Der Schutz von Whistleblowern
Veröffentlicht am 04.07.23

Inhaltsverzeichnis
Der Schutz von Whistleblowern im französischen Recht und Europarecht
Heute tendieren Whistleblower dazu, in allen Bereichen des öffentlichen Lebens vermehrt anwesend zu sein – so auch in der Arbeitswelt. Angesichts dieses Phänomens hat die Europäische Union entschieden, Schutzstandards zugunsten von Whistleblowern zu schaffen und Frankreich hat diese Normen umgesetz bzw. ergänzt. Entdecken Sie die aktuelle Gesetzgebung und unsere Ratschläge zum Arbeitsrecht zu diesem spannenden Thema in diesem Artikel.
Die Rechtsquellen des Schutzes von Whistleblowern
Am 23. Oktober 2019 wurde die Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Europäische Unionsrecht melden, vom Europäischen Parlament und vom Rat der EU angenommen. Mit ein wenig Verspätung wurde diese durch das Gesetz Nr. 2022-401 vom 21.03.2022, auch Waserman-Gesetz genannt (nach dem Abgeordneten, der den Gesetzesvorschlag gemacht hat) in das französische Recht umgesetzt. Dieses Gesetz wurde durch das Dekret Nr. 2022-1284 vom 03.10.2022 über Verfahren zur Erfassung und Bearbeitung von Hinweisen, die von Whistleblowern abgegeben werden, ergänzt.
Diese Richtlinie hat große Veränderungen für den Status von Whistleblowern gebracht: Sie erweitert den persönlichen Anwendungsbereich des Begriffs „Denunziant“, schreibt die Schaffung von sowohl internen als auch externen Kommunikationskanälen vor und sieht stärkere Schutzmaßnahmen für Whistleblower vor, besonders durch die Vorschreibung einer Vertraulichkeitspflicht bezüglich der Identität der Denunzianten.
Welchen Beitrag hat die Richtlinie für Whistleblower geleistet?
Das bereits in Artikel 1 formulierte Ziel der Richtlinie lautet wie folgt: „Ziel dieser Richtlinie ist eine bessere Durchsetzung des Unionsrechts und der Unionspolitik in bestimmten Bereichen durch die Festlegung gemeinsamer Mindeststandards, die ein hohes Schutzniveau für Personen sicherstellen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden.“
Sie bietet den sogenannten Hinweisgebern mit der Schaffung eines einheitlichen minimalen rechtlichen Rahmens insbesondere einen stärkeren und effizienteren Schutz als die alten Richtlinien.
Tatsächlich unterschied sich die Art des Schutzes der Hinweisgeber bis dato je nach Mitgliedstaat. In Frankreich waren die Bestimmungen zum Schutz von Whistleblowern bereits in dem Gesetz Nr. 2016-1691 vom 09.12.2016 zur Transparenz, zum Kampf gegen Korruption und zur Modernisierung des Wirtschaftslebens enthalten – dem sogenannten „Sapin-2-Gesetz“:
- Artikel 7 dieses Gesetzes schuf insbesondere Artikel 122-9 des frz. Strafgesetzbuches, laut dem „die Person, die ein gesetzlich geschütztes Geheimnis beeinträchtigt, strafrechtlich nicht haftbar ist, solange diese Offenlegung erforderlich und der Sicherung der betreffenden Interessen angemessen ist, sie unter Einhaltung der vom Gesetz bestimmten Meldeverfahren vorgenommen wird und die Person den Definitionskriterien eines Whistleblowers entspricht […]“.
- Artikel 10 dieses Gesetzes hat im frz. Arbeitsgesetzbuch ein Diskriminierungsverbot gegenüber den Whistleblowern eingerichtet.
