Der einstimmige Beschluss der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Frankreich
29.06.22

Ist die Einstimmigkeit bei der Vorlage eines wichtigen Beschlusses zur Abstimmung durch die Gesellschafter einer bürgerlichen Gesellschaft rechtmäßig?
Die dritte Kammer für Zivilsachen des Kassationshofs, dem frz. BGH, hat diesbezüglich am 05.01.2022 einen Beschluss erlassen (Kassationshof, 3. Kammer für Zivilsachen, 05.01.2022, 20-17.428, Veröffentlicht im Amtsblatt).
Der Sachverhalt war der folgende: Eine frz. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (bzw. BGB -Gesellschaft) hat eine Hauptversammlung einberufen, die am 24.07.2015 stattfand. Das Stammkapital der Gesellschaft wurde von vier Gesellschaftern gehalten. Am Tag der Generalversammlung waren jedoch nur drei von ihnen anwesend. Während der Versammlung haben die anwesenden Gesellschafter einstimmig mehrere Beschlüsse über die Jahresabschlüsse von 2011 bis 2014 gefasst.
Daraufhin hat die Gesellschafterin, die aufgrund ihrer Abwesenheit nicht mit abstimmen konnte, entschieden, rechtliche Schritte zu ergreifen. Sie hat vor Gericht die Nichtigkeit der Hauptversammlung vom 24.07.2015 beantragt.
Bei anderweitiger Regelung in der Satzung gilt Einstimmigkeit für die Beschlussfassung
Der Rechtsstreit durchlief die erste und zweite Instanz und landete schließlich vor dem Kassationshof.
Letzterer erinnert an eine grundsätzliche Regelung, die Artikel 1852 des frz. Zivilgesetzbuches enthält: „Beschlüsse, die die den Geschäftsführern zustehende Befugnisse übersteigen, werden gemäß der Satzung oder, in Ermangelung einer solchen Bestimmung, einstimmig von den Gesellschaftern gefasst.“
Genauer gesagt: Der Geschäftsführer einer bürgerlichen Gesellschaft ist zuständig für alle Geschäftsführungshandlungen, die im Interesse der Gesellschaft vorgenommen werden – die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen, die Aufnahme eines Darlehens, die Führung der Buchhaltung usw. Jede andere Entscheidung, die nicht unter die geläufige Verwaltung der Gesellschaft fällt, muss Gegenstand einer Abstimmung durch die Gesellschafter sein.
Dieser in Artikel 1852 des frz. Zivilgesetzbuches genannte Grundsatz bedeutet folglich, dass, wenn die Satzung keine Bestimmung zur Planung der Abstimmung bestimmter Beschlüsse vorsieht, die Regelung der Einstimmigkeit aller Gesellschafter angewendet werden soll. Die Satzung der betreffenden Gesellschaft sah hier bereits die Einstimmigkeitsregel vor, indem sie den Grundsatz von Artikel 1852 des frz. Zivilgesetzbuches aufnahm.
Die Einstimmigkeitsregel findet Anwendung auf die Beschlussfähigkeit
Folglich müssen die in diesem Artikel genannten Maßnahmen mit der Zustimmung der Gesellschafter, die 100 % des Stammkapitals halten, beschlossen werden, und nicht in Einstimmigkeit der bei der Hauptversammlung anwesenden Gesellschafter wie im vorliegenden Fall.
Darüber hinaus erinnert der Beschluss des Kassationshofs an die Unabdingbarkeit dieser Regelung, die keine Vertragsklausel umgehen kann.
Wird eine Maßnahme, die über die Befugnisse des Geschäftsführers der Gesellschaft hinausgeht, in Abwesenheit eines der Gesellschafter bei der Hauptversammlung gefasst, dann ist dieser Beschluss demnach nichtig. Das Berufungsgericht hat folglich aus gutem Grund die Nichtigkeit der Hauptversammlung vom 24.07.2015 ausgesprochen.
Die Quintessenz dieses Beschlusses ist folgende:
- Im Voraus zu jeder Hauptversammlung müssen die Abstimmungsmodalitäten der Gesellschafter (idealerweise in der Satzung) vorgesehen werden.
- Diese Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit der Einstimmigkeitsregel, die die Gesellschafter vor der Erhöhung ihrer Verpflichtungen ohne ihr Einverständnis schützt.
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Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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