Die Reform der Sonntags- und Nachtarbeit in Frankreich mit dem „Macron-Gesetz“ vom 06.08.2015
25.11.15

Ziele des Macron-Gesetzes bezüglich der Nacht- und Sonntagsarbeit im französischen Arbeitsrecht
Das sogenannte „Macron-Gesetz“, d.h. das Gesetz Nr. 2015-990 vom 06.08.2015 „für Wachstum, Aktivität und Chancengleichheit“ lockert unter anderem die Gesetzgebung bezüglich der Öffnung der Geschäfte am Sonntag und an den Abenden in Frankreich. Diese Bestimmungen des Macron-Gesetzes, die am 08.08.2015 in Kraft getreten sind, sind zwar nicht die wichtigsten, jedoch sicherlich diejenigen, über die am meisten diskutiert wurde.
Generell ist eine Reform des Arbeitsrechts zur Sonntagsarbeit ein heikles Thema in der Öffentlichkeit, da die wirtschaftlichen und die sozialen Interessen auseinandergehen. Tatsächlich gibt es einerseits aufgrund der Entwicklung der Konsumgesellschaft einen allgemeinen Wunsch nach breiten Öffnungsmöglichkeiten der Geschäfte am Sonntag und andererseits bleibt das Ritual der Sonntagsruhe mit dem Wunsch nach gemeinsam mit Familie und Freunden verbrachte Erholungszeit sehr wichtig.
Um diese widersprüchlichen Ansichtsweisen miteinander zu verbinden hat sich der Gesetzgeber gleichzeitig vorgenommen, die Bedingungen für die Sonntags- und Nachtarbeit für bestimmte Geschäfte zu lockern und die Garantien der am Sonntag arbeitenden Arbeitnehmer zu verbessern.
Lockerung der Voraussetzungen für die Sonntags- und Nachtarbeit für bestimmte französische Geschäfte nach dem Macron-Gesetz
Die Lockerung der Möglichkeiten der Sonntagsarbeit wird insbesondere durch eine Reform der vom Grundsatz der Sonntagsruhe befreiten Gebiete sowie durch die Erstreckung der Befugnisse zur Erlassung von Sondergenehmigungen der Gemeindebürgermeister zum Ausdruck gebracht. Dazu kommt noch eine Sonderdefinition der Nachtarbeit in den „internationalen touristischen Gebieten“ hinzu.
Änderung der vom Sonntagsarbeitsverbot nicht betroffenen Gebiete
Das Macron-Gesetz verändert die Bestimmungen zu den Sondergenehmigungen von in gewissen Gemeinden oder Tourismusgebieten oder innerhalb der PUCE (périmètres d’usage de consommation exceptionnel: in Deutsch „Gebiete der außergewöhnlichen Verbrauchergewohnheiten“) niedergelassenen Geschäften. Tatsächlich war die Verteilung dieser Gebiete oft unverständlich und so wurde die Abgrenzung dieser Gebiete neu bestimmt und bei der Gelegenheit zwei weitere Gebiete neu definiert.
Von nun an existieren vier Gebiete, innerhalb derer der Arbeitgeber die wöchentliche Ruhezeit schichtweise dem gesamten oder einem Teil des Personals gewähren kann:
- der von einem besonders großen Andrang von Touristen charakterisierter touristischer Raum (früher: „Gemeinden von touristischem oder thermalem Interesse und touristische Gebiete mit außergewöhnlichem Touristenandrang oder einer permanenten Kulturgestaltung);
- die von potentiell beträchtlichen gewerblichen Angeboten und Nachfrage charakterisierten Handelsräume (die ehemaligen „PUCE“), ggf. mit Einbeziehung der unmittelbaren Nähe eines Grenzgebietes;
- ein neues Gebiet, das sogenannte „internationale touristische Gebiet“;
ebenfalls neu: die Bahnhöfe mit außergewöhnlichem Andrang (wie in Paris: die Gare du Nord, Gare de Lyon, Gare de Montparnasse oder die Bahnhöfe Lyon-Part-Dieu, Marseille-Saint-Charles oder noch Bordeaux-Saint-Jean usw.).
Diese Sonderregelung gilt nur für die Einzelhandelsgeschäfte, die Waren und Dienstleistungen anbieten (z.B.: Kleidergeschäfte, Buchhaltungen usw.).
Von den neuen Bestimmungen sind u.a. folgende Geschäfte ausgeschlossen:
- der Großhandel;
- die Einzelhandelsgeschäfte für Lebensmittel;
- die Lebensmittelgeschäfte, die in den internationalen touristischen Gebieten und den Bahnhöfen mit außergewöhnlichem Andrang niedergelassenen sind, und zwar sonntags bis 13 Uhr.