Durch die europäische Richtlinie finden die Anklagen nun in europäischem Raum statt, dann haben die Denunzianten die Sicherheit, einen minimalen Schutz zu genießen, da die Richtlinie die Einführung minimaler Rechtsnormen vorschreibt, die den Ländern der Europäischen Union gemein sind. Darunter findet sich die Schaffung der bereits genannten internen und externen Meldekanäle, aber auch das ausdrückliche Verbot von Repressalien gegen den Hinweisgeber oder aber die Ergreifung von Schutzmaßnahmen vor Repressalien. Wie bereits gesagt, wurde die Richtlinie in das frz. Recht durch das Gesetz Nr. 2022-401 vom 21.03.2022, das das sogenannte Sapin-2-Gesetz abändert, umgesetzt, dann ergänzt durch den Dekret Nr. 2022-1284 vom 3. Oktober 2022.
Diese Richtlinie hat jedoch nur eine begrenzte Tragweite, da sich ihr Anwendungsbereich auf einige in Artikel 2 genannte Rechtsbereiche begrenzt, nämlich unter anderem die öffentlichen Ausschreibungen, den Verbraucherschutz, die Umweltschutz, das Gesundheitswesen oder die Produktsicherheit und -konformität. Die Mitgliedsstaaten verfügen aber über die Befugnis, den Schutz nach nationalem Recht in Bezug auf Bereiche auszudehnen, die nicht unter diese Richtlinie fallen. Wenn Frankreich zum Beispiel den Schutz der Denunzianten im Bereich der sexuellen Belästigung und des Mobbings am Arbeitsplatz (welche nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen) ausweiten möchte, so würde diesem nichts widersprechen.
Zur einheitlichen Gestaltung des Europarechts bezüglich der Whistleblower ist diese Richtlinie demnach willkommen, da Rechtsvorschriften und Schutz je nach Land sehr unterschiedlich waren.
Wer gilt als ein des Schutzes würdiger Denunziant?
Die Richtlinie 2019/1937 zielt eindeutig direkt auf die Whistleblower ab, das heißt jede natürliche Person, die über die Existenz strafbarer, die Öffentlichkeit beeinträchtigender Handlungen informiert, von der sie die Information in einem beruflichen Kontext erhalten hat. Der Schutz betrifft sowohl den privaten als auch den öffentlichen Sektor. Jede Person, die ein professionelles Verhältnis mit einem Unternehmen hat und über eine Straftat informiert, kann somit den Schutz genießen. Der durch diese Richtlinie gewährte Schutz ist also sehr umfangreich. Tatsächlich handelt es sich gleichzeitig um aktive Arbeitnehmer, ehemalige Arbeitnehmer als auch Zeit- oder Saisonarbeiter oder aber Mitglieder des Vorstands.
Das Waserman-Gesetz präzisiert im französischen Recht die Definition des Whistleblowers und besagt, dass der Whistleblower keine finanzielle Gegenleistung erhalten haben darf, während die alte Regelung besagte, dass der Whistleblower uneigennützig handeln muss.
Auch Vermittler, die bei der Meldung oder Offenlegung von Informationen behilflich sind, können in den Genuss der Schutzregelung kommen. Dies kann eine natürliche oder eine juristische Person sein. Schutz wird auch im beruflichen Umfeld Personen gewährt, die nicht persönlich von den gemeldeten Tatsachen Kenntnis haben. „Haben gesagt“ und andere berichtete Tatsachen sind zulässig.
Letztlich ist es der Wunsch dieser in französisches Recht umgesetzten Richtlinie, jeder Person, die – sowohl unmittelbar als auch entfernt – an ein Unternehmen gebunden ist, diesen Schutz zu gewähren. Der Denunziant muss jedoch hinreichend Gründe zu der Annahme haben, dass die Informationen, die er überbringt, stichhaltig sind. Sie müssen also beweiskräftig sein, um Anspruch auf den durch diese Richtlinie gewährten Schutz zu haben. Eine Person gilt als bösgläubig, wenn sie z. B. von der Unwahrheit der angezeigten Tatsachen wusste.
