Beweis einer Geschmacksmusterverletzung bei einem Designerprodukt

05.10.21
Verletzung vom Geschmacksmuster auf einem Designerobjekt
Beweis einer Geschmacksmusterverletzung bei einem Designerprodukt
Verletzung vom Geschmacksmuster auf einem Designerobjekt

Der notwendige Schutz eines Geschmacksmusters

Das Bild, der Stil oder aber der Ruf eines Produktes bilden manchmal den größten Reichtum eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Konkurrenten. Dies sieht man vor allem dann, wenn das betreffende Produkt in der Innenarchitektur bekannt ist und sich in einer hohen Preisspanne befindet, die es insbesondere durch sein Prestige oder seine „Einzigartigkeit“ rechtfertigen muss. In diesem Zusammenhang stellt der Schutz ihrer Produkte vor (mehr oder weniger ähnlichen) Kopien oder regelrechten Fälschungen ihrer ästhetischen Innovationen durch weniger angesehene Konkurrenten Unternehmen vor eine große Herausforderung. Sie können ihr Geschmacksmuster auf nationaler oder gemeinschaftlicher Ebene eintragen lassen. Das Geschmacksmuster ist sowohl ein Urheberrecht als auch ein Recht am geistigen Eigentum.

Dennoch bleibt das Erbringen eines Beweises für eine Geschmacksmusterverletzung eine schwierige Aufgabe, wie es das Urteil der Kammer für Handelssachen des französischen Kassationshofs vom 23.06.2021 (Nr. 19-18.111) zeigt.

Originalität eines geschmacksmustergeschützten Glasdesigns

Die Gesellschaft Lalique, die sich selbst als „das ultimative Symbol des französischen Luxus“ definiert, hat eine Serie von Stielgläsern namens „100 Points“ kreiert und vermarktet diese. Erkennbar sind die „100 Points“ durch einen Stiel, auf den die Gesellschaft das Urheberrecht beansprucht und der gekennzeichnet ist durch:

  • einen oberen polierten transparenten Teil;
  • einen unteren polierten transparenten Teil, der doppelt so lang ist und einen größeren Durchmesser hat als der obere Teil des Stieles;
  • einen zentralen satinierten Teil mit einer Ausbuchtung im oberen Teil, wobei die oberen und die unteren Teile des Stieles zwei transparente Lichtpunkte bilden, die mit dem zentralen satinierten Teil kontrastieren.

Die Gesellschaft Lalique ist ebenfalls Inhaberin eines Weinglasgeschmacksmusters, das einen Stiel hat, der dem oben beschriebenen identisch ist. Dieses Geschmacksmuster hat sie sowohl als Gemeinschaftsgeschmacksmuster am 26.09.2012 als auch als internationales Geschmacksmuster am 25.03.2013 hinterlegt.

Die Gesellschaft Habitat hat ihrerseits eine Serie von Stielgläsern namens „Glitz“ kreiert und vermarktet diese seit Oktober 2015. Da Lalique der Ansicht war, dass diese Glasserie ihre Urheberrechte und Rechte am geistigen Eigentum verletzte, hat sie die Gesellschaft Habitat auf Zahlung von Schadensersatz wegen Geschmacksmusterverletzung und unlauteren und parasitären Wettbewerbs verklagt.

In seinem Urteil vom 01.03.2019 hat das Pariser Berufungsgericht zugunsten der Gesellschaft Lalique entschieden und eine Verletzung festgestellt, die sich auf zwei Elemente stützt:

  • Einerseits würde der Vergleich zeigen, dass es sich um zwei Weingläser mit einer gebräuchlichen Form des Kelches handelt.
  • Andererseits entstünde ein visueller Gesamteindruck zwischen den jeweiligen Stielen der einzelnen Gläser.

Verletzung im Falle eines visuellen Gesamteindrucks: was ist zu betrachten?

Die Gesellschaft Habitat legte gegen diese Entscheidung Berufung ein. In dieser erinnert sie daran, dass „der Richter, um eine Geschmacksmusterverletzung zu kennzeichnen, untersuchen muss, ob das verdächtigte Geschmacksmuster beim Betrachter oder Benutzer einen anderen visuellen Gesamteindruck als das beanspruchte Geschmacksmuster hervorruft“, sodass „es unerheblich ist, dass die fraglichen Geschmacksmuster beide teilweise eine übliche Form haben, solange sie einen unterschiedlichen visuellen Gesamteindruck hervorrufen“. Die Gesellschaft Habitat ist der Ansicht, dass sich das Berufungsgericht allein auf den visuellen Eindruck gestützt habe, den die Stiele der fraglichen Glasgeschmacksmuster vermittelten, während es sich auf den visuellen Gesamteindruck hätte konzentrieren müssen, den die fraglichen Geschmacksmuster in ihrer Gesamtheit vermittelten – das heißt den Stiel, aber auch den Kelch und den Fuß. Damit hätten die Berufungsrichter ihrer Entscheidung die Rechtsgrundlage im Hinblick auf das frz. Gesetzbuch über geistiges Eigentum und die europäische Verordnung vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster entzogen.

