Darf eine Holding mit Leitungstätigkeit ausschließlich Mehrheitsbeteiligungen halten?
17.09.19

Neues Urteil zur Holding mit Leitungstätigkeit und zur Art der vom Fiskus anerkannten Beteiligungen
Vor Kurzem hat sich der französische Kassationshof mit einem Rechtsstreit in Bezug auf die teilweise Befreiung von der Vermögensteuer (impôt sur la fortune, ISF) befasst. Die zentrale Frage nach französischem Steuerrecht in dieser Angelegenheit ist, ob eine Holdinggesellschaft, die im Übrigen Mehrheitsbeteiligungen hält, aufgrund der Tatsache, dass sie in ihrem Portfolio eine Minderheitsbeteiligung hat, in der sie keine tatsächliche Leitungstätigkeit ausübt, ihren Status als Holding mit Leitungstätigkeit verlieren kann. Da es nur wenige Urteile der obersten Gerichtshöfe zur Holding mit Leitungstätigkeit gibt, ist die Entscheidung des französischen Kassationshofs vom 19.06.2019 besonders interessant. Im Jahr 2018 hatten wir bereits darüber geschrieben, dass die Richter zum ersten Mal die Holding mit Leitungstätigkeit definiert hatten. Ein Jahr später gehen die Richter nun einen Schritt weiter in ihrer Definition.
Mehrheitsbeteiligung im Portfolio der Holding
Im vorliegenden Fall hält ein Steuerzahler Aktien der Gesellschaft Gabrincours, welche wiederum 99,5 % der Aktien der Gesellschaft EPI hält. Letztere ist eine Holdinggesellschaft mit Leitungstätigkeit für einen Konzern, welche Mehrheitsbeteiligungen in vier Tochtergesellschaften und eine indirekte Minderheitsbeteiligung in der Unternehmensgruppe für Textilwaren Vivarte hält. Um vom Freibetrag im Rahmen der Vermögensteuer ISF durch die sog. „ISF-Dutreil-Vereinbarung“ Gebrauch zu machen, haben die Gesellschaft Gabrincours und die Gesellschafter der Gesellschaften Gabrincours und EPI eine gemeinsame Vereinbarung zur Erhaltung von 99,9 % der Aktien der Gesellschaft EPI getroffen.
Bis zur Verabschiedung des Finanzgesetzes für 2018 stellte die „ISF-Dutreil-Vereinbarung“ eine Maßnahme dar, die Steuerzahlern, die der Vermögensteuer ISF unterlagen, einen Freibetrag von 75 % des Wertes der zu versteuernden Geschäftsanteile, die Gegenstand einer Erhaltungsvereinbarung waren, ermöglichte. Als Voraussetzung dazu legte der Gesetzgeber fest, dass die Gesellschaft eine industrielle, kaufmännische, handwerkliche, landwirtschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben musste. Durch die von ihr ausgeübte finanzielle Tätigkeit entgeht der Holding grundsätzlich die Möglichkeit der Steuerbefreiung. Die Rechtsauffassung der Verwaltung hingegen ist dahingehend, dass die Bestimmungen des Artikels 885 I bis des frz. Steuergesetzbuches (Code général des impôts, CGI) auf Beteiligungen, die von Holdings mit Leitungstätigkeit gehalten werden, Anwendung findet, unter Vorbehalt, dass diese Holdings die Voraussetzungen für den Steuernachlass erfüllen.
Daher waren die Gesellschafter berechtigt, den Freibetrag geltend zu machen. Der Steuerzahler, der die Anteile der Gesellschaft Gabrincours hielt, hat sich auf die gemeinsame Vereinbarung berufen, um den Freibetrag in Höhe von 75 % des Werts seiner Aktien für seine Vermögensteuer-Erklärung zu erhalten. Die Gewährung des Freibetrages wurde durch den Leiter der öffentlichen Finanzen von Ile-de-France abgelehnt, und zwar mit der Begründung, dass die Gesellschaft EPI Aktionärin und somit reine Anlegerin war, ohne selbst eine etwaige Leitungstätigkeit auszuüben.
