Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
12.11.19

Wie in vielen nationalen Rechtsordnungen bildet das Bürgerliche Gesetzbuch (in Abkürzung „BGB“) eine wichtige Grundlage des deutschen Rechts, da ein Großteil der Regeln des Zivilrechts darin enthalten ist. Wer Jura kennen will, muss das BGB gut kennen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch als Fundament des deutschen Zivilrechts
Seit mehr als hundert Jahren regeln die 2385 Paragrafen den Status und die Beziehungen unter Privatpersonen (natürliche Personen, Vereine, Stiftungen, juristische Personen). Somit ist sein Inhalt abzugrenzen vom öffentlichen Recht (Verwaltungsrecht), welches die rechtlichen Beziehungen zwischen Bürgern und Amtsträgern beschreibt. Das Privatrecht beschränkt sich nicht auf das BGB, denn viele andere Gesetze regeln auch besondere Situationen, wie z.B.
- Gesetze über das Arbeitsrecht (Kündigungsschutzgesetz u.v.m.), die neben dem BGB die Verhältnisse zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regeln;
- Das Verlagsgesetz über die Herausgabe von Werken in der Literatur und Musik.
Andere Gesetzbücher bestimmen Rechtsbeziehungen unter bestimmten Privatpersonen näher, wie z.B. das Handelsgesetzbuch, das Beziehungen unter Kaufleuten und die Rechte und Pflichten der Kaufleute regelt.
Das EGBGB ist das Einführungsgesetz zum BGB. Es enthält Übergangsvorschriften über die zeitliche Anwendung von Normen des BGB, Regeln des internationalen Privatrechts sowie Vorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben wie beispielsweise Muster für Verbraucherinformationsblätter.
Wie entstand das BGB in Deutschland?
Gleich nach der Gründung des deutschen Reiches 1871 wollte der Gesetzgeber die damals herrschende Rechtszersplitterung auflösen und einen allgemeingültigen Gesetzestext in die Rechtsordnung einbringen. Die Konkurrenz der aufstrebenden Marktwirtschaft des Nachbarn Frankreich mit seinem Code Civil (oder „Code Napoléon“ genannt) und die Tatsache, dass man sich zu dieser Zeit mehrerer Kodifikationen und Partikularrechte bediente, waren ausschlaggebend für dieses Bestreben.
Der Code Civil hatte den Inhalt des BGB stark beeinflusst. Die „Mütter und Väter des BGB“ orientierten sich an den großen Maximen der Franzosen: „Gleichheit vor dem Gesetz“, „Schutz des Privateigentums“ und „freie Berufswahl.“ Diese Grundsätze stammen aus der Französischen Revolution. Herrschten zuvor noch überwiegend stark verwurzelte Lokalrechte und Standesprivilegien, verdeutlichten die neuen Leitlinien „Liberté, Egalité und Fraternité“ (Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit) den Sieg des Bürgertums über die alten Stände der Gesellschaft. Nach seiner Machtergreifung sorgte Napoleon schließlich dafür, dass diese Maßstäbe in einem einheitlichen Werk kodifiziert wurden, womit 1804 der Code Napoleon, der heutige Code Civil, in Kraft trat.
Seine Grundgedanken dienten vielen anderen Nationen, unter ihnen auch dem deutschen Gesetzgeber als Orientierungspunkte bei den Entwürfen zum BGB.
Es wurden zwei Kommissionen, einschließlich einer Vorkommission, gebildet. Diese arbeiteten über 20 Jahre lang das Bürgerliche Gesetzbuch aus. Erst 1896 beschloss der Reichstag sodann die erste Kodifikation des Privatrechts, welche für das gesamte Staatsgebiet gelten sollte. Basierend auf den Grundgedanken der Vertragsfreiheit, der Eigentumsfreiheit und der Vererbungsfreiheit entstand die Gesetzessammlung und trat zum 01.01.1900 unter Wilhelm II (1888 bis 1918) im Deutschen Reich in Kraft.
