbarung unterliegt verschiedenen Regeln und die Sanktion bei Nichteinhaltung dieser Regeln ist die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Regeln, mit denen die Zustimmung der Parteien und die standesrechtlichen Prinzipien des Rechtsanwalts sichergestellt werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
Nichtigkeit wegen Nichteinhaltung der Honorarvereinbarung
Wie jeder Vertrag muss auch die Honorarvereinbarung eines Rechtsanwalts die Bedingungen in Bezug auf die Willenserklärung der Parteien und ihre Geschäftsfähigkeit erfüllen und einen rechtmäßigen und eindeutigen Inhalt haben.
Nichtigkeit wegen mangelnder Willenserklärung
Wenn eine der Parteien der Honorarvereinbarung nachweisen kann, dass sie den Vertrag nicht frei abgeschlossen hat, kann die Honorarvereinbarung des Rechtsanwalts angefochten werden. Die Partei, die die Anfechtung geltend macht, kann der Mandant, aber auch der Anwalt sein. Dieser Vorfall eines Konflikts zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten, der am 9. Dezember 2021 vom Kassationsgericht entschieden wurde, stellt einen solchen Sachverhalt beispielhaft dar. Es war in diesem Fall der Anwalt, der die Nichtigkeit der Vereinbarung beantragte.
Druckausübung des Mandanten zur Minimierung des Honorars
Im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht wurden die Arbeitnehmer eines Vereins (ARAST) von einem Anwalt vertreten, der für den Verein mehr als 750 Akten verwaltete. Dieser Mandant nahm einen Großteil der Zeit und Ressourcen des Anwalts in Anspruch. Das zwischen dem Anwalt und dem Verein vereinbarte Honorar war eine Pauschale von EUR 300 pro Akte. Da der Verein gegen das Urteil in erster Instanz Berufung einlegen wollte, hat er den Anwalt gebeten, die Honorarsumme pauschal auf EUR 80.000 festzusetzen. Der Verein war der Ansicht, dass die materielle Organisation der Verhandlungen vor dem Berufungsgericht ein so hohes Honorar wie in erster Instanz nicht rechtfertige.
Der Anwalt wollte jedoch im Berufungsverfahren die ursprüngliche Gebühr von 300 Euro pro Fall beibehalten und wies darauf hin, dass der Honorarvorschlag des Vereins, die Honorarsumme um ein Drittel kürzen würde. Seiner Meinung nach gefährdete die aufwendige Verwaltung dieser zahlreichen Fälle seine finanzielle Situation in der Kanzlei.
Daher forderte der Mandant schließlich buchstäblich ein Pauschalhonorar in Höhe von 90 000 Euro mit den Worten „Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns so schnell wie möglich Ihre Absichten in Bezug auf diesen Vorschlag mitteilen, damit wir gegebenenfalls die notwendigen Schritte zur Wahrung der Interessen der [Organisation] einleiten können„.
Der Anwalt empfand diese Forderung als Ultimatum, das er aufgrund der wirtschaftlichen Konsequenzen, die entstünden, wenn er das Mandat ablehnt, nicht ablehnen konnte.
Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde dem Anwalt vom Verein das Mandat gekündigt. Daraufhin fühlte er sich frei, die Honorarvereinbarung für die begleiteten Verfahren anzufechten. Er beantragte beim Bâtonnier (der Vorsitzende der französischen Anwaltskammer, der Streitigkeiten über Anwaltshonorare regelt), die Festsetzung seines Honorars und machte geltend, dass er Anspruch auf ein zusätzliches Honorar für das erstinstanzliche Verfahren, für das Berufungsverfahren und für seine Tätigkeit im Kollektivverfahren des Vereins habe.
Feststellung des Fehlens der Willenserklärung
Das französische Berufungsgericht hat im Laufe des Gerichtsverfahrens bestätigt, dass ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Anwalt und dem Mandanten bestand, welches der Mandant ausgenutzt hat, um einen unverhältnismäßigen Vorteil daraus zu ziehen. Folglich erklärte das Berufungsgericht die abgeschlossene Honorarvereinbarung wegen mangelnder Willensmangel durch Gewalt für nichtig. Darüber hinaus setzte es einen Betrag von 252 350 Euro fest, der dem geschuldeten Honorar entsprach. Die Mandantin ging vor den Kassationshof und argumentierte, „dass sich ein Anwalt angesichts seiner standesrechtlichen Grundsätze nicht in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von seinen Mandanten begeben darf„.
Die Mandantin war nämlich der Ansicht, dass die im französischen Code Civil enthaltenen Bestimmungen über Willensmängel mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit des Anwaltsberufs unvereinbar sind. Der Grundsatz der Unabhängigkeit ist im Artikel 1 des Gesetzes Nr. 71-1130 vom 31. Dezember 1971, in dem es heißt, dass der Beruf des Anwalts „frei und unabhängig„, und im Artikel 3 dieses Gesetzes, in dem es heißt, dass der Anwalt sich verpflichtet, seine Aufgaben „mit Würde, Gewissenhaftigkeit, Unabhängigkeit, Redlichkeit und Menschlichkeit“ auszuüben, verankert.
