Die neue europäische Verordnung zu den grenzüberschreitenden Erbschaften

23.05.16
Grenzüberschreitende Erbschaft in Europa
Grenzüberschreitende Erbschaft in Europa
Grenzüberschreitende Erbschaft in Europa

Eine neue europäische Verordnung vom 04.07.2012 über die internationalen (unter anderem die deutsch-französischen) Erbschaften

Seit dem 17.08.2015 ist eine neue europäische Verordnung zur Bestimmung der geltenden nationalen Gesetzgebung und der Gerichtszuständigkeit der Mitgliedstaaten im Falle von Streitigkeiten im Rahmen von internationalen Erbschaftsangelegenheiten in Kraft getreten. Eine Erbschaft wird als grenzüberschreitend betrachtet, wenn mehrere Länder davon betroffen sind, wie zum Beispiel wenn das Land, in dem sich das Vermögen befindet, sich von der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen unterscheidet. Es handelt sich hierbei um die europäische Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 04.07.2012 bezüglich „der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts, der Anerkennung und Vollstreckung der Entscheide und der Anerkennung und Vollstreckung von Urkunden bei Erbschaftsangelegenheiten und bezüglich der Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses“.

Diese neue europäische Regelung gilt für die nach dem 17.08.2015 anfallenden Erbschaften und bringt eine willkommene juristische Vereinfachung mit sich. Für die vor diesem Datum angefallenen Erbschaften gab es zwischen den unterschiedlichen Mitgliedsstaaten bisher keine einheitlichen Regelungen. Eine deutsch-französische Erbschaft konnte daher beispielsweise in gewissen Fällen gleichzeitig dem französischen und dem deutschen Recht unterliegen.

Diese Verordnung betrifft sowohl die innereuropäischen als auch die internationalen Erbfälle, d.h. Erbfälle innerhalb von Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören, soweit es in diesen Fällen eine Verbindung mit der Europäischen Union gibt. Der Erbfall wird als international betrachtet wenn:

  • Eine Person in einem Land verstirbt, in dem sie nicht wohnhaft ist oder dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzt oder
  • Eine verstorbene Person unbewegliche oder bewegliche Güter in einem Land hinterlässt, dessen Staatsbürgerschaft sie nicht besitzt oder in dem sie nicht wohnhaft ist.

Die europäische Verordnung betrifft nur die zivilrechtlichen Aspekte des Erbfalls

Die Verordnung gilt für die zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Sie betrifft nicht den steuerrechtlichen, zollamtlichen und behördlichen Aspekt. Im steuerrechtlichen Bereich sollte sich auf die spezifischen anwendbaren Bestimmungen, insbesondere auf die Bestimmungen aus den Doppelbesteuerungsabkommen bezogen werden. Als Beispiel hierfür kann für den deutschen und den französischen Staat das Doppelbesteuerungsabkommen über die Erbschaftssteuer und Schenkungen vom 12.10.2016 herangezogen werden.

Bestimmung des auf den Erbfall anwendbaren Rechtes durch die Verordnung

Im Rahmen eines internationalen Erbfalles stellt sich die Frage des anwendbaren Nationalrechtes. Tatsächlich ermöglicht das Landesrecht die Bestimmung der Erben und deren Ansprüche.

Grundsätzlich ist das Recht des Landes, in dem der Verstorbene am Zeitpunkt des Todes seinen üblichen Wohnsitz hatte. Es handelt sich hier um eine wahre Umwandlung für den französischen Staat (im Gegensatz zum deutschen Staat), der bisher folgendes vorsah:

  • für die beweglichen Vermögensgegenstände: Anwendung des Rechtes des Landes, in dem der Verstorbene seinen üblichen Wohnsitz hatte,
  • für die unbeweglichen Güter: Anwendung des Landesrechtes in dem sich die unbeweglichen Güter befinden.

Letzter Wohnsitz in Europa vor dem ErbfallNunmehr gilt das deutsche Recht für die Fälle, in denen beispielsweise eine Person mit französischer Staatsbürgerschaft in Deutschland, wo sich auch ihr Wohnsitz befindet, verstirbt und Vermögen hinterlässt, das sich in beiden Ländern befindet. In diesem Fall spielt dann das Landesrecht, in dem die potentiellen Erben wohnhaft sind, keine Rolle. Die potentiellen Erben sowie deren Erbansprüche (unter Anderem) werden vom deutschen Recht bestimmt.

Die Verordnung sieht allerdings eine Ausnahme zu diesem Grundsatz für den Fall vor, in dem am Todeszeitpunkt der Verstorbene offensichtlich engere Beziehungen mit einem anderen Staat pflegte, als der, in dem er am Todeszeitpunkt wohnhaft war. Eine solche Voraussetzung könnte dann erfüllt sein, wenn das gesamte Vermögen des Verstorbenen sich am Todeszeitpunkt in einem anderen Land als dessen übliches Wohnsitzland befindet.

Es ist unter gewissen Voraussetzungen auch möglich, im Rahmen eines Testaments zu entscheiden, welches Recht für die eigene Rechtsnachfolge gilt. So wird die Entscheidung des Verstorbenen nicht infrage gestellt, wenn dieser ausdrücklich ein Landesrecht ausgewählt hat, selbst wenn er seinen Wohnsitz in ein anderes Land verlegt.

Die Wahl muss ein Landesrecht betreffen, dessen Staatsbürgerschaft die Person am Zeitpunkt der Entscheidung oder des Todes besitzt. Wenn eine Person mehrere Staatsangehörigkeiten hat, kann sie somit das eine oder andere Landesrecht, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzt, auswählen.

Bestimmung des zuständigen Gerichtes bei Streitigkeiten in internationalen Erbschaften

Entsprechend Artikel 4 der europäischen Verordnung vom 17.08.2015 „sind die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem der Verstorbene üblicherweise am Todeszeitpunkt wohnhaft war, für den gesamten Erbfall zuständig.“

Falls der Verstorbene die Anwendung des Landesrechtes eines Mitgliedstaates der Europäischen Union für seine Erbschaft gewählt hat, sind die Gerichte dieses Staates für diesen Erbfall zuständig, unter Vorbehalt der Erfüllung der von der Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen.

Die Einführung des europäischen Nachlassscheines durch die europäische Verordnung

Die Verordnung führt einen europäischen Nachlassschein ein. Dieser Schein bezweckt die Möglichkeit für die Erben und Vermächtnisnehmer, ihren jeweiligen Status nachzuweisen und den Anteil, auf den sie Anspruch haben, sowie die Gewährung dieses oder jenes Vermögensgutes der Erbschaft. Dieser Schein ist somit in allen Mitgliedsstaaten, ohne dass jegliches spezifisches Verfahren erforderlich wäre, anerkannt.

Dabei ist zu vermerken, dass diese Verordnung innerhalb der gesamten EU, bis auf Großbritannien, Irland und Dänemark, gilt.

Darüber hinaus können Informationen bezüglich der geltenden Bestimmungen für Erbfälle in den verschiedenen Staaten der EU eingeholt werden.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

Alle Urheberrechte vorbehalten

Bilder:Björn Wylezich, Gabriele Rohde

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