Auf dieselbe Weise wird der Schutz auf die Angehörigen des Denunzianten, die infolge der Meldung der Straftat Repressalien erleiden könnten, ausgeweitet. Dies ist umso notwendiger, wenn der betreffende Angehörige in demselben Unternehmen angestellt ist, wie der Denunziant selbst. In einer solchen Situation könnte es tatsächlich Auswirkungen auf diesen letzten haben.
Was meldet ein Whistleblower?
Ein Whistleblower kann laut Waserman-Gesetz „Informationen über ein Verbrechen, ein Straftat, eine Bedrohung oder einen Schaden für das Allgemeininteresse, eine Verletzung oder den Versuch der Verschleierung einer Verletzung einer von Frankreich ordnungsgemäß ratifizierten oder genehmigten internationalen Verpflichtung, eines auf der Grundlage einer solchen Verpflichtung getroffenen einseitigen Akts einer internationalen Organisation, des Rechts der Europäischen Union, eines Gesetzes oder einer Verordnung“ anzeigen oder melden.
Der angeprangerte Grund muss vernünftig sein und darf das öffentliche Interesse nicht gefährden. Außerdem muss der Sachverhalt bereits eingetreten sein oder es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass er eintritt.
Die Regelung zum Schutz von Whistleblowern gilt nicht in bestimmten Branchen, die:
- eine Sonderregelung, wie z. B. im militärischen oder nuklearen Bereich;
- ein gesetzlich geschütztes Geheimnis, wie das Berufsgeheimnis von Anwälten, das Untersuchungsgeheimnis oder das Arztgeheimnis.
Im Gegensatz dazu kann das Geschäftsgeheimnis die Ausübung der Rechte von Whistleblowern nicht verhindern.
Sonderregelungen für Whistleblower
Der durch die allgemeine Regelung der Richtlinie gewährte Schutz findet Anwendung, aber die Verfahren sind spezifisch:
- Zum Beispiel im Finanzbereich, dessen Verfahren im „Code Monétaire et Financier“ (Geld- und Finanzgesetzbuch) geregelt ist;
- oder dann im Bereich der inneren Sicherheit bei einer im Nachrichtendienst lancierten Warnung (Verfahren geregelt durch das Gesetzbuch der inneren Sicherheit).
Wovor schützt die Europäische Richtlinie die Denunzianten?
Die Richtlinie 2019/1937 schützt die Denunzianten vor allem vor jeder Form von Repressalien infolge der Meldung der Straftaten. Dieser Schutz wird insbesondere durch das in Artikel 19 der Richtlinie aufgenommene Verbot von Repressalien garantiert.
Repressalien bestehen aus jedweder Tat, die gegen den Denunzianten unternommen würde und für sein Berufsleben in dem Unternehmen schädlich wäre, so wie zum Beispiel eine Kündigung, die Ablehnung von Urlaubsansprüchen oder aber die Versagung einer Beförderung.
Auch ist der Denunziant nun nicht mehr die Partei, der das Beweisen obliegt. Das bedeutet also, dass dieser keine Beweise mehr erbringen muss, dass die ergriffene Maßnahme eine Folge seiner Anklage ist. Es obliegt demnach dem Unternehmen, zu beweisen, dass es sich nicht um Repressalien handelt und dass die Maßnahme der Strafanzeige vollkommen fremd ist. Sollte das Unternehmen dies nicht beweisen können, dann setzt es sich Sanktionen für diese Repressalien aus. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein. Sie können auch zugunsten des Denunzianten vorgenommen werden: Tatsächlich muss jeder ihm zugefügte Schaden entschädigt werden.
Das französische Recht enthält darüber hinaus einen Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Arbeitnehmer, die Whistleblower sind.
Bei wem kann der Denunziant die Straftaten anzeigen?
