Muss die Ladung des Arbeitnehmers zum Vorgespräch die Begründung der Kündigung beinhalten ?
05.09.16

Ein Arbeitnehmer bemängelt den fehlenden Kündigungsgrund im Ladungsschreiben
Der französische Kassationshof hat kürzlich in einem Urteil vom 06.04.2016 daran erinnert, dass die dem französischen Arbeitnehmer vorgeworfenen Beschwerdepunkte nicht im Ladungsschreiben zum Vorgespräch einer Kündigung erläutert werden müssen. Im vorliegenden Fall hatte ein als Führungskraft in der Gastronomie tätiger fristlos gekündigter Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht eine Klage eingereicht, durch die er die Nichtigkeit seiner Kündigung nach französischem Arbeitsrecht beantragte. Er war insbesondere der Ansicht, dass das Fehlen der Erläuterung der ihm vorgeworfenen Beschwerdepunkte im Ladungsschreiben eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte darstellte.
Zu diesem Zweck hat er den Artikel 7 des IAO-Abkommens Nr. 158 (internationale Arbeitsorganisation) geltend gemacht, laut dem „einem Arbeitnehmer aufgrund seines Verhaltens oder seiner Arbeit nicht gekündigt werden kann, bevor ihm die Möglichkeit eröffnet wurde, sich gegen die ihm gegenüber ausgesprochenen Vorwürfe vor Kündigung zu verteidigen, es sei denn, es kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, ihm diese Möglichkeit zu bieten.“
Rechtsfolgen des Fehlens des Kündigungsgrundes gegen den französischen Arbeitnehmer in der Ladung durch ein Arbeitsgericht
Der Arbeitnehmer hatte auf diese Weise versucht, sich von der kurz vorher vom Arbeitsgericht von Evreux in einem Urteil vom 26.05.2015 aufgenommenen Argumentierung zu bedienen.
Tatsächlich hatte das Arbeitsgericht von Evreux in einem anderen Rechtsstreit einen Arbeitgeber dazu verurteilt, einem Arbeitnehmer aufgrund der fehlenden Erläuterung der vorgeworfenen Beschwerdepunkte im Ladungsschreiben den Betrag von 46.000,00 Euro zu zahlen, da er dadurch die Verteidigungsrechte nicht beachtet hatte. Dieses Urteil folgte einer ähnlichen Entscheidung des Berufungsgerichtshofs von Paris vom 07.05.2014 und hatte zu heftigen Protesten in Personalleitungen und bei den Rechtsexperten geführt.
Laut Kassationshof muss der Kündigungsgrund nicht zwingend im Ladungsschreiben angegeben werden
Das Berufungsgericht von Versailles sowie der Kassationshof sind dieser Argumentationslinie jedoch nicht gefolgt. Der Kassationshof gibt somit an, dass „die Angabe des Gegenstandes des Gespräches im vom dem Arbeitnehmer kündigenden Arbeitgeber an den Arbeitnehmer gerichteten Ladungsschreiben und das Abhalten eines Vorgespräches, bei dem der Arbeitnehmer, dem die Möglichkeit offen steht, begleitet zu werden, sich gegen die vom Arbeitgeber ausgesprochenen Beschwerdepunkte wehren kann, zur Beachtung des Loyalitätsprinzip und der Verteidigungsrechte des Arbeitnehmers genügen.“ In anderen Worten ist die Darlegung der dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Beschwerdepunkte im Ladungsschreiben nicht erforderlich.
Dieses Urteil sollte somit den durch die vorgenannten Entscheidungen vom Berufungsgericht von Paris und vom Arbeitsgericht von Evreux ausgelösten Besorgnissen ein Ende setzen. Die zukünftige Rechtsprechung wird zeigen, ob die für das Hauptverfahren zuständigen Richter diese Entscheidung einhalten werden.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bilder: Jamrooferpix, Sergey Nivens