Fiskus lehnt die Einstufung als Holding mit Leitungstätigkeit ab
Laut der Steuerbehörde kann eine Holdinggesellschaft keinen Freibetrag gemäß Artikel 885 I bis CGI in Bezug auf die ISF erhalten, da sie eine finanzielle Tätigkeit ausübt und nicht wie im Artikel genannt eine kaufmännische, industrielle, landwirtschaftliche oder handwerkliche Tätigkeit. Des Weiteren ist die Behörde der Auffassung, dass es eine Ausnahme für diesen grundsätzlichen Ausschluss der Holding gibt. Laut Steuerbehörde betrifft diese Ausnahmeregelung Holdinggesellschaften, die eine „tatsächliche Leitungstätigkeit für ihre Unternehmensgruppe“ übernehmen und somit eine kaufmännische oder industrielle Tätigkeit ausüben. Anders ausgedrückt darf nur von einer Leitungstätigkeit ausgegangen werden, wenn die Holdinggesellschaft eine ausschließliche und absolute Kontrolle über alle ihre Tochtergesellschaften ausübt. Indem sie sich auf das Kriterium der tatsächlichen Leitungstätigkeit stützt, argumentiert die Finanzverwaltung, dass die Gesellschaft EPI keine Leitungstätigkeit bei Vivarte ausübt, bei der sie nur eine Minderheitsbeteiligung hält. Die Holdinggesellschaft übt also laut der Steuerbehörde keine Leitungstätigkeit aus und erhält somit keinen Freibetrag.
Kassationshof wählt eine weitgefasste Definition der Beteiligung zugunsten des Steuerzahlers
Dieses Urteil erfolgte im Anschluss an die Entscheidung des Berufungsgerichts Paris vom 27.03.2017. Der Kassationshof verfolgt den gleichen Ansatz wie das Berufungsgericht, kommt aber zu dem Schluss, dass allein die Tatsache, dass die Holdinggesellschaft neben ihren Mehrheitsbeteiligungen auch eine Minderheitsbeteiligung in einer Tochtergesellschaft hält, nicht ausreicht, damit sie ihren Status als Holding mit Leitungstätigkeit verliert.
Um zu dieser Lösung zu gelangen, greift das Gericht zunächst das lehrmäßige Konzept der Holding mit Leitungstätigkeit auf. In der juristischen Literatur sind Holdinggesellschaften mit Leitungstätigkeit Gesellschaften, die „neben der Verwaltung eines Beteiligungsportfolios aktiv an der Führung der Politik ihrer Gruppe und an der Kontrolle ihrer Tochtergesellschaften beteiligt sind und, gegebenenfalls und lediglich intern, bestimmte Dienstleistungen im Bereich Verwaltung, Recht, Buchhaltung, Finanzen oder Immobilien erbringen„. Der Kassationshof legt diese Definition weiter aus als die Steuerbehörde und stellt fest, dass nicht ausdrücklich gefordert wird, dass die Eigenschaft der Leitungstätigkeit der Holding abhängig ist von der tatsächlichen Leitungstätigkeit in allen Gesellschaften, in denen Beteiligungen gehalten werden.
Nach Meinung der Autoren kann der Freibetrag Gesellschaften zugutekommen, die nicht ausschließlich, sondern lediglich überwiegend, eine kaufmännische oder industrielle Tätigkeit ausüben. Das Gericht schlussfolgert also analog und weist darauf hin, dass die Haupttätigkeit der Gesellschaft EPI in der tatsächlichen Leitung ihrer vier Tochtergesellschaften besteht, in denen sie eine Mehrheitsbeteiligung hält. Folglich ist die EPI auch weiterhin eine Holding mit Leitungstätigkeit, trotz ihrer Minderheitsbeteiligung in Vivarte. Die von einem Steuerzahler in einer solchen Gesellschaft gehaltenen Aktien können somit ein berufliches Gut darstellen, das von der Vermögensteuer befreit ist. Laut Gericht hat der Steuerzahler also das Recht, einen Freibetrag von 75 % auf den Wert seiner Aktien zu erhalten.
Anhand der jüngsten Entscheidungen der Richter ist somit zu erkennen, dass die restriktive Handhabung des französischen Fiskus in Frage gestellt werden. Selbst wenn die Vermögensteuer ISF mittlerweile kein Thema mehr für den Fiskus ist, bleibt die Frage der Holding mit Leitungstätigkeit selbstverständlich aktuell im französischen Steuerrecht, insbesondere in Hinsicht auf die Immobilien-Vermögensteuer (impôt sur la fortune immobilière, IFI) sowie auch in Hinsicht auf die Mehrwertsteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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