Der Kassationshof wies die Berufung der Organisation zurück. Er stellte fest, dass die wirtschaftliche Gewalt, die diese Organisation gegenüber dem Anwalt ausübte, einen Kontrahierungszwang darstellte, was eine Grundlage für die Ungültigkeit der Honorarvereinbarung schafft. Auch wenn der Anwalt verpflichtet ist, gegenüber Mandanten seine Unabhängigkeit zu wahren, schließt das nicht die Möglichkeit aus, dass ein Anwalt in eine solche wirtschaftliche Abhängigkeit gerät, erklärt der Gerichtshof.
Artikel 1130 des frz. Zivilgesetzbuches besagt: „Fehler, arglistige Täuschung und Gewalt beeinträchtigen den Willen, wenn sie solcher Art sind, dass eine der Parteien ohne sie keinen Vertrag geschlossen oder zu wesentlich anderen Bedingungen einen Vertrag geschlossen hätte“. Daher droht die Nichtigkeit des Vertrages, wenn ein Vertragspartner gegenüber seinem Vertragspartner „Gewalt als ausübt, um diesen zum Vertragsabschluss zu zwingen – Gewalt, die im Falle eines wirtschaftlichen Zwangs vorliegen kann. Der Kassationshof ist der Ansicht, dass dieser Artikel auch für die Beziehungen zwischen Anwälten und ihren Mandanten gilt.
Nachweis über das Bestehen eines wirtschaftlichen Zwangs
Der Kassationshof erinnert daran, dass es nicht ausreiche, nachzuweisen, dass am Tag des Vertragsabschlusses eine objektive Situation der wirtschaftlichen Beherrschung bestand. Das Bestehen eines echten wirtschaftlichen Zwangs müsse nachgewiesen werden.
Im vorliegenden Fall betraf der Zwang die Vermögensverhältnisse des Anwalts, dessen Kanzleibetrieb durch die Verwaltung der vielen Fälle dieser Organisation beeinträchtigt wurde. Tatsächlich war der Anwalt nicht mehr in der Lage, die Miete für seine Geschäftsräume zu bezahlen. Darüber hinaus bestätigte seine Sekretärin, dass sie es aufgrund der finanziellen betrieblichen Schwierigkeiten vorgezogen hatte, die Kanzlei zu verlassen. Die Zwangslage war somit ausreichend nachgewiesen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Honorarvereinbarungen von Anwälten in der Regel klare Verhältnisse für die Zusammenarbeit mit ihren Mandanten schaffen, wenn eine solche Vereinbarung geschlossen wurde. Aber dem Mandanten, der seine Machtposition ausnutzt, um eine unausgewogene Vereinbarung zu treffen, kann durchaus eine zusätzliche Vergütung von seinem Anwalt abverlangt werden.
Honorarvereinbarung des Anwalts und psychischer Schwächezustand des Mandanten
In einigen Fällen war es der Mandant, dem ein Abhängigkeitsverhältnis zugeschrieben wurde, und die unter diesen Umständen unterzeichnete Honorarvereinbarung wurde aufgrund eines Willensmangels für nichtig erklärt. Dies entschied der Kassationshof in einem Urteil vom 5. Oktober 2006.
Das Urteil stellt in diesem Fall dar, wie eine Vereinbarung wegen mangelnder Willenserklärung, die auf den psychischen Zustand des Mandanten zurückzuführen ist, für nichtig erklärt werden kann.
Eine Frau hatte einen französischen Anwalt mit der Verteidigung ihrer Interessen beauftragt, um gegen ihre Kündigung vorzugehen. Der Anwalt ließ sie 1999 eine Vereinbarung unterzeichnen, die ein Erfolgshonorar in Höhe von insgesamt 98.191,32 Francs vorsah (diese Summe wären heute laut INSEE umgerechnet 22.371,86 €). Einige Tage später wurde mit dem Arbeitgeber ein Vergleich über die Abfindung unterzeichnet. Die dadurch fälligen Honorarkosten hatten zur Folge, dass die erhaltene Abfindung geschmälert wurde.
Nun wurde zugegeben, dass sich die Frau in einem Zustand psychischer Schwäche befand und dass der Anwalt diese psychische Schwäche implizit anerkannt hatte, da er die Ängste seiner Mandantin beschrieben hatte. Die Mandantin war außerdem weniger belastbar, da sie überschuldet war und auf eine schnelle Auszahlung der Kündigungsabfindung angewiesen war.
In diesem Urteil leitete der Kassationshof aus all diesen Elementen ab, dass die Zustimmung der Mandantin folglich mangelhaft war, auch Vorliegen von Gewalt, Täuschung oder Irrtum festzustellen, die üblicherweise als Grundlage für Willensmangel angesehen werden.
