Trotz Verdacht auf Betrug gilt die sog. TUP, die Übertragung des Gesamthandsvermögens einer Gesellschaft

05.10.22
Der Betrug bei der frz. TUP und deren Folgen
Trotz Verdacht auf Betrug gilt die sog. TUP, die Übertragung des Gesamthandsvermögens einer Gesellschaft
Der Betrug bei der frz. TUP und deren Folgen

Der Verdacht auf Betrug einer rechtlichen Konstruktion, die die Auflösung ohne Abwicklung einer verschuldeten Gesellschaft mit Übertragung des Gesamthandsvermögens einer Gesellschaft auf ihre Alleingesellschafterin mit sich bringt, macht die Auflösung ohne Abwicklung gegenüber den Schuldnern der aufgelösten Gesellschaft nicht unwirksam

Die vollständige Übertragung des Gesellschaftsvermögens als Art der Umstrukturierung

Der Mechanismus der Übertragung des Gesamthandvermögens einer Gesellschaft (außerhalb der Verschmelzung), die im französischen Gesellschaftsrecht Transmission Universelle de Patrimoine (in Abk. TUP) genannt wird, ist in Artikel 1844-5 Absatz 3 des frz. Zivilgesetzbuches vorgesehen: die Auflösung einer Gesellschaft, deren Stammkapital von nur einer Gesellschafterin als juristische Person gehalten, wird, bringt die Übertragung des Gesamthandsvermögens (Verbindlichkeiten und Forderungen, Aktiva, Verträge usw.) dieser Gesellschaft auf ihre Gesellschafterin mit sich.

Zwei juristische Mechanismen kennzeichnen diesen Vorgang:

  • die Etappe der Abwicklung (genannt Liquidation) der Gesellschaft ist nicht wie bei einer klassischen Auflösung durchzuführen;
  • alle Verbindlichkeiten und Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft werden automatisch auf die Alleingesellschafterin übertragen.

Um den Schutz der Gläubiger zu sichern, sieht das frz. Zivilgesetzbuch vor Inkrafttreten der juristischen Auswirkungen ein Widerspruchsrecht der Gläubiger der Gesellschaft vor. Die Auflösung ohne Abwicklung muss Gegenstand einer Anzeige sein, die in einem Amtsblatt veröffentlicht wird, das von allen Gläubigern eingesehen werden kann. Ab dem Tag der Veröffentlichung dieser Anzeige verfügen die Gläubiger über eine Frist von 30 Tagen, um der Übertragung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft an die Alleingesellschafterin zu widersprechen. Dieser Widerspruch muss bei dem zuständigen Gericht eingereicht werden.

Zusätzlich zur Veröffentlichung der Anzeige muss die Auflösung ohne Abwicklung im frz. Handelsregister vermerkt werden.

Wenn innerhalb der Widerspruchsfrist von 30 Tagen kein Widerspruch eingelegt wurde, gilt die Übertragung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft als von Rechts wegen durchgeführt. Anschließend kann die aufgelöste Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht werden.

Nur das absichtliche Blockieren des Widerspruchsrechts der Gläubiger macht Übertragung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft unwirksam

Ein Gläubiger, der sich innerhalb der Frist von 30 Tagen nicht manifestiert hat, kann sich nicht auf den Verdacht auf Betrug einer rechtlichen Konstruktion berufen, um die vollständige Übertragung des Gesellschaftsvermögens unwirksam zu machen.

Der frz. BGH, der Kassationshof, hat nämlich kürzlich entschieden, dass, sobald der Verdacht auf Betrug das Recht des Gläubigers auf Widerruf der vollständigen Übertragung des Gesellschaftsvermögens nicht unwirksam macht, diese gegen ihn durchsetzbar ist (Kassationshof, Kammer für Handelssachen, 25.05.2022, Nr. 19-24470).

Im vorliegenden Fall hat eine Alleingesellschafterin die Auflösung ohne Abwicklung ihrer Gesellschaft beschlossen und während der Widerspruchsfrist der Gläubiger den Geschäftsbetrieb der aufgelösten Gesellschaft an eine Gesellschaft in Gründung (von der sie ebenfalls Gesellschafterin ist) abgetreten. Die Sozialversicherungsanstalt URSSAF hat in ihrer Eigenschaft als Gläubigerin die aufgelöste Gesellschaft auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verklagt. Die URSSAF geht in der Tat davon aus, dass die rechtliche Konstruktion, die von der Alleingesellschafterin eingesetzt wurde, betrügerisch und folglich den Gläubigern gegenüber unwirksam sei. Sie schließt daraus, dass die Gesellschaft nicht gültig aufgelöst werden könne.

Der frz. BGH teilt diese Meinung nicht, da die URSSAF dennoch weiterhin über ihr Widerspruchsrecht gegen die Übertragung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft auf ihre Alleingesellschafterin verfügte. Der fehlende Widerspruch ist folglich ihr Verschulden. Somit ist die Auflösung der Gesellschaft ihr gegenüber wirksam und es kann kein Insolvenzverfahren eröffnet werden.

Praxishinweis: Die Gläubiger einer Gesellschaft sollten Meldungen einrichten, die sie z. B. bei einer Übertragung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft über die Veröffentlichungen ihrer Schuldner informieren, um ihre Forderung zu erhalten. Dies kann zwar lästig sein, sich zum Schutz wichtiger Forderungen jedoch als nützlich erweisen.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: Gajus

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