Seit der Annahme der Richtlinie 2019/1937 muss die Anzeige durch mehrere Mittel möglich gemacht werden:
- intern, d.h. direkt bei dem betroffenen Unternehmen:
Die Anzeige kann direkt bei der juristischen Person bzw. der öffentlichen Anstalt gemacht werden. Dies ist dank der Anwesenheit von internen Meldestrukturen, die von der Stelle eingerichtet werden müssen, möglich. Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern müssen ein Verfahren zur Erfassung und Bearbeitung von Meldungen einrichten. Jedoch können solche Meldesysteme nur nützlich sein, wenn die Denunzianten die Sicherheit haben, dass ihre Identität nicht enthüllt werden kann. Aus diesem Grund schreibt die Richtlinie, zusätzlich zur Einrichtung dieser Strukturen, die Gestaltung von Meldekanälen vor, damit nur die ermächtigten Personen Zugang zur Identität der Denunzianten haben – so wird deren Identität geschützt und Repressalien werden vermieden.
- bei externen Stellen:
Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie müssen diese externen Stellen direkt von den Mitgliedstaaten bestimmt werden, mit der Befugnis, Meldungen zu erhalten, Rückinformationen zur Verfügung zu stellen sowie eine Verfolgung der Meldungen zu sichern. Diese Stellen haben also die Zuständigkeit, infolge einer Anzeige die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Sie müssen autonom und unabhängig sein und, wie auch die Unternehmen, die Identität des Denunzianten vertraulich halten. In beiden Fällen müssen dem Denunzianten die Vertraulichkeits- und Sicherheitsregeln zuteilwerden, die ihm geschuldet sind. Die direkte Meldung bei externen Stellen, ohne den Umweg über eine interne Meldung gehen zu müssen, ist seit der Verabschiedung des Waserman-Gesetzes nun auch im französischen Recht möglich. Die direkte Meldung kann hingegen nur bei der zuständigen Behörde, beim Rechtsverteidiger, bei der Justizbehörde oder bei einer europäischen Einrichtung erfolgen. Dies verhindert, dass der Arbeitnehmer eine Kündigung befürchten muss, und wird daher die Möglichkeiten für Whistleblower erheblich erweitern.
- durch öffentliche Offenlegung (z. B. in den Medien oder über soziale Netzwerke):
Diese letzte Möglichkeit der Offenlegung besteht nur, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
- Der Whistleblower hat die oben genannten Mittel genutzt, jedoch wurden in der von der Richtlinie vorgesehenen Frist keine weiteren Schritte unternommen;
- Der Whistleblower hat hinreichend Grund zu der Annahme, dass:
- der Verstoß eine ernste unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, so z. B. in einer Notsituation oder bei Gefahr eines irreversiblen Schadens;
- im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind (z. B. Fall von Interessenkonflikten) oder aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird, beispielsweise weil Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten oder wenn zwischen einer Behörde und der Person, die den Verstoß ausübt, Absprachen bestehen könnten oder die Behörde an dem Verstoß beteiligt sein könnte.
Diese Fälle, die die Möglichkeit der öffentliche Offenlegung eröffnen, werden in fast identischer Weise in das Waserman-Gesetz übernommen.
Das Verfahren zur Erfassung und Bearbeitung von Meldungen von Whistleblowern
Das Dekret Nr. 2022-1284 vom 3. Oktober 2022 legt die Bedingungen für die Verfahren zur Erfassung und Bearbeitung von Meldungen von Whistleblowern fest:
- Die Meldung kann schriftlich oder mündlich erfolgen, je nachdem, was das Verfahren vorsieht.
- Der Kanal für den Empfang von Meldungen muss es ermöglichen, alle Elemente, unabhängig von ihrer Form oder ihrem Medium, zu übermitteln, die die Meldungen untermauern können.
- Der Verfasser der Meldung muss innerhalb von sieben Werktagen schriftlich über den Eingang seiner Ausschreibung informiert werden.
- Die Stelle, bei der die Meldung eingeht, kann vom Ausschreibenden weitere Informationen anfordern.