Die Nichtigkeit missbräuchlicher Klauseln
Die Vorschriften über missbräuchliche Klauseln gelten auch für Honorarvereinbarungen mit einem Rechtsanwalt, wenn es sich um Privatpersonen oder genauer gesagt um Privatverbraucher handelt. In einem Urteil vom 15. Januar 2015 entschied der europäische Gerichtshof, dass die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen auf standardisierte Verträge über Rechtsdienstleistungen anwendbar ist, darunter auch auf Verträge mit Rechtsanwälten.
Dem Gerichtshof zufolge pflegen Rechtsanwälte zu ihren Mandanten, aufgrund der asymetrischen Information zwischen den Vertragsparteien, eine Geschäftsbeziehung. Rechtsanwälte weisen nämlich ein hohes Maß an Fachkenntnissen vor, das die Verbraucher nicht unbedingt haben, so dass es für Letztere schwierig sein kann, die Qualität und das Ausmaß der für sie erbrachten Dienstleistungen einzuschätzen.
Rechtsanwälte würden daher den Rechtsvorschriften über missbräuchliche Klauseln gemäß Artikel L. 212-1 des frz. Code de la consommation (Verbraucherschutzgesetz) unterliegen: „in Verträgen zwischen Dienstleister und Verbraucher sind diejenigen Klauseln missbräuchlich, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien entsteht“.
Nichtigkeit wegen Missachtung der standesrechtlichen Anwaltsregeln
Eine Honorarvereinbarung, die gegen die Standesregeln der Rechtsanwälte
verstößt, kann vor den Gerichten für nichtig erklärt werden. Die folgenden praktische
Beispiele verdeutlichen diese Umstände.
Verbot von Erfolgshonoraren für Rechtsanwälte
Mit einem Erfolgshonorar kann der Anwalt einen Prozentsatz oder einen Pauschalbetrag erhalten, der im Voraus mit dem Mandanten festgelegt wird und vom Erfolg des Falls abhängt. In Frankreich darf das Erfolgshonorar nicht die einzige Quelle für die Vergütung des Rechtsanwalts sein, die aus der Beziehung mit seinem Mandanten rührt. Es ist möglich, eine Vergütung zu vereinbaren, die erfolgsanhängig ist, aber es muss zwangsläufig eine zusätzliche Vergütung vorgesehen werden.
Ausschließliches Erfolgshonorar
In diesem Zusammenhang erklärte das Berufungsgericht Aix-en-Provence in einem Urteil vom 11. März 2014 eine Vereinbarung über ein reines Erfolgshonorar, das die Prozesskostenhilfevergütung ersetzen sollte, für nichtig, da sie kein Honorar für die eigentliche Leistung des Anwalts vorsah und nicht vom Rat der Anwaltskammer genehmigt worden war.
Im vorliegenden Fall sah die Honorarvereinbarung ein prozentuales Erfolgshonorar vor. Es wurde darauf hingewiesen:
- dass aufgrund der Tatsache, dass die Mandantin Prozesskostenhilfe erhält, also nicht über ausreichende Mittel verfügt, keine Honorare für die Leistung verlangt werden.
- und dass die Vereinbarung über ein Erfolgshonorar vorbehaltlich der Genehmigung durch die Anwaltskammer geschlossen würde.
Geringfügiges Erfolgshonorar
Ein Erfolgshonorar kann zulässig sein, wenn eine zusätzliche Vergütung vorgesehen ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Honorare für die tatsächliche Leistung unverhältnismäßig gering im Vergleich zum Erfolgshonorar des Mandanten des Rechtsanwalts sind. In diesem Sinne wies der Kassationshof in einem Urteil vom 10. November 2021 die Berufung eines Anwalts zurück, der die Nichtigkeit einer Honorarvereinbarung zwischen ihm und seiner Mandantin anfocht. In diesem Beispiel machte das Erfolgshonorar 90 % des Gesamthonorars aus.
Dasselbe gilt für symbolische Honorare. Das Berufungsgericht Paris entschied in einem Urteil vom 11. März 2022 in diesem Sinne, dass das auf einen Euro festgelegte Honorar für den Leistungsaufwand im Vergleich zum Erfolgshonorar offensichtlich lächerlich gering ist. Folglich wurde die Honorarvereinbarung für nichtig erklärt.
Verbot die Honorare zu teilen
Wenn eine Vereinbarung vorsieht, dass der Anwalt das Honorar mit einer anderen Person teilen soll, die selbst kein Anwalt ist, liegt auch hier ein Grund vor, die Honorarvereinbarung für nichtig zu erklären.
Die Standesregeln des Rechtsanwalts verbieten es ihm somit, ein Honorar in jeglicher Form mit natürlichen oder juristischen Personen zu teilen.
Fazit: Die Anfechtung bzw. die Feststellung der Nichtigkeit einer Honorarvereinbarung mit einem französischen Rechtsanwalt ist unter ganz bestimmten Bedingungen möglich, sowohl für den Mandanten als auch für den Anwalt. Am besten sollte der Mandant einen Anwalt wählen, der einen guten Ruf genießt.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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