Die juristische Sprache im BGB: eine präzise, aber komplizierte Sprache
Im Gegensatz zum Code Civil, welcher sich an eine gut verständliche Sprache in kurzen und prägnanten Sätzen hält und eine breite Auslegung der Gesetze ermöglicht, ist der Wortlaut des BGB abstrakt und teilweise schwer verständlich. Er ist zwar präziser, aber subtiler.
Die schwierige juristische Sprache veranschaulicht z. B. § 1164 BGB:
„(1) 1Befriedigt der persönliche Schuldner den Gläubiger, so geht die Hypothek insoweit auf ihn über, als er von dem Eigentümer oder einem Rechtsvorgänger des Eigentümers Ersatz verlangen kann. 2Ist dem Schuldner nur teilweise Ersatz zu leisten, so kann der Eigentümer die Hypothek, soweit sie auf ihn übergegangen ist, nicht zum Nachteil der Hypothek des Schuldners geltend machen.
(2) Der Befriedigung des Gläubigers steht es gleich, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen.“
Die Genauigkeit wird gut ersichtlich, wenn man sich beispielsweise die Regelungen bezüglich des Schadensersatzes anschaut.
So verpflichtet gemäß Artikel 1240 des Code Civils jede Handlung eines Menschen, die einem anderem Schaden zufügt, den Urheber dieser Handlung zur Wiedergutmachung eben dieses Schadens. Im BGB hingegen ist es etwas komplizierter. Um Schadensersatz aus § 823 BGB geltend zu machen, muss zunächst sichergestellt werden, dass auch eines der im Paragrafen aufgeführten Rechtsgüter wie Leben, Körpers, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder ein sonstiges Recht verletzt worden ist.
Weiterhin spiegelt sich die Exaktheit des BGB auch in seinem systematischen Aufbau mit einem Zusammenspiel verschiedener Paragrafen durch vielerlei Verweise wider. Das BGB zeichnet sich außerdem durch Regeln mit vielen Ausnahmen und Gegenausnahmen aus.
Ein Beispiel ist § 478 BGB:
„(1) Ist der letzte Vertrag in der Lieferkette ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474), findet § 477 in den Fällen des § 445a Absatz 1 und 2 mit der Maßgabe Anwendung, dass die Frist mit dem Übergang der Gefahr auf den Verbraucher beginnt.
(2) 1Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Lieferanten getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Unternehmers von Absatz 1 sowie von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443, 445a Absatz 1 und 2 sowie von § 445b abweicht, kann sich der Lieferant nicht berufen, wenn dem Rückgriffsgläubiger kein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird. 2Satz 1 gilt unbeschadet des § 307 nicht für den Ausschluss oder die Beschränkung des Anspruchs auf Schadensersatz. 3Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.“
Die systematische Gliederung des BGB
Im Überblick ist das BGB aufgeteilt in fünf Bücher, welche sich wiederum in Abschnitte gliedern.
Die Fünf Bücher setzen sich zusammen aus:
- 1. dem Allgemeinen Teil;
- 2. dem Recht der Schuldverhältnisse;
- 3. dem Sachenrecht;
- 4. dem Familienrecht;
- 5. und dem Erbrecht.
Im Vergleich mit dem französischen Code Civil werden die Erbschaften im französischen Werk vor dem Vertragsrecht geregelt.
Die Einteilung der Bücher untereinander im BGB unterliegt einer Asymmetrie. So sind der Allgemeine Teil, das Recht der Schuldverhältnisse und das Sachenrecht juristisch eindeutig voneinander zu differenzieren. Das Familien- und Erbrecht hingegen spiegeln soziale Vorgänge wider mit ihren jeweiligen Verbindungen zum Schuld- und zum Sachenrecht.
Diese Struktur leitet sich von der Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhundert ab, welche unter dem Einfluss des Rechtsgelehrten Savigny das sogenannte Pandektensystem hervorbrachte und sich in der Aufteilung des BGBs in seine fünf Bücher abzeichnet. Aus diesem System resultiert auch die Voranstellung des Allgemeinen Teils vor die anderen vier Bücher, anders als im Code Civil, welcher diese Gliederung nicht befolgt und sich systematisch an der römische-rechtlichen Dreiteilung orientiert (Personenrecht, Eigentumsrecht, Familienrecht). Erst in neuester Zeit wurde der Code Civil durch zwei weitere Bücher ergänzt (Personal- und Realsicherheiten, Anwendung des Gesetzes auf Überseeterritorium Mayotte).