Erweiterung der Möglichkeiten zur Erteilung von Sondergenehmigungen für die Arbeit am Sonntag durch die Gemeindebürgermeister
Ab dem 01.01.2016 können der Bürgermeister und in Paris der Staatsvertreter den Einzelhandelsgeschäften (einschließlich der Lebensmittelgeschäfte), für die die wöchentliche Ruhepause generell am Sonntag stattfindet, die Streichung dieser Ruhepause an bis zu 12 Sonntagen, im Gegensatz zu den jetzigen 5 Sonntagen im Jahr, erlauben. Für das Jahr 2015 dürfen bis zu neun Sonntagen im Jahr als Ruhepausen gestrichen werden.
Das neue Gesetz bestimmt, dass die Entscheidung des Bürgermeisters nach Stellungnahme des Gemeinderates getroffen wird. Geht aber für die Einzelhandelsgeschäfte, die Lebensmittel anbieten, die Verkaufsfläche über 400 m² hinaus, d.h. wenn es sich um die Super- und Großmärkte handelt, müssen die gearbeiteten Feiertage, mit Ausnahme des 1. Mai, von den vom Bürgermeister ausgewählten gearbeiteten Sonntagen, abgezogen werden. Dieser Ausgleich zwischen Feiertagen und Sonntagen kann nur in einer Grenze von höchstens 3 Sonntagen durchgeführt werden.
Sonderdefinition der Nachtarbeit in den „internationalen touristischen Gebieten“
Grundsätzlich wird jede zwischen 21 und 6 Uhr verrichtete Arbeit als Nachtarbeit im Sinne des französischen Arbeitsrechts betrachtet. In den internationalen touristischen Gebieten kann ein umfassender Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung, in dem der Beginn des Nachtzeitraumes bis spätestens 24 Uhr verschoben wird, einen anderen Zeitraum von neun aufeinander folgenden Stunden festlegen. Dieser Zeitraum von neun aufeinander folgenden Stunden beinhaltet in jedem Fall den Zeitabschnitt zwischen 24 und 5 Uhr.
Gegenleistung zur Sonntagsarbeit: die Verstärkung der Arbeitnehmergarantien
Damit ihre Arbeitnehmer sonntags arbeiten können, müssen die in den zulässigen Gebieten niedergelassenen Arbeitgeber im Prinzip eine Betriebsvereinbarung abschließen.
Das neue Gesetz erstreckt außerdem das Freiwilligkeitsprinzip auf fast alle von der Sonntagsarbeit betroffenen Arbeitnehmer. Einzig und allein die freiwilligen Arbeitnehmer, die dem Arbeitgeber ihre schriftliche Einwilligung übergeben haben, dürfen sonntags arbeiten. Ein Unternehmen darf die Einstellung eines Bewerbers nicht aufgrund dessen Weigerung sonntags zu arbeiten ablehnen. Die Weigerung eines Arbeitnehmers, am Sonntag zu arbeiten, ist kein Kündigungsgrund und darf zu keiner diskriminierenden Maßnahme führen.
Die Aufnahme des Macron-Gesetzes bezüglich der Sonntagsarbeit in Frankreich
Das Macron-Gesetz hat bezüglich der Sonntagsarbeit großen Anklang bei den Arbeitgebern und insbesondere der wichtigen Markenunternehmen gefunden. Letztere suchen in der Tat seit der Vereinfachung der Gesetzgebung bezüglich der Geschäftsöffnungen am Sonntag nach Lösungen, um selbst schnellstmöglich am Sonntag öffnen zu können. Seitens der Gewerkschaften ist die Aufnahme verhaltener, insbesondere aufgrund der in ihren Augen ungenügenden Garantien und Gegenleistungen für die Arbeitnehmer. Seitens der Arbeitnehmer selbst sind die Reaktionen sehr unterschiedlich und hängen oft von ihrer jeweiligen familiären Lage ab.
Die Verhandlungen zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften bezüglich der sonntäglichen Geschäftsöffnungen werden seit September geführt und dauern bis heute an. Die ersten Abstimmungen bezüglich der Sonntagsarbeit sind seit kurzer Zeit gefallen. Beispielsweise haben die Arbeitnehmer von BHV in Paris vor kurzer Zeit um wenige Stimmen gegen die Sonntagsarbeit abgestimmt.
Die nächsten Monate werden die genaue Wirkung des Macron-Gesetzes auf die Sonntagsarbeit in Frankreich zeigen.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bilder: EdwardSamuel, efetova