Kündigung wegen Handlungen außerhalb der Arbeitszeit
16.09.20

In einer Rechtssache zwischen der Gesellschaft Air France und einem ihrer Arbeitnehmer hat der französische Kassationshof am 08.07.2020 (Urteil Nr. 18-18.317) daran erinnert, dass ein Verschulden, das außerhalb der Arbeitszeit begangen wird, eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, unter der Voraussetzung, dass das Verschulden mit dem Berufsleben des Arbeitnehmers in Verbindung gebracht werden kann. Dieses Urteil ist kein Einzelfall. In der Tat hat das französische oberste Gericht in vielen seiner Urteile die Entscheidungen von Unternehmen bestätigt, einem Arbeitnehmer wegen eines Verschuldens, das er in seinem Privatleben begangen hatte, zu kündigen.
Was ist ein grobes Verschulden?
Das grobe Verschulden wird von der ständigen Rechtsprechung als ein Verschulden definiert, welches dem Arbeitnehmer zugerechnet werden kann und welches den Erhalt des Arbeitnehmers im Unternehmen aufgrund eines Verstoßes gegen seine beruflichen Pflichten unmöglich macht. Es liegt insbesondere ein grobes Verschulden vor im Fall eines unangemessenen Verhaltens des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsort, zum Beispiel bei Mobbing oder auch Diebstahl. Es kann auf den ersten Blick schwer vorstellbar sein, was sich außerhalb des Arbeitsortes abspielen und einen solchen Schweregrad aufweisen könnte.
Grundsatz der Trennung zwischen Handlungen im Privatleben und Arbeit
Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer tun und lassen, was er will, wenn er sich außerhalb des beruflichen Rahmens befindet, und auch sein privater Schriftverkehr per Instant Messenger auf der Arbeit ist geschützt. Somit ist es normalerweise nicht möglich, einen Sachverhalt aus dem Privatleben des Arbeitnehmers mit seinem Berufsleben in Verbindung zu bringen. Es kann also noch weniger hingenommen werden, dass eine im Privatleben begangene Handlung ein Verschulden im Berufsleben darstellen kann. Es ist grundsätzlich nicht möglich, eine Disziplinarstrafe zu erhalten, wenn das Verschulden außerhalb der Arbeitszeit begangen wird, selbst wenn dieses Verschulden äußerst verwerflich ist.
Freizeit auf Geschäftsreise weist eine Verknüpfung mit dem Berufsleben aus
Bei dieser Unterscheidung zwischen Privat- und Berufsleben des Arbeitnehmers gibt es jedoch Ausnahmen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein vom Arbeitnehmer im Rahmen seines Privatlebens begangene Handlung Auswirkungen auf das Unternehmen, in dem er arbeitet, und somit auf sein Berufsleben hat. In der Tat ist es in bestimmten Fällen möglich, die dem Arbeitnehmer zur Last gelegten Handlungen mit seinem Berufsleben zu verknüpfen, wenn diese Handlungen zur Folge haben, dass der Ruf der Gesellschaft geschädigt wird, oder wenn sie eine Verletzung der beruflichen Pflichten des Arbeitnehmers darstellen.
In einem Urteil des französischen Kassationshofs vom 08.07.2020 wurde die Kündigung als gerechtfertigt betrachtete, da die vom Arbeitnehmer begangene Handlung zwar außerhalb seiner Arbeitszeiten verübt wurde, aber dennoch seinem Berufsleben zugeschrieben werden konnte. Im vorliegenden Fall befand sich der Arbeitnehmer auf einer Reiseetappe in einem Hotel, welches ein Handelspartner der Gesellschaft ist und wo Zimmer für die Gesellschaft reserviert worden waren, als er in diesem Hotel die Brieftasche eines der Hotelgäste stahl. Als der Arbeitnehmer also die ihm zur Last gelegte Handlung beging, handelte er im Rahmen seines Privatlebens. Da im Hotel jedoch bekannt war, dass er Arbeitnehmer der Gesellschaft war, entstand eine Verbindung zwischen seiner Handlung und seinem Berufsleben. Durch seine Handlung hat der Arbeitnehmer den Ruf der Gesellschaft geschädigt, wodurch seine Kündigung wegen groben Verschuldens begründet werden kann.
Gutes Benehmen ist Pflicht zur Vertretung des Unternehmens
Des Weiteren wird diese Verknüpfung noch offensichtlicher da der Arbeitnehmer durch seinen Arbeitsvertrag an eine Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber gebunden war, genauer gesagt an eine Verpflichtung zur Disziplin und zum guten Benehmen. Bei einer Geschäftsreise ist der Arbeitnehmer dazu angehalten, ein gutes Benehmen an den Tag zu legen, um den Ruf des Unternehmens zu wahren. Die beruflichen Pflichten des Arbeitnehmers finden somit auch Anwendung über die Grenzen des Berufslebens hinaus. Diese Pflichten haben eine weitaus größere Tragweite und verpflichten den Arbeitnehmer auch außerhalb seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsortes.
Dieses neue Urteil des französischen Kassationshofs zeigt, dass die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben des Arbeitnehmers nur ein schmaler Grat ist, denn wenn eine Handlung dem Ruf des Unternehmens schaden kann, setzt sich der Arbeitnehmer Disziplinarstrafen aus, die bis zur Kündigung wegen groben Verschuldens reichen können. Dieser vom Kassationshof seit Jahren vertretene Standpunkt erklärt sich insbesondere durch die Loyalitätspflicht, denen der Arbeitnehmer unter allen Umständen und überall unterliegt.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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