Das Grundprinzip im BGB der Privatautonomie
Alles folgt dabei den Prinzipien der Privatautonomie. Jede am Privatrechtsverkehr teilnehmende Person soll rechtlich gleichgestellt sein, daraus resultierend über die Vertragsfreiheit (§§ 305, 311 I BGB), die Testierfreiheit (§§ 1937 bis 1941 BGB), die Abschlussfreiheit, sowie die Gestaltungsfreiheit verfügen. Jeder darf sich somit weitestgehend aussuchen, mit wem er einen Vertrag schließt, wie und ob er ihn schließt, und mit welchem Inhalt der Vertrag zustande kommen soll. Der Wille der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien steht dabei an oberster Stelle.
Der Inhalt der fünf Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Überblick
Das erste Buch (Allgemeiner Teil; §§ 1-240 BGB) ist das abstrakteste der Bücher. Es beinhaltet allgemeine Regelungen, welche für die nachfolgenden Titel wichtig sind, und definiert grundlegende Begriffe.
Dabei geht es zum Beispiel um natürliche Personen (Unternehmer, Verbraucher), um juristische Personen (Vereine, Stiftungen), ab wann eine Person geschäftsfähig ist und wie ein Vertrag zustande kommt.
Ganz wichtig ist auch die Definition der Verträge im Allgemeinen, sowie die Regeln über die Verjährung von Rechtsansprüchen im Allgemeinen. Diese allgemeinen Verjährungsregeln des BGB gelten, es sei denn andere spezielle Bestimmungen greifen vor.
Da man in der Auseinandersetzung mit den anderen Büchern stets auf den ersten Teil zurückgreifen muss, wird diese Systematik häufig auch als „Klammertechnik“ bezeichnet und beschreibt damit das System aus der Mathematik, wo sich der Multiplikator vor der Klammer auf jedes einzelne Element in der Klammer bezieht.
Im zweiten Buch (Schuldrecht; §§ 241-853 BGB) geht es um das Schuldverhältnis, also die Verpflichtungen, die Privatpersonen eingehen, entweder einseitig oder gegenseitig (und in der Regel schließen sie dabei einen Vertrag).
Alle Juristen unterscheiden innerhalb dieses zweiten Buchs, das „BGB-AT“ und das „BGB-BT“. Dies bedeutet Folgendes:
- „AT“ steht für den Allgemeinen Teil des Schuldrechts im zweiten Buch (§§ 241-432 BGB). Er beschreibt die Normen, die für alle Schuldverhältnisse gelten, welchen Inhalt sie haben, und wie sie wieder erlöschen. Behandelt werden somit die Verpflichtung zur Leistung (§ 241 BGB), das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB), welches die Parteien dazu auffordert anständig und nach der allgemeinen Verkehrssitte zu agieren, und wie Parteien, die sich außerhalb des entstandenen Schuldverhältnisses befinden, mit diesem in Kontakt kommen.
- „BT“ steht für den Besonderen Teil des Schuldrechts, d.h. den Abschnitt 8 des zweiten Buchs (§ 433-853 BGB). Dieser Besondere Teil geht näher auf die konkreten Arten von Schuldverhältnissen ein und führt die Vorschriften auf, welche sich ausschließlich auf den jeweiligen Typ des Schuldverhältnisses beziehen und auch nur für diesen gelten. In der Aufteilung in einen allgemeinen und einen besonderen Teil des Schuldrechts zeigt sich ebenso die erwähnte „Klammertechnik“. Unter den beschriebenen Schuldverhältnissen findet man Verträge, wie den Kaufvertrag, den Mietvertrag, den Dienstvertrag, dessen Regelungen als Grundlage auch für das Arbeitsverhältnis gelten.
Mit der großen Schuldrechtsreform vom Jahr 2002 hat das BGB eine große Änderung des zweiten Buchs erlebt.
