Nichtigkeit des Verkaufs von Geschäftsanteilen aufgrund eines zu niedrigen Preises

04.07.16
Niedriger Preis für Geschäftsanteile
Niedriger Preis für Geschäftsanteile
Niedriger Preis für Geschäftsanteile

Relative oder absolute Nichtigkeit für die Abtretung von französischen Geschäftsanteilen bei billigem Preis?

Der Gesellschafter, der vor Gericht die Feststellung der Nichtigkeit der Abtretung bzw. den Kauf von Geschäftsanteilen oder von anderen Gesellschafterrechten von französischen Gesellschaften aufgrund eines unbestimmten oder zu niedrigen Preises („Spottpreis“) beantragt, muss sich die Frage stellen, ob er die relative oder absolute Nichtigkeit (nullité relative ou nullité absolue) im Sinne des französischen Vertragsrechts geltend macht. Die Handelskammer des französischen Kassationshofes hat diese Frage vor Kurzem in einem Urteil vom 22.03.2016 beantwortet und sich somit endlich der Auffassung der anderen Kammern des französischen Kassationshofes angeschlossen. Wir berichten hiernach über diese für den Unternehmenskauf in Frankreich wichtige Entscheidung.

Abtretung von Geschäftsanteilen für einen zu niedrigen Preis und Nichtigkeit

In dieser den Richtern vorgelegten Angelegenheit, hatten die drei an der Gründung der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter jeder 5% des Kapitals an eine Person, mit welcher sie sich zusammenschließen wollten, für einen Preis von EUR 500 übertragen. Dieser Preis war im Vertrag als „pauschal und symbolisch“ bezeichnet. Als Gegenleistung verpflichtete sich der neue Gesellschafter „seine Kenntnis des Marktes sowie seine Dienstleistungen in seiner Eigenschaft als Vertriebsleiter für eine Mindestdauer von fünf Jahren zugunsten der Gesellschaft einzusetzen“.

Wenige Jahre später hatten die an der Gründung beteiligten Gesellschafter eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Abtretung der Geschäftsanteile eingeleitet, weil sie für einen Spottpreis zugesprochen worden seien. Der Käufer war der Ansicht, dass die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit aufgrund ihrer Verjährung nicht mehr möglich war. Der Käufer behauptete, dass die geltend gemachte Nichtigkeit eine relative Nichtigkeit mit einer Verjährungsfrist von fünf Jahren war. Die Klage wurde jedoch mehr als fünf Jahre nach der Abtretung eingereicht.

Die relative Nichtigkeit als Rechtsgrundlage für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Gesellschafters

Klage auf Nichitgkeit des Anteilsverkaufs
Wie die Tatsachenrichter es zuvor getan hatten, stimmte die Handelskammer des Kassationshofes dem Käufer zu und urteilte, dass die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit verjährt sei. Die Handelskammer vertritt die Meinung, dass die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des , welche für einen unbestimmten oder zu niedrigen Preis abgeschlossen wurde, lediglich der Wahrung der Privatinteressen des Verkäufers dient.

Dieses Verfahren gehört zu den relativen Nichtigkeiten mit einer Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß Artikel 1304 des französischen bürgerlichen Gesetzesbuches und nicht zu den absoluten Nichtigkeiten, die die Interessen der Allgemeinheit schützen sollen. Zur Zeit der Ereignisse betrug jedoch die Verjährungsfrist bei einer absoluten Nichtigkeit dreißig Jahre.

Änderung der Rechtsprechung auf der Grundlage der Nichtigkeit der Abtretung von Geschäftsanteilen

Die Handelskammer des französischen Kassationshofes gibt in ihrem Urteil ihre vorherige Rechtsprechung wieder. Sie erinnert daran, dass ein Kauf zu einem Spottpreis für lange Zeit einer absoluten Nichtigkeit entsprach. Die Handelskammer des französischen Kassationshofes hatte bisher die Meinung vertreten, dass „der Kauf zu einem nicht ernsthaften Preis eine Nichtigkeit aufweist, die, weil Sie auf die Abwesenheit eines wesentlichen Bestandteiles des Vertrages beruht, eine absolute Nichtigkeit mit einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren ist.“

Diese Rechtsprechung wurde jedoch von den Zivilkammern des französischen Kassationshofes bereits 2004 aufgegeben. Dieser hatte geurteilt, dass ein zu einem zu niedrigen Preis bzw. Spottpreis abgeschlossener Kaufvertrag wegen fehlendem Vertragszweck nichtig ist, wobei die Nichtigkeit, welche auf dem privaten Interesse des Verkäufers beruht, eine relative Nichtigkeit darstellt, die einer Verjährungsfrist von fünf Jahren unterliegt.

Die Handelskammer des französischen Kassationshofes nimmt nun an, „dass das Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit der Abtretung von Geschäftsanteilen zu einem unbestimmten oder zu niedrigen Preis zur Wahrung der Privatinteressen der Abtretenden dient und somit eine relative Nichtigkeit darstellt.“

Anwendbarkeit der Entscheidung auf alle Kaufgeschäfte und Sinn der Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Nichtigkeit

Man kann behaupten, dass die Stellungnahme des französischen Kassationshofes in seinem Urteil vom 22.03.2016 für alle dem französischen Recht unterliegenden Kaufverträge und nicht nur für die Abtretung von Geschäftsanteilen gilt.

Es muss klargestellt werden, dass die Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Nichtigkeit im Hinblick auf die Verjährungsfrist keine Rolle mehr spielt. Seit der Reform der Verjährung durch das Gesetz vom 17.06.2008 ist die Verjährung nämlich bei einem Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit einheitlich auf fünf Jahre festgelegt worden, unabhängig von der Tatsache ob es sich dabei um eine relative oder absolute Nichtigkeit handelt.

Die Unterscheidung zwischen diesen zwei Nichtigkeitsformen bleibt hingegen interessant im Hinblick auf die Bestimmung der Klagebefugnis der Kläger.

Das Verfahren auf Feststellung einer relativen Nichtigkeit, welche lediglich der Wahrung der Interessen einer der zwei Parteien dient, kann in der Tat nur von Letzterer eingeleitet werden. Umgekehrt kann das Verfahren auf Feststellung einer absoluten Nichtigkeit von Jedermann eingeleitet werden, da dies dem Schutz der Interessen der Allgemeinheit dient.

Schließlich, kann ein Rechtsgeschäft, das einer absoluten Nichtigkeit unterliegt, im Gegensatz zu dem mit einer relativen Nichtigkeit versehenem Rechtsgeschäft, nicht Gegenstand einer „Bestätigung“ sein. Die Bestätigung ist, laut zum 01.10.2016 in Kraft tretende Verordnung zur Reformierung des Vertragsrechts (neuer Artikel 1182 des französischen bürgerlichen Gesetzbuches), das Rechtsgeschäft durch das eine Person, die eine Nichtigkeit geltend machen könnte, auf dieses Recht verzichtet.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bilder: vege, corgarashu

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

* Pflichtangabe

Sie haben eine rechtliche Frage und brauchen einen Rechtsanwalt ?