Kann ein Gesellschafter das Insolvenzverfahren seiner Gesellschaft aufheben lassen?
Veröffentlicht am 15.11.22

Befugnisse des Gesellschafters der insolvent gewordenen Gesellschaft
In einem Urteil vom 14.09.2022 hat die Kammer für Handelssachen des frz. BGH, des Kassationshofs, daran erinnert, dass der Gesellschafter einer in Insolvenz befindlichen Gesellschaft nur eine sehr begrenzte Rolle in diesem Zusammenhang spielt und insbesondere nicht zur Beantragung der Aufhebung des entsprechenden Urteils zugelassen ist – weder in der Berufung noch indirekt über die Revision. Das Urteil bringt zwar nichts Neues, da es einer ständigen Rechtsprechung folgt, zeigt jedoch die Schwachstelle der Rechte auf, über die ein Gesellschafter im frz. Insolvenzverfahren verfügt. Für einen Gesellschafter, der nicht dieselben Ziele verfolgt, wie der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft, kann dies besonders kompliziert sein. Denn es sind die Geschäftsführer, die die gesamte Verantwortung des gerichtlichen Abwicklungsverfahrens tragen sowie über alle Befugnisse zwischen dem Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung bis zum Zeitpunkt, zu dem der Insolvenzverwalter ernannt wird, verfügen und die Entscheidungen treffen.
Anfechtung der Zahlungseinstellung durch den Gesellschafter der Schuldnerin
Laut den dem Urteil vom14.09.2022 zugrunde liegenden Tatsachen hatte eine französische bürgerlich-rechtliche Immobiliengesellschaft (société civile immobilière, kurz SCI) über ihren gütlich ernannten Insolvenzverwalter die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit sofortiger Abwicklung beantragt. Vor dem Landgericht von Argentan, d. h. in erster Instanz, hat einer der Gesellschafter dieser SCI freiwillig vor Gericht interveniert und versucht, die Zahlungseinstellung der Gesellschaft aufheben zu lassen. Diese Anfechtung stellte sich als vergeblich heraus, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Gericht verkündet wurde.
Da der in erster Instanz freiwillig intervenierte Gesellschafter mit dem Urteil unzufrieden war, hat er Berufung gegen dieses eingelegt. Laut Artikel L661-1 2° des frz. Handelsgesetzbuches kann gegen ein Eröffnungsurteil über die Insolvenz jedoch nur Berufung eingelegt werden von:
- dem Schuldner;
- dem berechtigten Gläubiger;
- dem Betriebsrat oder, in Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern, die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung;
- der Staatsanwaltschaft.
Mit diesem Argument vor dem Berufungsgericht von Caen konfrontiert machte der Gesellschafter geltend, dass das Recht, Berufung einzulegen jeder Person, die daran Interesse hat und in erster Instanz beteiligt war (was er seiner Ansicht nach durch seine freiwillige Intervention war), gehöre. Darüber hinaus war er der Ansicht, dass er in seiner Eigenschaft als Gesellschafter, der 50 % der Geschäftsanteile besaß, ein berechtigtes Interesse an der Intervention im Verfahren hätte und dass ihm die Berufungseinlegung zu untersagen, eine Verletzung der Bestimmungen der Artikel 6-1° und 13° der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten darstelle.
Dieses Argument hat das Berufungsgericht aus den folgenden Gründen nicht überzeugt:
- Ohne das Handlungsinteresse des Gesellschafters in Frage zu stellen – seine freiwillige Intervention wird im Berufungsverfahren nicht kritisiert – erinnert der BGH daran, dass Artikel L661-1 2° des frz. Handelsgesetzbuchs abschließend die Personen auflistet, die gegen ein Eröffnungsurteil eines gerichtlichen Abwicklungsverfahrens Berufung einlegen können. Aus diesem Grund ist der Gesellschafter, der nicht als Vertreter der schuldnerischen Gesellschaft aufzutreten meint, nicht zur Berufungseinlegung gegen das vom Landgericht von Argentan ergangene Urteil zugelassen.
- Obwohl der Gesellschafter einer SCI verhältnismäßig zu seinem Anteil am Stammkapital unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden haftet, hat er als solcher nicht die Eigenschaft eines Beteiligten an dem Urteil, das die gerichtliche Abwicklung der Gesellschaft verkündet – auch wenn seine freiwillige Intervention in erster Instanz als zugelassen galt.