Das dritte Buch (Sachenrecht; §§ 854-1296 BGB) befasst sich mit den Beziehungen von Personen zu Sachen, oder um es genauer auszudrücken, von Rechtssubjekten zu Rechtsobjekten. Darunter fasst man etwa die Herrschaft über Sachen (Besitz) und das Eigentum zusammen.
Eingegangen wird auf die Rechte des Eigentümers und des Besitzers und wie diese sich zum Beispiel bei einer Übereignung verändern. Außerdem wird der Begriff der „Sache“ ergänzend zur Begriffsbestimmung in § 90 BGB (1. Buch) weiter unterteilt in „bewegliche“ und „unbewegliche“ Sachen.
Der wichtigste Grundsatz des Sachenrechts ist das sogenannte „Trennungs“- oder auch „Abstraktionsprinzip“. Dieses Prinzip kennt der Code Civil nicht.
Es besagt, dass beispielsweise der Abschluss eines Kaufvertrages (Verpflichtungsgeschäft im Schuldrecht) nicht automatisch die Übertragung des Eigentums an der gekauften Sache (Verfügungsgeschäft im Sachenrecht) impliziert.
Die Eigentumsübertragung stellt vielmehr einen eigenen Rechtsakt dar, in welchem die beteiligten Parteien unabhängig vom anderen Geschäft übereinkommen müssen. Es wird also zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft unterschieden. Diese strikte Trennung aus dem deutschen Zivilrecht spiegelt sich in der Trennung zwischen dem 2. und dem 3. Buch des BGB wider, die diese zwei unterschiedlichen Aspekte eines Kaufs behandeln.
Im vierten Buch (Familienrecht; §§ 1297-1921 BGB) setzt sich der Gesetzgeber mit den familienrechtlichen Beziehungen auseinander, wie Ehe oder Verwandtschaft. Somit wird die „Familie“ rechtlich definiert.
Dagegen ist die Lebenspartnerschaft nicht im BGB, sondern im Nebengesetz, dem „Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) geregelt.
Außerdem befasst sich das Familienrecht mit den Themen der Vormundschaft, der Betreuung und der Pflegschaft, sowie mit dem Rechtsgebiet der Adoption. Welche Rechte und Pflichten haben Eltern gegenüber ihren Kindern und andersherum (Kindschaftsrecht), wie sieht es mit der wechselseitigen Unterhaltspflicht von Verwandten aus?
Es geht um die Rechtswirkungen der Eheschließung, das damit verbundene Güterrecht, die Scheidung der Ehe und deren rechtliche Folgen einschließlich der Unterhaltszahlung und des Versorgungsausgleiches. Dabei werden die Grundregeln genannt. Konkrete Hinweise über die Höhe des Unterhalts werden allerdings nicht gegeben.
Das fünfte und letzte Buch (Erbrecht; §§ 1922-2385 BGB) widmet sich den vermögensrechtlichen Konsequenzen des Todes. Wie setzt man ein Testament auf, wie kann man es anfechten, wie ist die Erbfolge und welche Erbverträge gibt?
§ 1922 BGB als erste Norm des Buches regelt den Grundsatz der Universalsukzession, was bedeutet, dass im Moment des Todes eines Menschen (Erblasser) sein gesamtes Vermögen auf den im Testament festgehaltenen (oder den gesetzlichen) Erben übertragen wird.
Wenn ein Mensch stirbt, muss die Verfügung über sein Eigentum geregelt werden. Die eingetragenen Erben können daraufhin ihr Erbe antreten oder es ausschlagen.
Dabei steht bei einer Enterbung jedem Abkömmling des Erblassers, den Eltern (bei Ausschlagung des Pflichtteils der Abkömmlinge), sowie den Ehegatten, bzw. Lebenspartnern des Erblassers ein Pflichtteil zu (§ 2303 BGB).
Aufgrund der Tatsache, dass jeder Mensch sterben wird, hat das Erbrecht eine hohe gesellschaftliche Relevanz. Der Erbe muss die Kosten der Bestattung begleichen und ein Erbschein autorisiert sein Handeln als Erbe im Rechtsverkehr.
Weitere erbrechtliche Normen finden sich darüber hinaus in den anderen Büchern des BGB oder außerhalb dieser.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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