Neue Meldepflicht für Unternehmen bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen
04.02.20

Im europäischen Recht nimmt die EU-Richtlinie 2018/822 des Rates der Europäischen Union vom 25.05.2018, genannt DAC 6, welche insbesondere in Deutschland umgesetzt wurde, unmittelbar den Steuerzahler und seinen Berater „als Quelle“ in die Pflicht. Die Richtlinie fordert sie nämlich dazu auf, Steuergestaltungen bekanntzugeben. Dadurch können die Steuerbehörden der unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union schnell reagieren, insbesondere indem sie das Gesetz ändern, um die Steuergestaltungen vor Betriebsprüfung zu erfassen, die für das Finanzamt am gefährlichsten sind. Dies ist das eindeutig angekündigte Ziel dieser Reform, welche wahrscheinlich starke Auswirkungen auf die Steuerpraktiken haben wird.
Die EU-Richtlinie vom 25.05.2018 hat die EU-Richtlinie 2011/16 vom 15.02.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung abgeändert, indem sie eine Pflicht zur Meldung grenzüberschreitender Steuergestaltungen für Fachleute im Steuerbereich eingeführt hat.
Das deutsche Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Meldung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 setzt die Richtlinie DAC 6 in Deutschland um. Am 01.01.2020 ist das Gesetz in Deutschland in Kraft getreten.
Die europäische Richtlinie vom 25.05.2018 sollte bis spätestens zum 31.12.2019 in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt worden sein. Im französischen Steuerrecht wurde diese EU-Richtlinie mit der Verordnung Nr. 2019-1068 vom 21.10.2019, welche am 01.07.2020 in Kraft treten wird, umgesetzt.
Die Gründe für die Einführung einer Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen
Gemäß der europäischen Richtlinie ist der Hauptgrund für die Einführung einer Meldepflicht, dass grenzüberschreitende Steuergestaltungen immer perfekter ausgearbeitet werden, insbesondere durch hochspezialisierte Steuerexperten. Unternehmen, die auf solche Steuergestaltungen zurückgreifen, machen sich in der Tat die Mobilität des Kapitals, der Personen und der immateriellen Güter (z.B. Programme, Software, Internetvideos) zu Nutze, aber auch die Unterschiede zwischen den Steuersystemen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die steuerpflichtigen Gewinne werden manchmal in Mitgliedstaaten mit vorteilhaften Steuersystemen übertragen, wodurch die Steuerlast dieser Unternehmen deutlich reduziert wird. Ziel dieses Gesetzes ist es also, grenzüberschreitende Praktiken, welche zur Steuerflucht und Gewinnverlagerung zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beitragen, noch schneller als zuvor, also frühzeitig, zu identifizieren und diesen entgegenzuwirken.
Meldepflicht gegenüber dem Fiskus für Unternehmensberatungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Gestaltungen
Das deutsche Gesetz vom 21.12.2019 hat eine Pflicht für sogenannte Intermediäre eingeführt, grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle den deutschen Finanzbehörden mitzuteilen. Es sollte zunächst bestimmt werden, worin die Meldepflicht für die sogenannten Intermediäre besteht, und anschließend sollte definiert werden, was unter dem Begriff „grenzüberschreitende Steuergestaltungen“ zu verstehen ist.
Meldepflicht für sogenannte Intermediäre
Das deutsche Gesetz vom 21.12.2019 hat eine Pflicht für sogenannte Intermediäre eingeführt, grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle, die sie, zumeist für Unternehmen, konzipiert, vermarktet oder organisiert haben, dem Bundeszentralamt für Steuern mitzuteilen. Intermediäre sind vor allem Kreditinstitute, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte. Es ist noch nicht genau festgelegt, in welcher elektronischen Form die Erklärungen übermittelt werden müssen.
Wenn das Berufsgeheimnis einen Intermediär daran hindert, die Steuergestaltungen, von denen er Kenntnis hat, den Steuerbehörden, mitzuteilen, müssen stattdessen die betreffenden deutschen Steuerzahler diese Informationen an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln. Folglich sind diese Intermediäre dadurch verpflichtet, ihre Mandanten umfassend über ihre Meldepflicht gegenüber dem Fiskus zu informieren.
Definition der grenzüberschreitenden Steuergestaltungen
Bei den grenzüberschreitenden Steuergestaltungen, die gemäß dem deutschen Gesetz vom 21.12.2019 Gegenstand einer Meldung sein müssen, handelt es sich um Verfahren, die in einem steuerlichen Rahmen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestreffen und dem Steuerzahler, der von diesen Verfahren profitiert, einen bedeutenden Steuervorteil zuteilwerden lässt. Die Steuergestaltung muss über einen grenzüberschreitenden Charakter verfügen, also zwingend zwei verschiedene Staaten betreffen.
Wenn eine grenzüberschreitende Steuergestaltung nur einen einzigen Mitgliedstaat der Europäischen Union und ein oder mehrere Drittländer betrifft, unterliegt sie ebenfalls der Meldepflicht, falls bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Meldepflicht findet ebenfalls Anwendung auf Unternehmensgruppen, bei denen der Sitz der Muttergesellschaft außerhalb der Europäischen Union liegt, wenn die Muttergesellschaft eine Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat.
