Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung nach dem Egalim-Gesetz

29.10.19
kuendigung geschaeftsbeziehung
Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung nach dem Egalim-Gesetz
kuendigung geschaeftsbeziehung

Geänderte Bestimmungen zur Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung

Das französische Recht zu den missbräuchlichen Praktiken aus Artikel L. 442-6 des frz. Handelsgesetzbuches wird seit Jahren viel kritisiert. In seiner Fassung vor der Änderung listete dieser Artikel 13 missbräuchliche Praktiken auf und vermischte materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen.

Aus diesem Grund hat das Gesetz „zum Ausgleich der Geschäftsbeziehungen in der Landwirtschaft und im Nahrungsmittelsektor“ vom 30.10.2018 die Regierung dazu ermächtigt, durch eine Verordnung die Änderung dieses Artikels im Rahmen der Überarbeitung des Handelsgesetzbuches zu bewirken. Die Verordnung wurde veröffentlicht. Diese Bestimmungen traten am 26.04.2019 in Kraft, mit Ausnahme bestimmter Maßnahmen, deren Inkrafttreten verschoben wurde.

Die Reform hat insbesondere zum Ziel, „dass der Wettbewerb zwischen Zulieferern ausgeübt werden kann, ohne bestimmte vorhandene Wirtschaftsakteure gegenüber ihren Wettbewerbern übermäßig zu schützen“ (Rapport au Président de la République relatif à l’ordonnance n° 2019-359 du 24 avril 2019).

Die Bestimmungen für eine Klage auf zivilrechtliche Haftung wegen missbräuchlichen Vertragsbruchs einer bestehenden Geschäftsbeziehung wurden somit geändert.

Auch wenn die Grundsätze des missbräuchlichen Vertragsbruchs nicht in Frage gestellt wurden (insbesondere das Vorliegen einer bestehenden Geschäftsbeziehung), so bringt der neue Artikel L 442-1-II des frz. Handelsgesetzbuches dennoch gewisse wesentliche Änderungen in Bezug auf die Kündigungsfrist und den Initiator mit sich. Allerdings bestehen weiterhin Ungewissheiten zur Höhe der Entschädigungen.

Vorliegen einer bestehenden Geschäftsbeziehung

Der Grundsatz des Bestehens einer Geschäftsbeziehung wird nicht in Frage gestellt. Der neue Artikel L 442-1-II definiert ebenso wenig wie der vorherige Artikel den Begriff der bestehenden Geschäftsbeziehung. Eine Beziehung gilt als „bestehend“, wenn sie regelmäßig, bedeutend und stabil ist.

Es gibt jedoch keinen Grund, die Art der Beziehung zu unterscheiden: unbefristeter Vertrag, befristeter Vertrag, oder sogar eine außervertragliche Beziehung. Des Weiteren ist der Vertragsgegenstand unerheblich. Der missbräuchliche Vertragsbruch findet sowohl auf Vertriebsverträge als auch auf Dienstleistungsverträge Anwendung.

Begrenzung der Kündigungsfrist

Die gewährte Kündigungsfrist muss nunmehr schriftlich vereinbart werden und „insbesondere die Dauer des Bestehens der Geschäftsbeziehung im Hinblick auf die Handelsbräuche oder Branchenvereinbarungen berücksichtigen“.

Allerdings bestehen weiterhin zwei Ausnahmen zu diesem Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung: Die Nichterfüllung ihrer Pflichten durch die andere Partei und das Vorliegen höherer Gewalt.

Des Weiteren gibt die Reform nun der Haftung des Initiators der Kündigung einen Rahmen: Hier besteht die Neuerung in der Festlegung einer Kündigungsfrist von achtzehn Monaten, die es, wenn sie eingehalten wird, der anderen Partei untersagt, den Kündigenden gerichtlich haftbar zu machen. Im Streitfall gibt es also nunmehr eine Höchstdauer für die Kündigungsfrist. Es ist dementsprechend unerheblich, ob die Geschäftsbeziehung seit 30 Jahren oder mehr besteht.

