Fristlose Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung aufgrund wiederholter Zahlungsausfälle
05.08.19

Neues Urteil zur Begründung der fristlosen Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung
Grundsätzlich löst die „fristlose“ Kündigung, d.h. mit zu kurzer Frist, einer bestehenden Geschäftsbeziehung die Haftung des Kündigenden aus. So kann der Autor der Kündigung dazu verurteilt werden, seinem ehemaligen Vertragspartner Schadensersatz für die Beendigung der bestehenden Geschäftsbeziehung zu zahlen, wenn die Kündigungsfrist (selbst wenn diese vertraglich festgelegt wurde) zu kurz ist, um ein neues Vertriebsnetz aufzubauen.
Allerdings sieht Artikel L.442-1 des französischen Handelsgesetzbuches zwei Ausnahmen vor, welche die fristlose Kündigung rechtfertigen: die Nichterfüllung ihrer Pflichten durch die andere Partei und das Vorliegen höherer Gewalt. In einem neuen Urteil vom 27.03.2019 war der Kassationshof der Auffassung, dass die Nichterfüllung der Zahlungspflicht des Vertragspartners ein Verschulden darstellt, welches die fristlose Kündigung der Geschäftsbeziehung rechtfertigt.
Kündigung einer seit sieben Jahren bestehenden Geschäftsbeziehung wegen Nichterfüllung einer Pflicht
Im vorliegenden Fall unterhielt ein Dienstleister, der in der Zurverfügungstellung von digitalen Inhalten spezialisiert ist, seit 2005 Geschäftsbeziehungen mit einer Unternehmensgruppe, welche kostenpflichtige Zugänge zu Online-Diensten anbot. Zu dieser ersten Geschäftsbeziehung kam eine zweite Geschäftsbeziehung hinzu. 2012 hatte die Unternehmensgruppe dem Dienstleister nämlich eine ausschließliche Vertretungsvollmacht zur Verhandlung mit einer Drittgesellschaft erteilt. Laut dieser Vereinbarung hatte die Unternehmensgruppe die Möglichkeit, die Vollmacht zu widerrufen, wenn der Dienstleister seiner Zahlungspflicht in Bezug auf die geschuldeten Beträge nicht nachkommt. Seit 2010 gab es einen Konflikt zwischen den Parteien in Bezug auf die Zahlung von Rechnungen, die der Dienstleister im Rahmen der 2005 geknüpften Geschäftsbeziehung schuldete. Die offenen Rechnungen des Dienstleisters stellten eine Forderung in Höhe von 301.273,26 € zugunsten einer der Gesellschaften der Unternehmensgruppe dar. Im Jahr 2013 widerrief die Unternehmensgruppe die Vollmacht des Dienstleisters fristlos wegen Nichterfüllung der Zahlungspflicht.
Verstoß gegen eine „wesentliche Pflicht“ – Grund für die fristlose Kündigung einer Geschäftsbeziehung
Der Dienstleister bestritt vor Gericht die Kündigung der langjährigen Beziehung mit seinem Kunden, weil er der Meinung war, dass der Zahlungsausfall im Zusammenhang mit einer zuvor geknüpften Geschäftsbeziehung nicht die Kündigung aller zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbeziehungen rechtfertigen konnte. In den Augen des Dienstleisters stellte der vorgeworfene Zahlungsverzug kein Verschulden dar, welches diese Kündigung rechtfertigte. Er machte Schadensersatz von mehr als zwei Millionen Euro geltend wegen missbräuchlichen Vertragsbruchs bestehender Geschäftsbeziehungen.
Im Urteil vom 27.03.2019 bestätigt der Kassationshof den Standpunkt des Berufungsgerichts Paris in dessen Urteil vom 10.03.2017: Das Berufungsgericht vertritt darin die Auffassung, dass die Gesellschaft tatsächlich gegen ihre wesentliche vertragliche Pflicht, nämlich die Zahlungspflicht, verstoßen hatte. Das Gericht bestätigt, dass der Verstoß des Dienstleisters gegen seine vertraglichen Pflichten als grobes Verschulden angesehen werden konnte, so dass dies die fristlose Kündigung der allgemeinen Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien rechtfertigte.
Betrachtung der Geschäftsbeziehung als Ganzes, um deren Kündigung zu rechtfertigen
Im vorliegenden Fall wurde die Kündigung der bestehenden Geschäftsbeziehung durch eine Vertragsverletzung, nämlich den Zahlungsausfall, gerechtfertigt. Hier sollte darauf hingewiesen werden, dass dieses Verschulden des Dienstleisters im Rahmen der ersten Geschäftsbeziehung (Dienstleistung) und nicht im Rahmen der zweiten (ausschließliche Vertretungsvollmacht) stattfand. Der Kassationshof hat diese beiden Geschäftsbeziehungen also nicht als unabhängig betrachtet, sondern ist vielmehr von einer Einheit ausgegangen. Laut Gericht wurde die Geschäftsbeziehung in Bezug auf die Dienstleistung, die zuerst bestand, zu keinem Zeitpunkt unterbrochen bevor die Unternehmensgruppe die Vollmacht kündigte. Dies erklärt die einheitliche Betrachtung der Geschäftsbeziehungen und die Folgen für die Rechtfertigung der fristlosen Kündigung der bestehenden Geschäftsbeziehung.
Zur Beurteilung der fristlosen Kündigung der Vollmacht durch die Unternehmensgruppe (d.h. der 2012 geknüpften Geschäftsbeziehung) stützte der Kassationshof sich somit auf die wiederholten Zahlungsausfälle, die auf die erste Geschäftsbeziehung zurückgehen, welche eine Kündigung wegen Zahlungsausfall ermöglichten.
Man kann aus diesem Urteil also ableiten, dass die von einem Vertragspartner begangenen Verstöße im Rahmen eines Vertrages je nach Umständen dafür sorgen können, dass er keine Entschädigung für die Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehungen mit seinem Vertragspartner erhält.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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