Wenn eine Partei dieser Steuergestaltung eine Tätigkeit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausübt, ist die Meldepflicht auf sie anwendbar. In einer solchen Situation ist es also nicht notwendig, dass eine Partei in der Europäischen Union steueransässig ist oder dort eine Betriebsstätte eingerichtet hat, sofern sie ihre Tätigkeit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausübt.
Die von den grenzüberschreitenden Steuergestaltungen betroffenen Steuern sind hauptsächlich die Gewinnsteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer). Im Gegensatz dazu werden Mehrwertsteuer, Zölle und bestimmte Verbrauchsteuern, die innerhalb der Europäischen Union angeglichen wurden, vom deutschen Recht nicht als grenzüberschreitende Steuergestaltungen betrachtet.
Des Weiteren müssen die grenzüberschreitenden Steuergestaltungen mindestens ein Merkmal, ein sogenanntes „Kennzeichen“, aufweisen, welches auf ein mögliches Risiko für Steuerflucht hinweist.
Der deutsche Gesetzgeber hat in §138 des Steuergesetzbuches alle Kennzeichen der EU-Richtline übernommen. Als Beispiele für Kennzeichen können die Umwandlung von steuerpflichtigen Einkommen in steuerbefreite Einkommen, die Nutzung von standardisierten Strukturen (z.B. die Einführung einer Finanzierungsgesellschaft) oder standardisierte Dokumente (z.B. bestimmte Standardverträge in einer Unternehmensgruppe) genannt werden.
Des Weiteren muss dieses Kennzeichen auch das Kriterium des sogenannten „Main benefit“-Tests erfüllen. Dieser Test gilt als erfüllt, wenn festgestellt werden kann, dass ein Steuervorteil, der auch im Ausland vorliegen kann, erlangt wird. Bei bestimmten Merkmalen ist es jedoch nicht notwendig, den Test anzuwenden, sondern sie führen automatisch zu einer Meldepflicht. Darunter fallen beispielsweise Zahlungen in Steuerparadiese.
Einzuhaltende Fristen für die Meldung grenzüberschreitender Steuergestaltungen bei den Steuerbehörden
Die Meldung von Steuergestaltungsmodellen muss innerhalb von 30 Tagen erfolgen. Es sind unterschiedliche Ausgangspunkte für diese Frist vorgesehen, wobei der frühestmögliche Zeitpunkt maßgeblich ist. Dieser Ausgangspunkt für die Frist ist entweder der Folgetag:
- der Beratung des Mandanten durch den Intermediär zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung,
- des Zeitpunkts, an dem die grenzüberschreitende Steuergestaltung bereit zur Umsetzung ist,
- des Zeitpunkts, an dem der erste Schritt der Umsetzung dieser Steuergestaltung durchgeführt wurde.
Es ist sehr wichtig anzumerken, dass das deutsche Gesetz rückwirkend gilt, also auf Situationen anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten entstanden sind. In der Tat müssen grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die zwischen dem 25.06.2018 und dem 30.06.2020 umgesetzt wurden, den deutschen Steuerbehörden zwischen dem 01.07.2020 und dem 31.08.2020 gemeldet werden.
Für grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die ab dem 01.07.2020 umgesetzt oder vorbereitet werden, müssen die Intermediäre und in bestimmten Fällen die Steuerzahler diese Steuergestaltungsmodelle innerhalb von 30 Tagen melden, wie es das Gesetz vom 21.12.2019 vorsieht.
Strafe für die Nichtbeachtung der Meldepflicht
Die EU-Richtlinie vom 25.05.2018 gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, angemessene Strafen für den Verstoß gegen die nationalen Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie vorzusehen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich entschieden, einen Verstoß gegen die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen mit einer Geldbuße von 25.000 Euro zu bestrafen. Dabei wird nicht zwischen einer fehlerhaften, einer unvollständigen oder einer fehlenden Meldung unterschieden.
Wie sollten sich Unternehmen in Deutschland verhalten?
Da das deutsche Gesetz vom 21.12.2019, ebenso wie die EU-Richtlinie vom 25.05.2018, in einer Vielzahl von Situationen Anwendung findet (siehe dazu insbesondere die vorgenannten Kennzeichen) und die Definition der zahlreichen Kennzeichen ungenau ist, sollten Unternehmen besonders wachsam sein. Dies gilt insbesondere für französische Unternehmensgruppen mit Tochtergesellschaften in Deutschland, auch wenn die deutschen Geldbußen im Vergleich zu denen in anderen Mitgliedstaaten, wie Polen, nicht sehr hoch sind.
Um mögliche Strafen zu vermeiden, sollten Unternehmensgruppen mit deutschen Standorten eine Analyse durchführen, um zu prüfen, welche unternehmerischen Vorgehensweisen die Merkmale der Kennzeichen und den „Main benefit“-Test erfüllen.
Zusammenfassend ist anzumerken, dass Steuerexperten nunmehr eine zusätzliche Haftung haben, die zur Haftung in Bezug auf Meldungen für Geldwäsche hinzukommt. In Deutschland wie im restlichen Europa werden Steuerberater immer mehr zu den unfreiwilligen Helfern des Fiskus. Es sind zusätzliche Kosten erheblichen Ausmaßes für Steuerexperten und Steuerzahler zu befürchten.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
Alle Urheberrechte vorbehalten
Bild: Twenty20