- Sofern der Whistleblower nicht anonym ist, muss der Verfasser der Meldung alle Beweise dafür vorlegen, dass er tatsächlich zu den Personen gehört, die berechtigt sind, eine Warnmeldung abzugeben.
- Die Stelle, bei der die Meldung eingeht, muss dem Meldenden spätestens drei Monate nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung schriftlich Informationen über die geplanten oder ergriffenen Maßnahmen mitteilen, um die Richtigkeit der Behauptung zu bewerten und gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen.
Die Konsultation des Betriebsrats („CSE“) im Vorfeld ist erforderlich.
Das Verfahren muss auch die Person(en) oder Abteilung(en) angeben, die für die Erfassung und Bearbeitung von Meldungen benannt wurde(n), und die Vertraulichkeit und Integrität der gesammelten Informationen gewährleisten. Unbefugte Mitarbeiter haben keinen Zugang zu den Informationen.
Das Dekret listet auch die Behörden auf, die in mehreren Sektoren für die Sammlung externer Meldungen zuständig sind, wie z. B. der Rechtsverteidiger, die Wettbewerbsbehörde, die „DGCCRF“ (Generaldirektion für Verbraucherschutz, Wettbewerb und Betrugsbekämpfung) oder die Generaldirektion für Arbeit. Darüber hinaus müssen die Informationen über das Verfahren dauerhaft leicht zugänglich sein (u. a. interne Website, Aushang, E-Mail-Informationen).
Auch die Geschäftsordnung der Unternehmen muss aktualisiert werden und die Bestimmungen zum Schutz von Whistleblowern enthalten (seit dem 1.09.2022). Eine Aktualisierung ist daher sofort vorzusehen, sofern dies nicht bereits geschehen ist.
Recht des Arbeitnehmers auf Warnung und Entfernung
Das Rückzugsrecht ist ein anderes Recht als das des Whistleblowers, da der Arbeitnehmer sein besonderes Interesse und nicht das allgemeine Interesse vertritt. Es handelt sich insbesondere um Situationen, in denen der Arbeitnehmer einen vernünftigen Grund zu der Annahme hat, dass die Arbeitssituation eine ernste und unmittelbare Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit darstellt. In diesem Fall muss er seinen Arbeitgeber sofort alarmieren und kann sich aus dieser Situation zurückziehen und sich vom Arbeitsplatz zu entfernen. Es dürfen keine Sanktionen verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer von seinem Recht auf Entfernung Gebrauch macht.
Der Whistleblower und sein Vorgehen vor Gericht
Der Whistleblower kann aufgrund seines Status bei den Richtern einen Vorschuss für die Prozesskosten beantragen. Dies kann zum Beispiel vor der Orientierungs- und Schlichtungsstelle des Arbeitsgerichts („BCO“) beantragt werden. Der Arbeitnehmer kann auch beantragen, dass sein persönliches Weiterbildungskonto aufgestockt wird. Dies ist in dem Dekret Nr. 2022-1686 vom 28. Dezember 2022 vorgesehen.
Die Beweislast im Falle von Vergeltungsmaßnahmen gegen den Whistleblower liegt beim Arbeitgeber: Kündigt ein Arbeitgeber beispielsweise einen Arbeitnehmer aufgrund einer Meldung, muss der Arbeitgeber nachweisen können, dass die Entlassung auf Gründen beruht, die nichts mit der Meldung zu tun haben. Wenn der Arbeitgeber Fehler geltend machen kann, aber nicht auszuschließen ist, dass die Meldung bei seiner Entscheidung eine Rolle gespielt hat, wird davon ausgegangen, dass die Kündigung mit der Meldung zusammenhängt und ungültig ist. Der Arbeitnehmer kann dann seine Wiedereinstellung sowie die Zahlung der Gehälter verlangen, die ihm seit der Kündigung vorenthalten wurden. Wenn der Arbeitnehmer die Wiedereinstellung ablehnt, hat er Anspruch auf Abfindungszahlungen und eine Entschädigung in Höhe von mindestens sechs Monatsgehältern.