Der frz. Kassationshof entschied in seinem Urteil vom 23.06.2021 zugunsten der Gesellschaft Habitat.  Er beginnt mit der Erinnerung an die auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Texte, und zwar die Artikel L 513-5 des frz. Gesetzbuches über geistiges Eigentum sowie Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des 12.12.2001 über Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Für die Richter greift der Schutz, wenn der visuelle Gesamteindruck des geschützten Gegenstands und der beschuldigten Fälschung derselbe ist. Ist der visuelle Gesamteindruck der Produkte unterschiedlich, greift dieser Schutz nicht.

Davon ausgehend betrachten die Kassationsrichter die vom Berufungsgericht vorgenommene Analyse. Sie weisen darauf hin, dass sich diese lediglich auf die Untersuchung des Stieles des Glases beschränkt und nicht die Weingläser als Ganzes betrachtet haben – abgesehen von der Feststellung, dass die Form des Kelches üblich sei. Das Hauptelement, das das Berufungsgericht bei seiner Schlussfolgerung, dass eine Geschmacksmusterverletzung vorliege, berücksichtigte, ist tatsächlich das Vorhandensein desselben visuellen Eindrucks, der durch die Stiele der beiden fraglichen Gläser hervorgerufen wurde. Das Berufungsgericht hat daher seine Analyse gespalten, indem es nur einen Teil des Glases, nämlich den Stiel, berücksichtigt hat, obwohl es das gesamte Glas als Grundlage für seine Entscheidung hätte untersuchen müssen. Folglich haben die Berufungsrichter ihrer Entscheidung die Rechtsgrundlage entzogen, indem sie die genauen Kriterien für die Feststellung, ob eine Fälschung vorliegt oder nicht, nicht beachtet haben. Das Urteil wurde folglich aufgehoben, sehr zum (verständlichen) Missfallen der Gesellschaft Lalique, die den Ruf und das Prestige ihres Glases „100 Points“ schützen wollte.

Zum jetzigen Zeitpunkt deutet nichts darauf hin, dass das erneut angerufene Berufungsgericht nicht ebenso wie das erste angerufene Berufungsgericht zu dem Schluss kommen wird, dass eine Geschmacksmusterverletzung vorliegt. Was hier vom Kassationshof sanktioniert wird, ist nicht die Entscheidung der Berufungsrichter über das Vorliegen einer Verletzung, sondern der Weg, auf dem sie zu einer solchen Entscheidung gelangt sind. Wären die Berufungsrichter zu dem Schluss gekommen, dass eine Geschmacksmusterverletzung vorliegt, indem sie dies auf dem visuellen Gesamteindruck (d. h. nicht nur auf den Stiel) begründet hätten, den die einzelnen Gläser hervorrufen, hätte der Kassationshof wahrscheinlich nichts zu beanstanden gehabt. Der Grund für die Kassation ist die Tatsache, dass nur der Stiel des Glases untersucht wurde.

Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung des Kassationshofs logisch: Im Zeitalter des Massenkonsums sind starke Ähnlichkeiten zwischen Produkten keine Seltenheit. Es gibt unzählige Quasi-Kopien oder Produkte, die stark von anderen inspiriert sind. In diesem Zusammenhang kann die Feststellung einer Geschmacksmusterverletzung nur nach einer strengen Analyse der in den Texten festgelegten Kriterien getroffen werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass zahlreiche Verurteilungen wegen Fälschungen erfolgen, wenn ein identischer visueller Eindruck zwischen dem kleinsten Stück oder Teil eines Produkts entsteht. Die Forderung, dass ein informierter Betrachter denselben visuellen Gesamteindruck haben muss, ermöglicht es im Gegenteil, die Fälle von Fälschungen von vornherein auf Kopien oder Produkte zu beschränken, die einem anderen in jeder Hinsicht zu ähnlich sind.

Eine solche Argumentation bleibt jedoch eher theoretisch. Die Schlussfolgerung, dass „ein Geschmacksmuster beim informierten Betrachter keinen anderen visuellen Gesamteindruck hervorruft“ als ein anderes, hängt weitgehend von der Beurteilung der Richter ab. Für den einen Richter wird ein Produkt als Fälschung eingestuft, für einen anderen nicht. Die Kontrolle des Kassationshofs ist im Übrigen restriktiv, da sich die obersten Richter als Rechts- und nicht als Tatsachenrichter damit begnügen, zu überprüfen, ob die Richter in der Hauptsache die richtigen Kriterien angewandt haben, ohne sich mit den faktischen Elementen zu befassen, die zu der Entscheidung geführt haben.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bild: Brozova

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