Auf die zeitliche Begrenzung der Kündigungsfrist haben zahlreiche Unternehmen schon lange gewartet. Es ist unerlässlich, dass der gekündigten Vertragspartei einer bestehenden Geschäftsbeziehung eine Frist für die Umstellung gewährt wird. Allerdings waren die Kündigungsfristen manchmal übermäßig lang und kontraproduktiv.

Des Weiteren streicht die Verordnung die beiden Fälle, in denen die Kündigungsfrist verdoppelt werden musste: Eine Geschäftsbeziehung für Produkte, die unter Eigenmarke verkauft werden, und die Kündigung einer Beziehung, die aus einem Wettbewerb durch Fernauktionen resultiert.

Dennoch scheint diese neue Bestimmung es nicht auszuschließen, dass die Parteien eine längere vertragliche Kündigungsfrist vorsehen. Der Richter hat aber wie auch zuvor immer noch die Möglichkeit, sich auf die Dauer der Geschäftsbeziehung zu stützen, um gegebenenfalls eine kürzere Kündigungsfrist als die vertraglich vorgesehene festzulegen.

Ausdehnung des Anwendungsbereichs in Bezug auf den Initiator

Der Anwendungsbereich wird ausgedehnt, wie es auch der Fall für die anderen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen der Falls ist. Der Initiator ist nicht länger „Produzent, Industrieller oder eine im frz. Handwerksregister eingetragene Person“. Als Initiator der Verhaltensweise gilt nunmehr „jede Person, die eine Herstellungs-, Vertriebs- oder Dienstleistungstätigkeit ausübt“.

Somit liegt das Augenmerk nicht länger auf dem Status des Urhebers der Kündigung der Geschäftsbeziehung, sondern auf der Art seiner Tätigkeiten.

Weiterhin bestehende Ungewissheiten nach der Reform

Allerdings liefert die Reform keine Lösung für die Ausschweifungen in Bezug auf die Höhe der Entschädigungen, welche den Opfern des missbräuchlichen Vertragsbruchs zugesprochen werden.

Zur Erinnerung: Die Entscheidungen der Richter deuten in die gleiche Richtung, und zwar zu einer Berechnung der Entschädigungen entsprechend der Dauer der für notwendig erachteten Kündigungsfrist.

Das Verhalten der gekündigten Partei während der gewährten Kündigungsfrist (keine Maßnahmen zur Umstellung, um alternative Lösungen oder Märkte zu finden oder die eigene Tätigkeit neu auszurichten) hat keinen Einfluss auf die Bewertung des Schadens, der aus einer zu kurzen Kündigungsfrist entstanden ist, da dieser entsprechend der für notwendig erachteten Kündigungsfrist bewertet wird, ohne dass die Umstände nach der Kündigung berücksichtigt werden.

Nur der Schaden, der aus der missbräuchlichen Natur des Vertragsbruchs und nicht aus der Kündigung selbst entstanden ist, kann entschädigt werden.

Meistens wird die missbräuchliche Natur des Vertragsbruchs durch die Gewährung eines Betrags entschädigt, welcher der Bruttomarge entspricht, die während der Zeit der nicht gewährten Kündigungsfrist hätte erzielt werden können. Diese Bruttomarge wird als der Schaden aus dem Vertragsbruch betrachtet.

Auf diese Weise wird die Entschädigung für das Opfer eines missbräuchlichen Vertragsbruchs, welches die Verluste begrenzt, indem zeitnah neue Geschäftsbeziehung geknüpft werden, nicht verringert. Die systematische Gewährung einer Entschädigung, welche ausschließlich auf Grundlage der unzureichenden Kündigungsfrist berechnet wird, kann also in manchen Fällen ein wahrer Glücksfall für die gekündigte Partei sein, der keinerlei Anreiz für eine Schadensbegrenzung geboten wird.

Françoise Berton, französische Rechtsanwältin

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Bild: Schliemer

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