Eine ehemalige Mitarbeiterin des Unternehmens Thales befindet sich beispielsweise seit Juli 2020 im Konflikt mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, als sie den Verdacht der Korruption und des Einflusshandels aufdeckte. Daraufhin wurde die nationale Finanzstaatsanwaltschaft eingeschaltet. Der frz. Kassationshof erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass der Richter für einstweilige Verfügungen stets untersuchen muss, ob der Arbeitgeber den Beweis erbringt, dass die Kündigung mit Zielen außerhalb der Meldung zusammenhängt oder nicht. Seine Wiedereinstellung ist somit nicht ausgeschlossen.
Welche Auswirkung hat das französische Gesetz vom 21.03.2022 auf den Schutz der Whistleblower im französischen Recht?
Der Grundsatz der Richtlinie ist die Festlegung eines rechtlichen Mindestrahmens, den die Mitgliedstaaten einhalten sollen, wobei (falls erforderlich) bereits existierende Normen angepasst werden. Allerdings hindert die Mitgliedstaaten nichts daran, weiter zu gehen als das, was die Richtlinie festlegt, solange sie dasselbe Ziel verfolgen (hier den Schutz der Whistleblower). So geht das Gesetz Nr. 2022-401 vom 21.03.2022, das die Richtlinie 2019/1937 in das frz. Recht umgesetzt hat, bezüglich des Schutzes, der Whistleblowern geboten wird, manchmal noch weiter als die Richtlinie selbst.
So bietet sie beispielsweise in bestimmten Fällen die Möglichkeit, direkt eine externe Meldung vorzunehmen, ohne zuvor eine externe Meldung vornehmen zu müssen.
Die französische Rechtsprechung hat auch eine Ausnahme von der Einhaltung des Verfahrens der öffentlichen Offenlegung gemacht, das normalerweise auf die oben genannten Fälle beschränkt ist. Die Sozialkammer des frz. Kassationsgerichts hat am 15. Februar 2023 ein Urteil gefällt, das eine Ausnahme vorsieht: Der Arbeitnehmer muss dieses abgestufte Verfahren nicht einhalten, um eine öffentliche Offenlegung außerhalb seines Unternehmens zu machen, wenn er Tatsachen anzeigt, die ein Verbrechen oder Vergehen darstellen (im vorliegenden Fall sexuelle Angriffe auf Minderjährige). Der frz. Kassationshof fügt außerdem hinzu, dass der Arbeitnehmer, der solche Tatsachen anzeigt, vor einer Kündigung geschützt ist, wenn er in gutem Glauben handelt, auch wenn die angezeigten Tatsachen letztlich nicht nachgewiesen werden.
Schließlich werden auch die Schutzmaßnahmen an sich verstärkt. Beispielsweise erweitert das Gesetz vom 21. März 2022 die Liste der verbotenen Vergeltungsmaßnahmen, insbesondere in der Arbeitswelt, die gegen einen Whistleblower oder ein Mitglied seines Umfelds ergriffen werden könnten (z. B. Kündigung, Disziplinarmaßnahmen, Degradierung oder Verweigerung einer Beförderung, …usw.). Das Gesetz erweitert auch die Unverantwortlichkeit von Whistleblowern: Ihre zivilrechtliche Haftung wird ausgeschlossen, wenn sie in gutem Glauben eine Meldung gemacht haben, und das Gleiche gilt für ihre strafrechtliche Haftung, wenn sie Dokumente oder andere Medien, die die Informationen enthalten, von denen sie rechtmäßig Kenntnis erlangt haben, entwenden, veruntreuen oder zurückhalten.
Wenn Sie erwägen, eine Meldung zu machen, oder ein Unternehmen sind, das von einem Anti Globalist betroffen ist, und Ihre Rechte kennen lernen möchten, können wir Sie im französischen Arbeitsrecht beraten.
Françoise Berton, französische Rechtsanwältin
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Bild: Hope