Verjährungsfrist der Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsvertrages
28.09.22

Es gibt zahlreiche Situationen, in denen Unternehmen die Dienste von Personen in Anspruch nehmen, ohne dabei einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen und die Einstellung dieser Person als Arbeitnehmer zu beabsichtigen. Ist das Arbeitsverhältnis in Wirklichkeit jedoch eine abhängige Arbeit (sog. Scheinselbständigkeit“), die zu einem mündlichen Arbeitsvertrag führt, dann kann der Arbeitnehmer rechtliche Schritte ergreifen, um die Anwendung des französischen Arbeitsrechts anerkennen zu lassen. Die Klage vor Gericht kann während oder – dies ist häufig der Fall – nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingereicht werden. Es stellt sich folglich die Frage, bis wann vor den frz. Arbeitsgerichten geklagt werden kann.
Die Kammer für Sozialsachen des frz. BGH, des Kassationshofes, hat in zwei Urteilen vom 11.05.2022 (Nr. 20-14.421 und 20-18.084) die Frist sowie auf den Ausgangspunkt für eine Klage auf Anerkennung des Bestehens eines Arbeitsvertrages erläutert.
Für die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsvertrages gilt die Regel-Verjährungsfrist des französischen Rechts
Der frz. BGH bekräftigt, dass die Frist zur rechtlichen Qualifizierung eines Vertrages, dessen Rechtsnatur unklar ist und der als Arbeitsvertrag angefochten wird, fünf Jahre beträgt – dies ist die allgemeine im frz. Zivilgesetzbuch vorgesehene Verjährungsfrist.
In der Tat geht der frz. BGH davon aus, dass die Klage auf Qualifizierung eines Vertrages, dessen Rechtsnatur unklar ist, in einen Arbeitsvertrag eine Leistungsklage ist, die folglich der fünfjährigen, in Artikel 2224 des frz. Zivilgesetzbuches vorgesehenen Verjährung unterliegt.
Artikel 2224 des frz. Zivilgesetzbuches sieht vor, dass „Leistungs- oder Fahrnisklagen nach fünf Jahren ab dem Tag, an dem der Rechtsinhaber von den Tatsachen, die ihm dessen Ausübung ermöglichen, Kenntnis erlangt hat oder Kenntnis erlangen hätte sollen, verjähren.“
Ausgangspunkt der Frist zur Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses
Der frz. BGH weist ebenfalls darauf hin, dass die Frist ab dem Tag, an dem das Vertragsverhältnis beendet wurde, zu laufen beginnt.Da die juristische Qualifizierung des Vertrages von den Bedingungen, unter denen die Tätigkeit ausgeübt wurde, abhängt, beginnt die Frist folglich an dem Tag, an dem das Vertragsverhältnis beendet wurde. Tatsächlich erlangt der Rechtsinhaber erst an diesem Tag Kenntnis von den Tatsachen, die ihm die Einreichung seiner Klage ermöglichen.
Es gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren und nicht die vom Berufungsgericht genannte Frist von zwei Jahren
In einem dieser beiden Urteil (Nr. 20-14.421), hat Herr J die Tätigkeit eines Fotografen ausgeübt. Er war zwischen dem 27.02.2001 und dem 01.04.2004 als lokaler Pressekorrespondent für eine frz. Presse- und Verlagsgesellschaft tätig. Ab dem 01.06.2004 hat er als freier Journalist gearbeitet. Anschließend war er vom 05.08. bis 03.09.2008 und vom 01. bis 31.08.2009 befristet zur Vertretung eines abwesenden Mitarbeiters angestellt. Daraufhin hat er im Mai 2015 die Tätigkeit als freier Journalist wieder aufgenommen.
Herr J hat am 20.07.2016 das Arbeitsgericht angerufen, um das Bestehen eines Arbeitsvertrages mit der Pressegesellschaft seit Beginn seines Vertragsverhältnisses feststellen zu lassen, und zwar zwischen dem 27.02.2001, als er lokaler Pressekorrespondent war, und Mai 2015, als er freier Journalist war. Folglich hat er Lohnnachzahlungen und den Kündigungsschutz aus dem Arbeitsrecht beantragt. Anschließend hat er vor dem Berufungsgericht von Pau geklagt; dieses war der Ansicht, dass für eine Klage bezüglich der Ausübung eines Arbeitsvertrages gemäß Artikel L. 1471-1 des frz. Arbeitsgesetzbuches eine Verjährungsfrist von zwei Jahren gilt.
Laut dem Berufungsgericht von Pau war die Klage von Herrn J folglich bereits verjährt.
Der frz. BGH war der Ansicht, dass das Berufungsgericht gegen die Vorschriften verstoßen hat, da es die in Artikel 2224 des frz. Zivilgesetzbuches vorgesehen Frist von fünf Jahren hätte anwenden müssen.
Die Frist beginnt ab Ende des Vertragsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer
In dem zweiten Urteil vom selben Tag (Nr. 20-18.084), ging es um einen Fall, in dem Frau Z ab dem 01.04.1992 von der frz. Gesellschaft MACSF prévoyance als Vertrauensärztin verpflichtet worden ist. Am 04.05.2018 wurde ihr gekündigt.
Frau Z war der Meinung, dass ihr Arbeitsverhältnis in Wirklichkeit bereits am 01.02.1984 begonnen hatte und hat am 24.09.2014 vor dem Arbeitsgericht geklagt, um die Nachzahlung von Sozialabgaben sowie Schadenersatz für den Verlust des Rentenanspruchs zu beantragen.
Das daraufhin angerufene Berufungsgericht von Versailles war der Ansicht, dass die Klage von Frau Z bereits verjährt war, da Frau Z seit dem 31.03.1992, dem Tag des Endes des Vertrages, Kenntnis von allen notwendigen Elementen erlangt hatte. Der frz. BGH bestätigt die Position des Berufungsgerichtes.
Daher ist es sowohl für den Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber von grundlegender Bedeutung, gleich zu Beginn des Vertragsverhältnisses die genaue Art des Vertrages zu bestimmen: Arbeitsvertrag, Dienstleistungsvertrag, Leiharbeitsvertrag, Zeitarbeitsvertrag usw. Die finanziellen Folgen können sonst beträchtlich sein.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
Alle Urheberrechte vorbehalten
Bild: Arkna