Sofortige Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags: Ist faires Verhandeln gewährleistet?
11.05.22

Bei der Planung, seinen deutschen Arbeitnehmer einen von ihm vorbereiteten Aufhebungsvertrag unterzeichnen zu lassen, kann der Arbeitgeber sich die Frage stellen, ob er diesem Zeit lassen muss oder ihn bei einem kurzen Gespräch unterzeichnen lassen darf.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 24. Februar 2022 (6 AZR 333/21) entschieden, dass die Unterbreitung eines Aufhebungsvertrags durch den Arbeitgeber zur sofortigen Annahme durch den Arbeitnehmer wirksam ist – und der Aufhebungsvertrag daher ebenfalls wirksam ist – und kein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns darstellt.
Konfrontation des Arbeitnehmers mit Vorwürfen
In einem Unternehmen hegte der Arbeitgeber den Verdacht, seine Teamkoordinatorin für den Verkauf habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln.
Zusammen mit seinem Anwalt, konfrontierte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin mit diesem Vorwurf am 22. November 2019 und legte ihr zugleich einen Aufhebungsvertragsentwurf vor. Dieser sah eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor. Nach Vorlage des Aufhebungsvertragsentwurfs saßen die Parteien etwa zehn Minuten schweigend am Tisch. Anschließend unterzeichnete die Arbeitnehmerin den Aufhebungsvertrag.
Die genauen Einzelheiten des Gesprächsverlaufs sind zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmerin streitig.
Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen widerrechtlicher Drohung
Eine Woche nach Unterzeichnung focht die Arbeitnehmerin den Aufhebungsvertrag vor dem Arbeitsgericht Paderborn wegen widerrechtlicher Drohung an. Das Arbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin in seinem Urteil vom 03. August 2020 (2 Ca 1619/19) recht. Daraufhin legte der Arbeitgeber erfolgreich vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) Berufung ein (Urteil vom 17. Mai 2021; Az.: 18 Sa 1124/20). Die Arbeitnehmerin wiederum legte gegen dieses Urteil Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) sein. Diese hatte jedoch keinen Erfolg.
Die Rechtsfragen, die die Richter beantworten mussten, waren die folgenden. War der Aufhebungsvertrag wirksam abgeschlossen worden? Oder hätte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin Bedenkzeit einräumen müssen?
Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass der Aufhebungsvertrag unwirksam sei. Sie machte geltend, dass der Arbeitnehmer mit einer außerordentlichen Kündigung sowie einer Strafanzeige gedroht hätte, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnen würde. Als sie um mehr Bedenkzeit sowie Rechtsrat gebeten hatte, sei dies vom Arbeitgeber nicht gewährt worden. Die Arbeitnehmerin berief sich daher auf einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns.
Der Arbeitgeber erwiderte, dass die Arbeitnehmerin am Vormittag des 22. November 2019 telefonisch selbst um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gebeten hatte. Die Vorlage des Aufhebungsvertrags am Nachmittag kam daher nicht überraschend.
Die Androhung einer Strafanzeige wäre nicht widerrechtlich
Das BAG hat die Gesamtumstände des Falles abgewogen und entschieden, dass der Aufhebungsvertrag wirksam zustande gekommen ist. In seiner Begründung führt das BAG aus, dass, selbst wenn der Arbeitgeber hier mit einer außerordentlichen Kündigung sowie Strafanzeige gedroht hätte, diese nicht widerrechtlich gewesen wäre. Ein verständiger Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen.
Keine Pflicht zur Einräumung von Bedenkzeit vor Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung
Außerdem stellt das BAG klar, dass die Ablehnung der Bedenkzeit für die Arbeitnehmerin und die Aufforderung den Aufhebungsvertrag sofort anzunehmen, keine Pflichtverletzung des Arbeitgebers nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB darstellt. Der Arbeitgeber hat nicht « unfair verhandelt », da die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin nicht dadurch verletzt wurde, dass sie über die Annahme des Aufhebungsvertrags « sofort » entscheiden musste.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bild: Mongkolchon