- Schließlich hat der Gesellschafter, auch wenn ihm das Recht auf Berufung verwehrt wird, immer noch die Möglichkeit, einen Einspruch Dritter gegen das Urteil über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, einzulegen: im Gegensatz zu dem, was er in seinem Schriftsatz behauptet, verletzt die Unzulässigkeit der Berufung daher nicht sein Recht auf tatsächlichen Zugang zu einem Gericht, das in Artikel 6-1 und 13 der EMRK vorgesehen ist.
Die Unzulässigkeit der Revision des Gesellschafters im Insolvenzverfahren
Im Revisionsverfahren sollte sich der frz. BGH zur Begründetheit des Berufungsurteils äußern. In einem sehr kurzen Urteil wurde diese bestätigt und die Argumente des Gesellschafters vom Tisch gefegt. Indem er noch einmal auf Artikel L661-1 2° des frz. Handelsgesetzbuches zurückkommt, erinnert der frz. BGH daran, dass dieser sowohl für die Berufung als auch die Revision gilt: gegen das Eröffnungsurteil über das gerichtliche Abwicklungsverfahrens einer Gesellschaft kann folglich kein Gesellschafter Revision einlegen. Das ihm vorgelegte Rechtsmittel, das keine Überschreitung von Befugnissen geltend machte, ist demnach unzulässig, „unabhängig davon, ob [der Gesellschafter] in erster Instanz intervenierte, um die von der Schuldnerin erklärte Zahlungseinstellung anzufechten, da diese Intervention, auch wenn es sich um eine Hauptintervention handelte, nicht dazu führte, dass ihm ein Rechtsmittel eröffnet wurde, das ihm gesetzlich verwehrt war.“
Diese letzte Passage ist interessant, da der frz. BGH ein zusätzliches Argument hinzuzufügen scheint, dass die Unzulässigkeit der Revision des Gesellschafters begründet, indem er sich leicht von der Position des Berufungsgerichts entfernt. Zur Erinnerung: Letzteres bestand auf der Tatsache, dass der Gesellschafter als solcher kein Prozessbeteiligter war. Dennoch schien die Eigenschaft des Beteiligten oder Unbeteiligten für den frz. BGH kein Interesse zu haben.
Man könnte mit gutem Grund annehmen, dass eine als „Hauptintervention“ eingestufte Intervention in einer Instanz dem Intervenienten die Eigenschaft eines Beteiligten verleiht, solange dieser zu seinen Gunsten einen Anspruch erhebt. Von dem Zeitpunkt an, an dem der Intervenient die Eigenschaft eines Beteiligten erhält, scheint die Verweigerung des Rechts, Berufung oder Revision einzulegen, undenkbar. Dies stimmt darüber hinaus mit der Argumentation des Gesellschafters überein, der die Einhaltung seines Rechts auf tatsächlichen Zugang zu einem Gericht forderte.
Hier hat der frz. BGH entschieden, die Debatte abzutun: ob es sich um eine Hauptintervention handelte oder nicht, diese kann dem Gesellschafter kein Rechtsmittel eröffnen, das ihm gesetzlich verwehrt war. Anders zu argumentieren hätte dem Gesellschafter in der Tat ermöglicht, das Gesetz zu umgehen. Solange der Gesellschafter über das Recht, Einspruch Dritter gegen das Urteil einzulegen verfügt, kann er dieses nicht mit einem anderen Rechtsmittel kumulieren, indem er eine Hintertür nutzt, um dies zu erreichen.
Eine nützliche Erinnerung an die Bedeutung der Aufhebung eines Urteils bezüglich der Zahlungseinstellung in erster Instanz
Das Urteil vom 14.09.2022 erinnert Gesellschafter daran, dass sich, was sie betrifft, – fast – alles bei der Aufhebung eines Urteils bezüglich der Zahlungseinstellung in erster Instanz abspielt. Solange ihre Intervention vor Gericht erlaubt ist, ist es für sie ausschlaggebend, den Richtern ab diesem Moment jedes Element vorzulegen, dass gegen die Urteilsverkündung über die Eröffnung der Insolvenz der Gesellschaft, von der sie Gesellschafter sind, widerspricht. Andernfalls ist es unwahrscheinlich, dass ihre Stimme gehört wird, und sie können ihre Argumente nicht mehr geltend machen, es sei denn, sie beginnen ein neues Gerichtsverfahren, den Einspruch Dritter, der an Formregeln und besondere, sehr kurze Fristen gebunden ist.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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